Verkehr:Stau sollte immaterielles Unesco-Weltkulturerbe werden

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Die Deutschen bei der Brauchtumspflege. (Foto: dpa)

Auf der Liste fehlt die Tradition, die jedes Jahr von Millionen Menschen intensiv gelebt wird - gerade zur Ferienzeit. Die Weltmeister der Brauchtumspflege sind natürlich die Münchner.

Kolumne von Andreas Schubert

Auf der Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes finden sich viele Dinge, die Menschen gerne und vor allem schon seit langer Zeit tun. Ob es sich nun - nur um ein paar Beispiele aus der Liste herauszugreifen - um das "Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen" handelt, um "Spitzenklöppeln im Oberpfälzer Wald" oder den Münchner Viktualienmarkt: Diese und viele andere schöne Sachen haben eine Tradition, bringen Menschen zusammen - und sind allein schon deshalb schützenswert.

Schaut man sich den Kriterienkatalog der Unesco so an, verwundert es sehr, dass eine Tradition, die jedes Jahr von Millionen Menschen intensiv gelebt wird, in der Liste fehlt: der deutsche Stau. Erstmals beurkundet wurde er im Juli 1963. "Autobahn wird zur Schleichbahn", stellten die Volkskundler der Bild-Zeitung damals fest, seither wird das Ritual jeden Sommer wieder gepflegt, in mehr als einem halben Jahrhundert haben sich immer neue Ausprägungen entwickelt. So hat die Evolution des deutschen Staus zum Beispiel den bayerischen Stau hervorgebracht, dessen auffälligste Erscheinungsform der Münchner Stau ist. Letzterer wird das ganze Jahr über, aber gerade im Sommer, besonders eindrucksvoll zelebriert.

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Die traditionsverliebten Münchner lieben ihren Stau. Sie stellen sich hinein wie die Weltmeister, schauen nach ausgiebiger Brauchtumspflege auf der A 8 für ein paar Minuten am Tegernsee oder einer Berghütte im Voralpenland vorbei, nur um auf dem Heimweg wieder richtig glücklich darüber zu sein, dass nichts vorwärts geht. Diese Sitte, den Weg als Ziel zu haben, gilt es unbedingt zu erhalten.

Und auch wenn die Kriterien für die Auszeichnung als Kulturerbe streng sind, die Unesco etwa die Weitergabe von Generation zu Generation fordert, die Weiterentwicklung des Kulturerbes und die Achtung der kulturellen Vielfalt, haben der deutsche Stau und seine Subspezies gute Karten, denn: Generationen von Eltern haben ihr Stauwissen den Kindern auf dem Rücksitz praktisch vermittelt, diese Kinder haben den Brauch gepflegt und weiterentwickelt, indem sie sich dickere Autos zugelegt haben. Und zur kulturellen Vielfalt tragen Menschen aus ganz Europa bei, mit bunten Kennzeichen und landestypischen Wohnwägen.

Ein Tipp fürs Wochenende: Am frühen Nachmittag soll der Stau besonders schön sein, so schön wie Weihnachten im Sommer. Der ADAC hat sogar angekündigt, "Gelbe Engel" auf die Autobahn zu schicken.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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