Auszeit in Eurasburg:Wieder Leben im Dorfkern

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Familie Berger hat anstelle des alten Stücklhofs in Eurasburg ein neues Café samt kleiner Pension geschaffen

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Nur wenige Räume hat der letzte Bewohner im alten Stücklhof genutzt. Der Stock hatte sich durch die Wände gefressen, das Holz war mürbe geworden. Die Landwirtschaft im Haus bei der Dorflinde im Ortszentrum von Eurasburg war seit Jahrzehnten aufgegeben. Schließlich wurde der letzte Bewohner pflegebedürftig und musste ausziehen. Das Gebäude mit dem denkmalgeschützten Fresko des Heiligen Aloisius aus dem 18. Jahrhundert stand leer. Die Erbengemeinschaft inserierte den Hof samt Weiden zum Verkauf.

Die Chance, den Dorfkern mit Leben zu füllen, hat die aus dem benachbarten Degerndorf stammende Familie Berger ergriffen. Die Brüder Simon und Florian - bekannt als Geschäftsführer des Futtermittelherstellers Agrobs - kauften das marode Haus und rissen es ab. Im Stücklhof-Neubau hat ihre 30-jährige Cousine Anna Berger ein Café samt Pension eröffnet. Das Fresko des Heiligen Aloisius wurde von der Wand des alten Hofs abgetragen, restauriert und in die neue Fassade integriert.

Im Gastraum hat die Familie Berger geschickt mit Holz gearbeitet. Der Dielenboden in warmem honiggelbem Ton kontrastiert mit den graueren, freiliegenden Deckenbalken. An den Tischen aus Eichenholz stehen graugepolsterte Stühle. In derselben Farbe sind die Eckbänke bezogen und die Vorhänge gehalten. An mehreren Stellen wie der Theke wurden noch intakte Holzbalken aus dem historischen Hof integriert. Bodentiefe Glastürelemente zur Terrasse im Süden machen den Raum licht.

Viel Holz, graue Möbel - ein modernes, aber warmes Ambiente. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ohne seine Cousine wäre aus dem heutigen Betrieb nichts geworden, sagt der 36-jährige Simon Berger. "Wenn Anna nicht gewesen wäre, hätten wir das nicht gemacht." Sie habe die nötige Erfahrung eingebracht. Acht Jahre lang war sie an der Evangelischen Akademie in Tutzing tätig. Dort hatte sie als Assistentin der hauswirtschaftlichen Betriebsleitung gearbeitet. Sie war für die Qualität und den Service im Tagungshotel oder das Büfett zuständig.

Die Entscheidung, sich mit Café samt Pension selbständig zu machen, fiel Anna Berger trotzdem schwer. Für einen Betrieb allein verantwortlich zu sein sei ihr zu riskant erschienen, erzählt sie. "Ich habe schon ein paar Wochen überlegt, ob ich das mache." Schließlich habe sie sich mit 30 Jahren aber genau im richtigen Alter gefühlt, um den Schritt zu wagen. Zehn Jahre später hätte sie sich das womöglich nicht mehr zugetraut, vermutet sie.

Ihr Café hat die junge Frau nur tagsüber geöffnet, freitags bis 20 Uhr. Immer donnerstagmittags serviert sie kleine Gerichte für die Arbeitspause. Direkt aus der Region kauft Berger die Zutaten für ihre Küche. So stammen Brot- und Backwaren etwa aus der Landbäckerei Wagner im benachbarten Münsing. Die dort ansässige Metzgerei Großmann liefert Fleisch- und Wurstwaren. Nur wenige hundert Meter entfernt liegt der Pilchhof, von dem Heumilchprodukte kommen. Frühstück gibt es à la carte; außerdem bietet sie Baguettes und Kuchen zum Mitnehmen an.

"Mehr Zufall gibt es nicht"

Sie habe deswegen erst einmal nur tagsüber geöffnet, erklärt Berger, weil sie zunächst sehen möchte, wie sich die Geschäfte entwickeln. Später könne sie das Angebot ja immer noch erweitern, sagt sie. Zum Mittagstisch kämen bereits Beschäftigte umliegender Betriebe. Auch ihre drei Ferienappartements und acht Zimmer seien gut gebucht - von Handwerkern, Menschen auf Verwandtenbesuch oder Urlaubern.

So stringent geplant, wie es klingt, war das Unterfangen zu Beginn aber nicht. Simon Berger war zuerst nur auf die zum Verkauf inserierten Wiesen aufmerksam geworden. Ausschließlich daran sei er interessiert gewesen, berichtet er. Für den familieneigenen Degerndorfer Rauscher-Hof habe er zusätzliche Wiesen gesucht. Den maroden, weitestgehend aus Feld- und Bimssteinen gemauerten Stücklhof ohne Keller habe er nicht haben wollen. Doch Hof und Weiden seien nur im Paket zu haben gewesen. Trotzdem schlug er zu, weil der Grund vor der Gemeindereform in den Siebzigerjahren noch zu Degerndorf gehörte. "Mehr Zufall gibt es nicht", sagt Berger.

Vertreter der Gemeinde Eurasburg wünschten sich schon lange mehr Leben in der Dorfmitte. In gemeinsamen Gesprächen mit der Familie Berger konkretisierte sich die Idee vom Tagescafé samt Pension. "Wir haben gesagt, wir lassen uns Zeit", berichtet Simon Berger. "Es sollte kein Schnellschuss, sondern ein stimmiges Konzept sein."

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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