Tierschutz und Klimawandel:"Der Nachwuchs bricht weg"

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Die Zahl der Grasfrösche ist in Bayern seit Jahren rückläufig, dies gilt auch für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Michael Matziol/privat/oh)

Wegen der Folgen des Klimawandels und der Landwirtschaft geht die Population der Amphibien im Landkreis stark zurück. BN-Kreisvorsitzender Friedl Krönauer erklärt, warum sich die Situation vor allem für Jungtiere dramatisch verschärft hat.

Interview von Arnold Zimprich, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Wochen im Juli waren nass und vergleichsweise kühl. Dies ändert allerdings nichts daran, dass sich das Klima erwärmt. Dieser Wandel wirkt sich auch auf die Amphibienpopulation im Alpenvorland aus. Die Frösche, Unken und Lurche leiden unter Dürreperioden. Dazu äußert sich Friedl Krönauer, Vorsitzender der Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN), im Gespräch mit der SZ.

SZ: Aus Laiensicht war es im unmittelbaren Voralpenland in den letzten Wochen vergleichsweise nass. Ein Trugschluss?

Friedl Krönauer: Gefühlt lässt sich dies sicher so einordnen. Betrachtet man allerdings die tatsächlichen Wetterdaten der einschlägigen Dienste, wurde im Alpenvorland nur im Monat Mai die Niederschlagsmenge des langjährigen Mittels von 1991 bis 2020 erreicht, im Juni mussten wir mit 51 Prozent des langjährigen Mittels starke Einbußen hinnehmen. Außerdem waren Juni und Juli überdurchschnittlich warm.

Wie steht es generell um die Amphibienpopulation im Landkreis?

Wir verzeichnen an drei von unseren 15 Sammelstellen - das sind allesamt Schutzzäune an Straßenquerungen - Zuwächse. Am Walchensee um rund 200 Prozent. An allen anderen Sammelstellen ging es um bis zu 25 Prozent zurück. Auf unseren Landkreis bezogen lässt sich feststellen, dass Habitate in Wäldern wesentlich stabiler sind als das offene Land. Witterungsbedingte Faktoren, zum Beispiel das Trockenfallen von Tümpeln, und landwirtschaftliche Einflüsse, Güllen, Striegeln und Walzen der Wiesen, setzen den Amphibien stark zu. Ein weiterer negativer Faktor ist die fortschreitende Flächenversiegelung, also die generelle Bautätigkeit und Verkehrswege.

Bei Sammelaktionen werden jedes Jahr von freiwilligen Amphibienhelfern viele Tiere vor dem Tod gerettet. (Foto: Hartmut Pöstges)

Woran liegen die hohen Zuwächse am Walchensee?

Am Südufer gibt es seit drei Jahren eine organisierte Sammlung, maßgeblich initiiert von den Rangern Sabine Gerg und Hans Adlwarth, ausgeführt von Walchenseer Bürgern und den Rangern. Anfangs hatten wir nur einen 1,5 Kilometer langen Zaun bei Einsiedl, seit diesem Jahr gibt es einen zusätzlichen, zwei Kilometer langen Zaun westlich von Niedernach zu betreuen. Der Zaun wurde von den Bayerischen Staatsforsten gespendet, die Sammlung wird maßgeblich durch die Gebietsbetreuerin Margret Hütt und den BN organisiert. Durch etwa 20 Freiwillige konnten wir hier heuer ein Plus von 13 000 geretteten Tieren verbuchen.

Inwiefern spielen hier geographische Faktoren eine Rolle?

Das Walchensee-Südufer steht exemplarisch für den Unterschied hinsichtlich des Zustands der Habitate Wald versus Offenland. Die Lebensräume der Amphibien in den Wäldern südlich der Uferstraße sind noch weitestgehend intakt und wenig von den klimatischen Veränderungen beeinträchtigt, zudem ist das Gebiet von zahlreichen wasserführenden Gräben durchzogen. Das größte Manko stellt die Mautstraße dar, eine Totalsperrung zur Amphibienwanderzeit wäre aus Artenschutzgründen unbedingt erforderlich, lässt sich jedoch politisch nicht durchsetzen.

"Die klimatischen Bedingungen wirken sich besonders auf die Jungtiere negativ aus."

Wie wirken sich Hitze und Trockenheit auf einzelne Spezies aus?

Der Rückgang bei den Grasfröschen lässt sich bayernweit, aber auch im Landkreis, seit Jahren feststellen. Unterschiede der witterungsbedingten Einflüsse auf einzelne Arten lassen sich aus unseren Zahlen nicht direkt oder nur schwer ableiten, hierfür bräuchte es ein langjähriges Monitoring, was aber durch Ehrenamtliche nicht zu leisten ist. Generell steht fest, dass die Hitzesommer und insbesondere die langanhaltende Trockenheit im vergangenen Jahr bis in den April 2023 die Situation für Amphibien noch verschärft haben. Die klimatischen Bedingungen wirken sich besonders auf die Jungtiere negativ aus, durch das ungünstige Verhältnis von Hautoberfläche zu Gewicht kommen sie deutlich schlechter mit den erhöhten Temperaturen klar als adulte Tiere, da sie wesentlich schneller austrocknen. Der Nachwuchs bricht weg, und dies begründet den dramatischen Rückgang der Arten.

Der BN-Kreisvorsitzende Friedl Krönauer hat Pflanzen wie dem Riesenbärenklau den Kampf angesagt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Was können Grundstücksbesitzer tun, damit Amphibien mit den Folgen des Klimawandels besser zurechtkommen?

Im Offenland wirkt sich die Entwässerung von Feuchtwiesen und Mooren dramatisch auf die Bestandszahlen aus. Die geeigneten Maßnahmen liegen auf der Hand: Wiedervernässung, keine Verfüllung von Senken, extensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Dies liefe aber dem lang anhaltenden Trend der Intensivlandwirtschaft entgegen. Wälder sollten nur naturnah bewirtschaftet werden.

Leiden Amphibien unter invasiven Arten - wie es zum Beispiel bei Muscheln der Fall ist?

Bedrohungen oder gar Bestandsrückgänge aufgrund von Neozoen können wir nicht feststellen, auch ist dies bayernweit nicht der Fall. Allerdings taucht im Bundesgebiet die Chytridiomykose, ein Pilzbefall, auf, der weltweit für ein dramatisches Amphibiensterben sorgt. In Bayern war dies bisher nur in der Rhön zu beobachten. Dieser Pilz asiatischen Ursprungs ist anthropogen verschleppt. Für Salamander und Kammmolch droht der Batrachochytrium salamandrivorans (Bsal), ein Erreger, der in Holland zum Zusammenbruch der Feuersalamander-Population gesorgt hat. Bisher wurde er im Steigerwald und in Memmingen festgestellt. Unser Landkreis wurde hiervon bisher verschont.

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