Ärger nach Volksfest in Geretsried:Festwirt wirft der Stadt "Willkür" vor

Lesezeit: 3 min

Bei einer Versammlung im Bierzelt des abgebrochenen Geretsrieder Waldsommers reden sich Christian Fahrenschon und Schausteller-Kollegen den Frust von der Seele. Sie fordern ein Entgegenkommen der Kommune.

Von Claudia Koestler, Geretsried

Zwei große Fragen treiben Schausteller und Festwirte um, bei denen meist eine Antwort die andere bedingt: die finanzielle Tragfähigkeit ihres Gewerbes und wie sich eine sichere Veranstaltung durchführen lässt. Beim Geretsrieder Waldsommer, der kleinen Version des örtlichen Volksfestes, ist es nun zu einer Art Kernschmelze aus dieser Gemengelage gekommen: Weil Festwirt Christian Fahrenschon vergangene Woche bei einer Kontrolle zu wenig Ordnungskräfte auf dem Platz hatte, kam es zum Krach mit der Stadt, und daraufhin beendete der Wirt den Rummel vorzeitig. Um ihren Frust zum Ausdruck zu bringen, wie es grundsätzlich in der Pandemie um ihre Branche steht und wie insbesondere beim Waldsommer verfahren worden sei, organisierte Fahrenschon gemeinsam mit Schausteller-Kollegen und Mitarbeitern am Sonntag eine Versammlung. Ihr Vorwurf speziell an die Geretsrieder Verwaltung: Hier sei es zu behördlicher "Willkür" gekommen, ein Ermessensspielraum sei nicht ausgenutzt und das bisherige gute Miteinander sei einseitig aufgekündigt worden.

Er sei ein Festwirt aus Leidenschaft, sagte Fahrenschon auf der Bühne des Festzelts vor etwa 70 Gästen, überwiegend Branchenkollegen, und mehreren Polizeibeamten, welche die Versammlungsauflagen wie Abstand und Maskentragen im Auge behielten. 2017 habe er erstmals in Geretsried den Waldsommer veranstaltet und sein "Möglichstes dafür getan, dass das Volksfest wieder ein besonderes Ereignis im Stadtkalender" werde, sagte Fahrenschon. Seither sei die Organisation und Durchführung des Rummels in Geretsried "ein schöner, weil gemeinsamer Weg" gewesen, er habe sich in der Zusammenarbeit mit der Stadt sehr wohl gefühlt. Was also bringe einen Wirt dazu, vorzeitig zuzusperren, noch dazu vor einem umsatzträchtigen Sonntag? Für fast alle Großereignisse gebe es inzwischen erprobte Rahmenkonzepte, erklärte er, nicht aber "für ein kleines Familienfest", wie es der Waldsommer trotz Pandemie biete. Das Landratsamt habe ihm aber immerhin etwa vier Wochen vorher den entsprechenden Bescheid zugestellt. Die Stadt Geretsried habe ihm ihre Auflagen wiederum erst einige Stunden vor dem Festauftakt in die Hand gedrückt. Gerade einmal zehn bis 15 Minuten seien ihm geblieben, diese durchzulesen. Etwas anderes, als die Auflagen zu akzeptieren, sei ihm in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen. Bei dem Passus zu den Ordnungskräften habe er noch versucht, nachzuverhandeln. "Aber das Wetterrisiko, das gebe ich zu, das habe ich nicht bedacht", sagte er.

Doch Montag und Dienstag seien extrem verregnet gewesen. Die Auflagen hätten den Einsatz von mindestens vier Ordnern verlangt - auch bei geringem Besucheraufkommen. Fahrenschon aber hatte am verregneten Dienstagabend mit kaum Gästen zwei der vier Sicherheitskräfte vorzeitig nach Hause geschickt. "Bei 20 Euro Stundenlohn und 20 Tagen sprechen wir hier von 5000 Euro", sagte er, die "null Euro Einnahmen bei dem Wetter" gegenübergestanden hätten. Die Ordner dennoch einzusetzen sei deshalb für ihn "weder sachlich noch menschlich nachvollziehbar" gewesen. Doch der Verstoß wurde von der Polizei beanstandet und als Ordnungswidrigkeitsanzeige dem Landratsamt zur Prüfung vorgelegt.

Fahrenschons Bitte, an weiteren verregneten Tagen von der Vier-Mann-Regelung abzuweichen, wollte man bei einem Gespräch am Mittwoch im Rathaus aber nicht nachkommen. Dass ihm die Verwaltung hier "in keinster Weise entgegengekommen" sei, enttäusche ihn zutiefst. Diese "strengen und willkürlichen Auflagen", bei denen die Stadt nicht mit sich reden lasse, mache ihm eine Fortsetzung unmöglich.

"Es ist unmenschlich, was hier passiert ist", sagte Wenzel Bradac, Präsident des Bayerischen Landesverbandes der Marktkaufleute und Schausteller. Ihr Gewerbe sei ein anerkanntes Kulturgut. "Aber wenn es so weitergeht, dann wird dieses Kulturgut sterben." Bei der Ausrichtung von Volksfesten seien sie auf die Zusammenarbeit mit den Kommunen angewiesen. Doch in Geretsried sei "jede Menschlichkeit, jedes Entgegenkommen auf die Seite geschoben worden", sagte er.

"Verwaltungen haben einen Ermessensspielraum", betonte Fahrenschon mehrfach. "Warum greifen sie nicht auf unsere Erfahrungen zurück?", fragte er - immerhin hätten sie bereits sechs ähnliche Feste unter pandemischen Bedingungen veranstaltet, bei denen es nachweislich zu keinen Infektionen gekommen sei. "Lassen Sie uns doch einfach machen", bat er und machte eine Handreichung: Er komme weiter gerne nach Geretsried, mit einem Aber: "Nicht auf diese Art und Weise."

Auch Mitarbeitende wollten ein Zeichen setzen. Ob es einen gemeinen Waldsommer 2022 geben wird, steht noch nicht fest. (Foto: Harry Wolfsbauer)
© SZ vom 30.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: