Arbeitsmarkt:In letzter Minute

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Der Chef von Knauer Engineering in Geretsried, Peter Ortmann, sucht seit Jahren Azubis. Immerhin fängt jetzt ein Lehrling zur Probe an. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Ausbildungsjahr hat begonnen und noch immer fehlen Hunderte Nachwuchskräfte. Doch es gibt etwas Hoffnung: Arbeitgeber zwischen Geretsried und Bad Tölz beobachten inzwischen einen Last-Minute-Markt.

Von Barbara Briessmann, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Seit ein paar Jahren mangelt es", sagt Peter Ortmann, Geschäftsführer von Knauer Engineering in Geretsried. Seit Jahren sucht er immer wieder händeringend nach Auszubildenden als Konstruktionsmechaniker. "Die Arbeit ist hart, dreckig und laut", sagt Ortmann, er kennt die abschreckende Wirkung des Berufsbildes. Es gebe nur wenige brauchbare Bewerber für die Lehrstelle. Wie die zuständige Agentur für Arbeit in Rosenheim sagt, haben die Schulabgänger heuer eine riesige Auswahl an Ausbildungsplätzen. "Der Lehrstellenmarkt hat sich komplett gedreht", so Sprecherin Katharina Kristen. Früher seien viele Bewerber auf eine Ausschreibung gekommen. 240 offene Stellen gab es im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen im August - viele davon werden unbesetzt bleiben. Denn nur 80 junge Menschen suchten noch nach einem Beruf, der ihnen gefallen könnte. Die Industrie- und Handelskammer warnt, dass die Bewerberlücke noch nie so groß gewesen sei.

Diese Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bekommt Peter Ortmann in seinem Betrieb zu spüren. Bei den Wenigen, die sich vorgestellt haben, sei "kein Wille zur Arbeit" zu erkennen gewesen. Sein letzter Azubi zum Konstruktionsmechaniker sei in Ordnung gewesen. "Aber der wurde leider krank, bekam eine Allergie und konnte nicht weitermachen." Ortmann stand in diesem Jahr lange ohne Lehrling da. "Er hat sich sehr spät gemeldet." Erst kommende Woche fange dieser am Mittwoch mit der Arbeit auf Probe an. "Wenn es ihm gefällt, kann er bleiben. Ich glaube, das passt mit ihm."

Dass Lehrstellen nach dem 1. September, dem offiziellen Beginn des Ausbildungsjahres, besetzt - oder wieder frei - werden, hat verschiedene Gründe. "Einige Bewerber springen in letzter Sekunde ab, weil sie einen noch passenderen Ausbildungsplatz finden, oder sie weiter zur Schule gehen, beziehungsweise ein Studium beginnen", sagt Jakob Grau, stellvertretender Leiter der Agentur für Arbeit Rosenheim. In anderen Fällen trennten sich die Wege schnell wieder, weil die Chemie nicht stimmt."

Es kommt den Berufsberatern und Arbeitgebern langsam vor, als gehe es bei den Ausbildungsplätzen um ein Last-Minute-Geschäft, heißt es bei der Arbeitsagentur. Das kann Hans Fanea, Geschäftsführer des Expert-Elektrohandels in Bad Tölz nur bestätigen: "Wir bekommen immer noch relativ gute Bewerbungen im Juli oder sogar August." Sein Betrieb hatte drei Azubis gesucht. "Einen habe ich schon im Juni gehabt, eine Ende Juli, den dritten habe ich erst vor einer Woche eingestellt."

Lange auf der Suche nach den passenden Auszubildenden war auch Andreas Wegler für seinen "Alpenbiomarkt" in Bad Tölz. "Nachdem es unseren Laden noch nicht so lange gibt, mussten wir erst einmal abwägen, wie viele junge Menschen wir ausbilden können." Als klar war, dass er vier Azubis, davon einen Koch, in die Lehre nehmen kann, wurde nach den passenden Bewerbern gesucht. Doch die kamen erst spät auf Wegler zu, der das Verhalten verstehen kann: "Wie soll denn so ein junger Mensch nach dem Schulabschluss sofort ganz genau wissen, was er beruflich machen will?"

Manche wissen das schon ziemlich genau. Bestimmte Ausbildungsplätze sind schnell vergeben. Lehrstellen im Bereich Marketing und Produktdesign gibt es im Landkreis laut Arbeitsagentur gar keine mehr. Bei der geschlechtsspezifischen Beliebtheitsskala der Berufsfelder habe sich seit Jahren nichts geändert - "trotz aller Girls- und Boys-Days", so Katharina Kristen. Mädchen würden eine Ausbildung in Büro, Verwaltung oder einer Arztpraxis bevorzugen. Auch Verkäuferin wird gerne gelernt, allerdings seien die Arbeitszeiten im Handel abschreckend. Bei den jungen Männern stünde der Kfz-Mechatroniker sowie alles rund um IT und Computer weiterhin hoch im Kurs. "Das Verblüffende ist, dass es in diesem Jahr auch auf all diesen Berufsfeldern noch offene Lehrstellen gibt", sagt Kristen. Besonders viele unbesetzte Plätze gebe es im Verkauf, in Hotels und Restaurants, bei Metzgern sowie Bäckern. "Bis kurz vor Weihnachten könnten viele noch eine Lehrstelle ergattern."

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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