Springkraut, Bärenklau & Co.:Illegale Einwanderer der Pflanzenwelt

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Der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), auch Herkulesstaude oder Herkuleskraut genannt, stammt ursprünglich aus dem Kaukasus. Beim Umgang mit der Pflanze ist größte Vorsicht geboten. Bloße Berührungen können bei Menschen zu schmerzhaften Quaddeln oder sogar schwer heilenden Verbrennungserscheinungen führen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Bekämpfung von Neophyten ist schwierig und nicht immer sinnvoll. Denn nicht alle Arten sind invasiv. Manche können dem Klimawandel trotzen und sind gut fürs Ökosystem.

Von Lorenz Szimhard, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Beim Drüsigen Springkraut ist der Kampf verloren", sagt Friedl Krönauer. Die Pflanze von der der Vorsitzender de Kreisgruppe des Bund Naturschutzer spricht, wird auch Indisches Springkraut genannt und ist ein sogenannter Neophyt, ein pflanzlicher Einwanderer sozusagen. Neophyten "sind Pflanzen, die nach 1492 - dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus - in Regionen gebracht wurden, in denen sie zuvor nicht vorkamen", erklärt Krönauer. Bei etwa zehn Prozent der im Landkreis angesiedelten Neophyten spreche man von invasiven Arten, erklären Anika Dollinger und Joachim Kaschek von der Unteren Naturschutzbehörde. Als "invasiv" gelten gebietsfremde Arten, sobald sie die biologische Vielfalt im Einbringungsgebiet gefährden. Sie treten in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen zu einheimischen Arten und verdrängten diese, so Dollinger und Kaschek weiter.

Deswegen alle invasiven Neophyten zu "verteufeln", hält Friedl Krönauer jedoch für zu "kurzsichtig". Denn auch invasive Arten hätten ihre Vorteile, sagt der BN-Vorsitzende. Das Drüsige Springkraut beispielsweise könne unter anderem als Nahrung für Bienen dienen, "wenn bei uns nahezu nichts mehr an Blühpflanzen da ist, wo sich die Bienen ihren Nektar holen können". Neben dem Indischen Springkraut gibt es im Landkreis laut der Unteren Naturschutzbehörde auf größerer Fläche noch fünf weitere invasive Arten: die Kanadische Goldrute, die Riesengoldrute, den Riesenbärenklau, den Japan-Knöterich und die Beifuß-Ambrosie, die zwar bislang nur gelegentlich auftauche, aber aufgrund ihres "extrem großen allergenen Potenzials für Menschen" stark gesundheitsgefährdend sei.

Das Drüsige Springkraut, hier bei Lenggries, ist längst flächendeckend verbreitet. (Foto: Privat/oh)

Einige Pflanzen seien durchaus absichtlich eingeführt worden, erklären Dollinger und Kaschek - zum Beispiel das Indische Springkraut als Zier- und Nutzpflanze. Andere Arten hingegen seien unbeabsichtigt zu uns gekommen, wie etwa die Beifuß-Ambrosie, die in manchen Vogelfuttern importiert worden sei. "Das Indische Springkraut hat man einmal im Garten gehabt und Pflanzenreste davon etwas sorglos irgendwo im Wald entsorgt", erzählt Krönauer. Dort habe es sich dann angesiedelt und gerade an Flussrändern stark ausgebreitet. Der Riesenbärenklau hingegen sei im 19. Jahrhundert als Bienenweide im heutigen Münsinger Gemeindegebiet gezielt angepflanzt worden, teilt die Untere Naturschutzbehörde mit. Später habe er sich von dort aus in der freien Natur angesiedelt. "Mit dem Bau der Garmischer Autobahn bekam der Bärenklau eine ideale Ausbreitungsschiene entlang der frisch aufgeschütteten Böschungen parallel zu den Fahrbahnen", erklären Dollinger und Kaschek. Diese Bestände seien vor einigen Jahren von der Autobahndirektion gezielt bekämpft worden.

Im Gegensatz zu den wenigen invasiven Arten wie dem Riesenbärenklau geht von den meisten gebietsfremden Arten, die sich bei uns ansiedeln konnten, laut der Naturschutzbehörde im Landratsamt keine Gefahr aus. Im Gegenteil, sie bieten sogar Chancen. Denn da viele Neophyten "Wärme und Trockenheit besser vertragen als heimische Pflanzen, können diese in Zeiten des Klimawandels besser bestehen", erklären Dollinger und Kaschek. Deshalb könnten sie beispielsweise die bisherigen, heimischen Arten der Stadt- und Straßenbäume ersetzen, die immer stärker unter Trockenstress leiden und zunehmend von Krankheiten und Schädlingen geschwächt würden. Angesichts der Klimaerwärmung sei zukünftig zudem mit einer verstärkten Ausbreitung von Neophyten und damit einem erhöhten Risiko durch invasive Arten zu rechnen. Die meist wärmeliebenden und kälteempfindlichen Neophyten profitierten laut Dollinger und Kaschek von den immer wärmeren Wintern und den immer heißeren Sommern. Zudem hätten diese oft eine "bessere Anpassungsfähigkeit sowie ein großes Ausbreitungspotenzial", was ihnen einen weiteren Konkurrenzvorteil gegenüber der heimischen Pflanzenwelt verschaffe.

Der BN-Kreisvorsitzende Friedl Krönauer hat Pflanzen wie dem Riesenbärenklau den Kampf angesagt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Invasive Arten stellten jedoch durchaus eine Gefahr für unser heimisches Ökosystem dar, betonen Dollinger und Kaschek. So zum Beispiel die Kanadische Goldrute und die Riesengoldrute. Beide Arten hätten sich in den Auwäldern parallel der Flussufer der Isar im Bereich der Ascholdinger, Pupplinger und Klosterau angesiedelt. Oft wüchsen sie dort auf mehreren Tausend Quadratmeter großen Teilflächen, die sie fast zu 100 Prozent einnehmen. So würden "andere, einheimische Arten dadurch nahezu vollständig verdrängt". Von Vorteil für die neuen Arten sei die "Zähmung der Isar" durch Verbau und Eintiefung sowie weniger Hochwässer und Dynamik gewesen. Systematische Bekämpfungsversuche ab Mitte der 1990-er-Jahre seien gescheitert. Damals seien nördlich des Ickinger Wehres auf einer Fläche von etwa 1000 Quadratmetern möglichst alle Goldrutenpflanzen über mehrere Jahre ausgerissen worden, berichten Dollinger und Kaschek. Nach Überflutungen der Bekämpfungsfläche im Zuge des Pfingsthochwassers 1999 habe man den Eindruck gehabt, "als wäre dort nie etwas passiert". In kürzester Zeit hätten die verbliebenen Wurzelsprosse im Boden die Fläche wieder für sich zurückerobert.

Ob die Bekämpfung von Neophyten Sinn ergebe, sei von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich, erklärt Friedl Krönauer. Während eine Bekämpfung des Indischen Springkrautes fast nicht mehr zu leisten sei, versuche man gegen Riesenbärenklau möglichst konsequent vorzugehen. Dies ist laut Dollinger und Kaschek von der Unteren Naturschutzbehörde möglich, da große Bestände "eher selten" seien. "Wenn uns bekannt ist, dass irgendwo der Riesenbärenklau ist, dann bekämpfen wir ihn", sagt Krönauer, "aber nur mit entsprechender Schutzkleidung." Denn der Pflanzensaft könne auf der Haut Symptome auslösen, die Verbrennungen gleichen, so die Untere Naturschutzbehörde. Erst vor Kurzem habe man an der Oberen Isar, an einer Bundesstraße im Südlandkreis und am Kochler Fußballplatz Riesenbärenklau entfernt. Doch auch nach der Entfernung der Pflanze "bleiben die Samen 20 Jahre keimfähig im Boden", erklärt Krönauer. "Deshalb dürfen wir da nicht nachlassen", fügt er hinzu. Im Landkreis gibt es seit Februar dieses Jahres einen Landschaftspflegeverband. Daher sei es denkbar, dort ein Neophyten-Bekämpfungsprojekt umzusetzen, sagen Dollinger und Kaschek. Auch Krönauer, selbst Mitglied des Landschaftspflegeverbandes, kann sich ein solches Projekt vorstellen - wenn die zu bekämpfenden Pflanzen "starke negative Auswirkungen auf Flora, Fauna und den Menschen" haben.

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