Kammerkonzert in der Kirche:Vogelzwitschern in eiskalter Nacht

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"Was würde besser in diese Adventstage passen?": Die aus Tölz stammende Geigerin Elisabeth Schütz freut sich auf das Messiaen-Konzert in der Stadtpfarrkirche. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die junge Konzertreihe "Nightingale" kommt erstmals nach Bad Tölz und wagt sich an das "Quatuor pour la fin du temps" von Olivier Messiaen. Für Elisabeth Schütz geht damit ein alter Traum in Erfüllung.

Von Stephanie Schwaderer, Bad Tölz

Es ist eine eiskalte Januarnacht im Jahr 1941, Tausende Männer sind im Stalag 8 a bei Görlitz interniert. In einer Baracke drängen sich 400 Franzosen in viel zu dünnen Kleidern und Holzpantoffeln. Sie hören erschütternde Klänge, aber auch: Vogelgesang. Am Klavier sitzt der französische Komponist Olivier Messiaen und spielt mit drei Mitgefangenen - einem Geiger, einem Klarinettisten und einem Cellisten - das "Quatuor pour la fin du temps". Er hat es im Lager komponiert. Mehr als 80 Jahre später, am Sonntag, 3. Dezember, bringt ein junges Ensemble um die Tölzer Schwestern Elisabeth (Geige) und Miriam (Klavier) Heuberger das "Quartett für das Ende der Zeit" in der Tölzer Stadtpfarrkirche zur Aufführung. Die beiden Musikerinnen haben einen besonderen Bezug zu dem Stück.

"Wir sind mit diesem Quartett groß geworden", erzählt Elisabeth, die mittlerweile Schütz mit Nachnamen heißt und Mutter eines siebenmonatigen Sohnes ist. Ihr Vater ist der Tölzer Kirchenmusiker Christoph Heuberger, ihr Onkel der Organist Stephan Heuberger, der sich als Messiaen-Spezialist einen Namen gemacht hat. "Meine Schwester und ich haben von klein an Messiaen gehört", erzählt sie. Auch ihre Facharbeit habe sie über ihn geschrieben. "Ich wollte dieses Quartett schon immer aufführen."

Elisabeth Schütz träumt seit Langem davon, Messiaen aufzuführen. (Foto: privat/oh)
Ihre Schwester Miriam Heuberger übernimmt den Klavierpart. (Foto: privat/oh)

Dies geschieht nun in der Reihe "Nightingale natur kultur", die ihr Mann, der Sänger Thomas Schütz, 2017 im Chiemgau ins Leben gerufen hat. Anspruch der Reihe ist es, Musik an ungewöhnliche Stätten zu bringen. Im Sommer habe sie etwa ein Konzert in einer Bootshalle gegeben, erzählt die Geigerin. Ihr Mann habe die "Winterreise" auf einer Berghütte gesungen. Auch in einem Bauhof hätten sie schon konzertiert. Zum Nightingale-Konzept gehöre es zudem, dass Nachwuchskünstler (wie nun in Tölz) sich mit Größen wie Avi Avital, Omar Klein oder Christoph Prégardien abwechselten. Das "Nest" der Nightingale-Reihe befinde sich beim "Hirzinger" in Söllhuben im Landkreis Rosenheim.

Am Sonntag kommt die Nachtigall erstmals nach Bad Tölz geflogen. Wobei die Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt nicht eben ein besonders abgelegener Konzertort ist. "Das stimmt", räumt Elisabeth Schütz ein, "das tanzt ein bisschen aus der Reihe." Vertretbar sei es trotzdem, weil das Werk "einfach perfekt" zum Nightingale-Konzept passe. Nicht nur wegen der Vogelstimmen, die bei Messiaen immer eine große Rolle spielten. Vor allem auch wegen der Bedingungen, unter denen die Uraufführung 1941 stattfand. "Die Stadtpfarrkirche ist ein offener Ort für alle und ideal für unser erstes Konzert in Bad Tölz", sagt Schütz.

"Vielleicht reagieren manche schockiert."

Das "Quatuor pour la fin du temps" ist kein eingängiges Werk. Es gehe unter die Haut, sagt die Geigerin, phasenweise sei es schräg und exzessiv. "Vielleicht reagieren manche schockiert." Der achte und letzte Satz jedoch, der Klavier und Geige vorbehalten ist, bringe das Licht, die Ewigkeit und die Hoffnung ins Spiel. "Da steht die Zeit still. Was würde besser in diese Adventstage passen, in denen man sich besinnt und hofft, dass der Friede wieder kommt."

Diesen achten Satz spielt sie zusammen mit ihrer Schwester Miriam. Mit ihr steht sie seit ihrer Kindheit und noch immer drei-, viermal im Jahr zusammen auf der Bühne. "Viele Sachen müssen wir zwei nicht besprechen", sagt sie und lacht. Das Quartett komplettieren Benedikt Don Strohmeier, Solo-Cellist des bayerischen Staatsorchesters, und Jonathan Groß, Solo-Klarinettist des Landestheaters Niederbayern. Die Einführung zum Konzert hält - wer könnte das besser - Stephan Heuberger.

"Darüber freuen wir uns besonders", sagt seine Nichte. "Wir wollen nicht nur Kenner des Werks erreichen, sondern alle Gäste." Da sei es hilfreich, wenn man zunächst etwas erfahre von jener Uraufführung im Stalag bei Görlitz, in einer eiskalten Januarnacht.

Sonntag, 3. Dezember, 11.30 Uhr, Stadtpfarrkirche, Bad Tölz, Karten zu 17 Euro (ermäßigt 8 Euro) gibt es bei der Tourist-Info Bad Tölz, Telefon 08041/ 78 67 15, sowie an der Tageskasse.

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