Das Flintcenter in Bad Tölz hat sich im Laufe der Jahre zu einem Flickenteppich an Gewerbebetrieben entwickelt. Das gilt nicht nur für größere Unternehmen wie Getränke- und Supermärkte, Autohäuser oder Drogerien. Auch kleine Start-ups sind in dem weitläufigen Areal der ehemaligen US-Kaserne zu finden. Soggle - ein Akronym aus Schutz und Goggle (englisch für Skibrille) - ist eines davon. "Unsere Kinder kamen immer mit zerkratzten Skibrillen nach Hause", erzählt Claudia Müller-Wörle. Eine Hülle für die Skibrille ist oft nicht zur Hand, schnell geht diese auch einmal verloren. Eltern kennen das. Also dachte sich die 48-Jährige, warum nicht der Skibrille einen Schutzüberzug verpassen - und zwar einen, der bei Nichtbenutzung straff über die Brille gespannt wird und stets an Ort und Stelle bleibt.
Zusammen mit einer befreundeten Geschäftspartnerin und ihrem Mann begann Müller-Wörle im Jahr 2018 zu tüfteln. "Es war gar nicht so einfach, die passende Materialmischung zu finden", erklärt sie. Allein schon auf die richtige Elastizität und Form zu kommen, forderte den Erfindungsreichtum der kleinen Firma heraus. Doch es stellte sich Erfolg ein. "Wir sind mit einem Rucksack voller Soggles auf die Ispo gegangen", erinnert sich Wörle an ihren Auftritt bei der Sportfachmesse, "und hatten danach bereits fünf Bewerber, die unser Produkt vermarkten wollten." Und Sebastian Wörle sagt, der Firmenname Soggle sei ihm während einer Fahrt auf dem Mittleren Ring eingefallen.
Die Soggle-Rohlinge werden in Sri Lanka genäht. "Das ist nicht trivial, das muss man mit der Hand machen", erklärt Claudia Müller-Wörle. Was Soggle von der Konkurrenz unterscheidet, ist der Online-Konfigurator. Damit können Kunden die Brillenschoner nach eigenem Geschmack gestalten. Eine Firma im Allgäu übernimmt den Druck; gelagert und verschickt werden die Soggles in, beziehungsweise aus Bad Tölz.
Platz für Werbung
Soggles sind "komplett neue Werbeflächen, die es so nicht gab", sagt Müller-Wörle. Und damit im von Werbeeinnahmen abhängigen Skizirkus mehr als willkommen. Seien es Unternehmen aus dem Skisektor wie Sitour, Skigebiete wie Sölden und Zermatt oder Tourismus-Destinationen wie Innsbruck - Soggle hat schon zahlreiche Kooperationen geschlossen, auch Mercedes-Werbung wurde bereits aufgedruckt. Die Wörles sind in der Skiwelt bestens vernetzt, Tochter Emily besucht das Berchtesgadener Skigymnasium, Vater Sebastian ist Co-Vorsitzender des Tölzer Skiclubs, der wie der Lenggrieser Ski-Club, sowie der Bayerische und der Deutsche Skiverband von Soggle gesponsert wird.
Als das Geschäft so richtig Fahrt aufgenommen hatte, kam Corona: "Das war ein Game-Changer", sagt Müller-Wörle. Lief das Geschäft 2020 noch holprig weiter, sah sich Soggle wie viele andere Unternehmen ein Jahr später mit herben Umsatzeinbrüchen konfrontiert. "Wir haben dann erst mal Mund-Nasen-Masken produziert und später Helmclips, an denen man die Masken befestigen kann." Not macht eben erfinderisch. Inzwischen sei das Unternehmen wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.
Wie beurteilen die Wörles die Atmosphäre für Start-ups in Bad Tölz? "Wir sind hier nicht ins kalte Wasser gesprungen. Zum einen hatten wir bereits Berufserfahrung, und zum anderen sind wir mit eigenem Kapital an die Startlinie gegangen." Förderungen oder Hilfe nahm Soggle nicht in Anspruch, es sei auch keine allzu große Investition notwendig gewesen.
Aktuell sehen die Wörles die Marktlage entspannt. Soggle ist inzwischen auch bei großen Händlern gelistet. Das Gründerduo ruht sich jedoch nicht auf seinen Lorbeeren aus. Soggle hat bereits Stirnbänder im Sortiment, um auch im Sommergeschäft durchstarten zu können.