Bad Heilbrunn:Witziger Galopp durch die Pop-Charts

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Stefan Leonhardsberger begeistert Publikum in Bad Heilbrunn - darunter viele Wolfratshauser.

Von Claudia Koestler, Bad Heilbrunn

Es ließe sich durchaus darüber spekulieren, warum bei der Frage von Veranstalter Michel Amato, wer vom Publikum aus Wolfratshausen gekommen war, tatsächlich so viele Hände nach oben gingen. Vielleicht lag es an der Atmosphäre, die der Bad Heilbrunner Kursaal verbreitet. Oder doch am Programm. Aber was auch immer der Beweggrund für die Völkerwanderung gewesen sein mag: Die Anwesenden erlebten in Heilbrunn einen wunderbar parodistischen, höchst ironischen Gute-Laune-Abend. Alle anderen haben etwas verpasst, Punktum.

"Da Billi Jean is ned mei Bua" heißt das Programm des österreichischen Schauspielers, Musikers und Kabarettisten Stefan Leonhardsberger, das er an diesem Abend präsentierte. Dabei nahm er das Publikum im vollbesetzten Kursaal mit auf eine Reise durch die jüngere Pop-Geschichte, wobei er deren Texte allerdings ins Österreichische übertrug und teils neu interpretierte. Und wie der Titel vermuten ließ, zog sich wie ein roter Faden ein von Michael Jackson inspiriertes Vater-Sohn-Drama durch seinen Auftritt.

Natürlich hätte man vorab annehmen können, dass jemand, der ausschließlich Coverversionen singt, noch dazu in österreichischem Akzent, einem irgendwann auf die Nerven geht. Tat Leonhardsberger aber nicht. Kaum saß er mit Cord-Jackett und ernstem Blick auf der Bühne, begann auch schon ein aberwitziger Galopp durch Höhen und Tiefen des Daseins, mitreißend tonal untermalt. Eine geschickte Mischung, die Leonhardsberger da lieferte: Songs der Popcharts, bei denen Wiedererkennung und Eingängigkeit garantiert sind, gepaart mit Texten aus der Kategorie Witz, Charme und Schmäh mit einem Hauch von Melancholie. Es gelang ihm, die Stücke in Geschichten zu verwandeln, andere wiederum in Shownummern, mit neuen Themen oder subversiven Nebenthemen. Leonhardsberger zeigte vor allem ein präzises Gespür für Timing, wusste genau, wann er es laufen lassen konnte und wann nicht, und wann welche Geste die Absurdität erst wirken ließ. Übrigens nicht alleine, denn er wurde von dem fabelhaften Gitarristen Martin Schmid mehr als nur musikalisch unterstützt. Der "Schwabenteufel aus Augsburg", wie ihn Leonhardsberger ankündigte, redete zwar so gut wie nicht. Doch sein Gesicht sprach Bände: Wenn er mit Sorgenfalten auf die Ankündigung des nächsten Titels reagierte oder etwas mit einem kurzen Blick kommentierte. So wurden die Songs keine reinen Blödeleien, sondern teils absurde Diskurse. Lana Del Reys "Summertime Sadness" wurde zum "Sommerzeit-Jetlag", und Rihannas "Umbrella" klang bei Leonhardsberger so: "Du bist mei' Freind /und wirst es immer sein / egal was no passiert/ du weißt, i steh zu dir/ und Oider nur mit dir/ teil i mei letztes Bier/ spend' dir a meine Nier'n /tät gar nach Grönland zieh'n/ aber denk an mei' Bedingung/ zerstör uns nicht die Stimmung/ lass die Finger von mei´m Teller, -eller, -eller, ääh, ääh, bäh/ Finger weg von mei´m Teller ... " Doch als roter Faden durch den Abend diente die Geschichte seines Freundes "Tonnek", einem "Player" und Frauenheld. Im Song "Alejandro" von Lady Gaga wurden deshalb die Alejandros zu Alexandras, Mariannas und Johannas. Doch der Partyspaß hat ein Ende, als eine Flamme vors Vaterschaftsgericht zieht und heraus kommt: "Da Billi Jean is doch sei Bua".

Freilich, in die gängigen Schubladen passt das alles nicht: Für ein Konzert war es einfach zu lustig, für Kabarett wiederum zu musikalisch. Aber wer will schon über Schubladen nachdenken, wenn etwas funktioniert und unterhält. Spätestens bei der Zugabe "Bsoffener Tänzer", Leonhardsbergers Version von Tina Turners Klassiker "Private Dancer" samt aufopferungsvoll hüftbeschwingter Tanzeinlagen, rastete das Publikum völlig aus. Wie sangen die Beatles einst? "You're such a lovely audience, we'd like to take you home with us". Bei Leonhardsberger war es umgekehrt: Am liebsten hätte ihn das Publikum mit nach Hause genommen. Vielleicht sogar bis Wolfratshausen, damit er dort noch weiterspielt.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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