Bad Tölz-Wolfratshausen:Das Ende der fetten Jahre

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Landrat Josef Niedermaier ist auch Leiter des Innovationsrings des Bayerischen Landkreistags, der die Landratsämter zukunftsfähig machen will. (Foto: Manfred Neubauer)

2022 verzeichnet der Landkreis mit voraussichtlich 81 Millionen Euro eine so große Unterdeckung wie noch nie. Vor allem die Personalausgaben steigen. Das geht zu Lasten der Kommunen, auf die eine höhere Umlage zukommt

Von Petra Schneider, Bad Tölz-Wolfratshausen

Von kommendem Jahr an wird der Landkreis neue Schulden machen müssen. Im Haushaltsentwurf ist eine Kreditaufnahme von sechs Millionen Euro eingeplant - Tendenz in den Folgejahren steigend.

Einer der Hauptgründe sind die Personalausgaben. Der Plan für kommendes Jahr weist eine Mehrung um 12,9 Stellen aus. Das bedeutet eine Kostensteigerung um rund 657 000 Euro. Insgesamt erhöhen sich die Personalausgaben im Landkreis damit auf rund 22,1 Millionen Euro. Zusätzliche Stellen sind vor allem im Bereich Kinder- und Jugendhilfe vorgesehen, für die Zensus-Erhebung, im Bereich IT und für die Umsetzung des Nahverkehrsplans. Am Dienstag wurde im Kreisausschuss über die finanzielle Lage lebhaft diskutiert, am Ende billigten die Räte den Stellenplan mit zwei Gegenstimmen von Werner Weindl und Michael Müller (beide CSU).

Weindl warnte vor dem "Ende der fetten Jahre" und prophezeite, dass die Unterdeckung im Haushalt, die 2022 mit rund 81 Millionen Euro einen "historischen Höchststand" erreiche, vermutlich weiter steigen werde. Die Last werden zu einem großen Teil die Kommunen über die Kreisumlage zahlen müssen, die freilich davon profitieren, dass der Landkreis für sie Aufgaben übernimmt. Der Hebesatz bei der Kreisumlage von derzeit 47,5 werde sich auf über 50 Prozentpunkte erhöhen, "und ich bin überzeugt, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist", sagte Weindl. Er halte einen Hebesatz von bis zu 60 Prozentpunkten für möglich - mit der Konsequenz, dass die Kommunen die Gewerbesteuersätze erhöhen müssten. Er werde dem Stellenplan nicht zustimmen, sagte Weindl, "weil ich nicht das Bemühen sehe, ernsthaft auf die Bremse zu steigen".

Sein Fraktionskollege Michael Müller äußerte sich ähnlich. Er schlug die Umstellung vom klassischen Stellenplan zu einer "modernen Personalbudgetierung" mit Controlling vor: Demnach solle der Kreistag eine Budgetierung für jeden Fachbereich vornehmen, innerhalb dessen Stellen besetzt werden könnten. "Das wäre ein Zeichen echter Konsolidierung", sagte Müller. Landrat Josef Niedermaier (FW) ließ sich nicht überzeugen. Eine solche Budgetierung sei im unternehmerischen Kontext sinnvoll, aber im Verwaltungsbereich nicht möglich. Neue staatliche Vorgaben müssten umgesetzt werden, "da fragt niemand nach einem Budget, sondern nur: Habt ihr die nötigen Kontrollen gemacht?"

Müller reagierte verärgert: "Immer nur sagen, der Bund, der Freistaat ist schuld - Entschuldigung Herr Landrat, das ist mir zu wenig." Er habe einen Diskussionsvorschlag eingebracht, der "rundweg abgelehnt" worden sei. "Dann müssen Sie auch akzeptieren, dass ich nicht alles mittrage, was Sie hier vorlegen", schimpfte Müller.

Kein EDV-Zweckverband

Die Begründungen für die Stellenmehrungen "vollumfänglich nachzuvollziehen", hält Martin Bachhuber (CSU) für kaum möglich. Dass für die EDV drei neue Stellen vorgesehen seien, davon eine für die IT-Betreuung der Landkreisschulen, könnte nach Ansicht der CSU-Fraktion reduziert werden, wenn man sich auf ein einheitliches System einigt und Landkreis und Kommunen für die Wartung der Geräte einen Zweckverband gründen. Niedermaier zeigte sich für den Vorschlag offen, hielt ihn aber nicht für kurzfristig umsetzbar. "Wir werden in zwei Jahren keinen EDV-Zweckverband aus der Taufe heben." Erklärungen brauchte es auch beim Nahverkehrsplan, für dessen Umsetzung eine Stelle für Projektmanagement und eine halbe Stelle für Marketing vorgesehen ist.

Als Beispiele für künftige Aufgaben nannte der zuständige Verwaltungsmitarbeiter Matthias Schmid: Mit den Kommunen Standorte für neue Bushaltestellen festlegen, den vom MVV vorgesehenen, landkreisweiten Radverleih organisieren. Oder die Haltepunkte an Bahnstationen auswählen, an denen Fahrgäste künftig entscheiden könnten, ob sie die "letzten Meilen" mit Rad, Car-Sharing oder dem Bus bewältigen wollten. Um neue Angebote wie die Expressbuslinien bekannt zu machen, seien Marketinginstrumente wichtig. "Sonst setzen wir viel Geld auf die Straße, und das Angebot wird nicht genutzt", betonte Schmid.

Klaus Koch (Grüne) wertete es als "extrem schlechtes Zeichen", dass Ausgaben von 2022 an über Kredite finanziert werden müssten. Was die Personalkosten angehe, so liege man aber im oberbayerischen Ranking auf Rang 15 von 20. "Das heißt, dass 14 Landkreise höhere Personalkosten haben als wir." Dass beim ÖPNV Stellen aufgebaut werden, sei richtig, sagte Koch. Nicht nachvollziehen könne er allerdings, dass der für den Klimaschutz so wichtige Ausbau des ÖPNV zu den "freiwilligen Leistungen" zähle.

© SZ vom 03.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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