Verkehr in München:Busfahrer verzweifelt gesucht

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Immer schön in den Spiegel schauen: Fahrlehrer Peter Naumann (links) mit Bewerber Mehmet Özgül. (Foto: Robert Haas)

Die Münchner Verkehrsgesellschaft will ihr Angebot deutlich ausbauen. Doch es wird immer schwieriger, Bewerber für den stressigen Job zu begeistern.

Von Thomas Schmidt

Seine Beine zittern ein wenig, und das kommt nicht von den Vibrationen des 290-PS-Motors. Zum ersten Mal in seinem Leben legt Mehmet Özgül die Hände auf das Lenkrad eines Linienbusses, zwölf Meter lang, zwölf Tonnen Leergewicht, Sechs-Zylinder-Reihen-Diesel. Ihm ist mulmig zumute. Und alles wegen seiner Frau. Es sei ihre Idee gewesen, dass er sich bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) als Busfahrer bewirbt. Und jetzt sitzt er hier, rutscht in Anzug und Krawatte auf dem Fahrersitz herum, hebt den Fuß von der Bremse, legt ihn sanft aufs Gas. Stutzt. Und strahlt. "Es ist alles so leicht", frohlockt Özgül, sichtlich bezaubert von Servolenkung und Vier-Gang-Automatik. Auch mit 46 Jahren können sich Männer noch frisch verlieben.

Die MVG braucht neue Busfahrer. Dringend. In den kommenden Jahren will die Verkehrsgesellschaft ihr Bus-Netz erneut deutlich ausbauen, doch ihre Pläne stehen und fallen mit dem Personal. Im vergangenen Jahr wurden bereits 131 neue Fahrer engagiert, in diesem Jahr soll die Zahl der Neueinstellungen auf 160 steigen. Bei knapp 900 MVG-Busfahrern insgesamt wäre das eine Steigerung um beinahe 18 Prozent - das kann man ambitioniert nennen. Hinzu kommen noch einmal rund 900 Fahrer, die bei Kooperations-Partnern der MVG beschäftigt sind und etwa die Hälfte aller Linienfahrten übernehmen.

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Dem steigenden personellen Bedarf steht ein Arbeitsmarkt gegenüber, der so leer ist wie eine Bushaltestelle am Sonntagmorgen. "Daher steigt das Risiko, dass wir nicht genug geeignete Bewerber finden", sagt MVG-Sprecher Matthias Korte. Im schlimmsten Fall verzögere sich die Ausbauoffensive, räumt MVG-Bus-Chef Ralf Willrett ein. Das sei besser, als bestehende Linien nicht mehr ordentlich bedienen zu können. Zudem braucht das Unternehmen einen Puffer für den regelmäßig anfallenden Ersatzverkehr, wenn es auf der Schiene wieder stockt. Dennoch, sagt Willrett: "Wir glauben, dass es uns gelingen wird."

Das Einstiegsgehalt eines Busfahrers bei der MVG liege bei 2330 Euro, plus Schichtzulagen würden viele Kollegen bei gut 2600 Euro landen, sagt Korte. Reicht das in einer Stadt wie München? Das Unternehmen müsse heute "viel, viel mehr Aufwand als früher" betreiben, um ausreichend Bewerber anzulocken, sagt Bus-Chef Willrett. Also steht er nun am Samstag im Nieselregen auf dem "Betriebshof Ost" und sieht zu, wie eine Handvoll potenzieller Bewerber zum "Schnuppertag" gekommen ist und zaghaft Runden mit dem Bus dreht. Männer wie Özgül - die meisten hier sind tatsächlich Männer, was Willrett "schade" findet. Mit einem neuen Teilzeit-Angebot will die MVG künftig gezielt mehr Fahrerinnen akquirieren.

Tamara Grgic hat sich bereits vor fünf Jahren für den Job entschieden. "Ich wollte schon immer Bus fahren", sagt die zierliche 25-Jährige und hat dabei ein ähnliches Glänzen in den Augen wie zuvor Özgül. "Es steht kein Chef hinter dir, du bist der Herr in deinem Fahrzeug", sagt Grgic strahlend. Während ihres Studiums sei sie an den Wochenenden Bus gefahren. Nun wolle sie nebenher ihren Master machen. Der Dienstplan sei sehr flexibel. Jeder Fahrer könne seine "Wunschschichten" in den Computer eintragen und "zu 80 Prozent" bekäme man tatsächlich die Zeiten zugeteilt, die man will.

Solche Vorzüge - Flexibilität, sicherer Arbeitsplatz - will die MVG nun verstärkt bewerben und gezielt Berufsumsteiger ansprechen. Denn allein mit jungen Nachwuchskräften dürften die 160 Stellen innerhalb eines Jahres kaum zu besetzen sein. Der 46-jährige Özgül ist dafür ein Paradebeispiel: Er sei Kfz-Mechatroniker und habe auch einen Job, sagt er. Aber die Arbeit sei körperlich hart, "ab 50 wird das schwierig". Dann sei seine Frau auf die Idee gekommen, er könne es doch mal bei der MVG versuchen. Also hat er sich am Schnuppertag hinter das riesige Lenkrad gesetzt und eine Runde gedreht. Kaum war er wieder aus dem Bus gestiegen, da hatte er schon seine Bewerbung eingereicht. Sollte er genommen werden, dauert es etwa vier - bezahlte - Monate, bis er den Bus-Führerschein in der Tasche hat und seine ersten Fahrgäste durch die Stadt kutschieren darf.

Ein Schnuppertag allein kann den Bedarf an neuen Fahrern natürlich nicht decken. Ob sich der Mangel an Bewerbern bereits negativ auf die Belastung der Angestellten auswirke? "Aktuell kommen wir noch ganz gut über die Runden", versichert MVG-Sprecher Korte. Die Zahl der Überstunden sei "in der Regel überschaubar". Es liege in der Natur der Sache, dass die Mehrarbeit auch mal steige. "Wenn viele Kollegen zum Beispiel wegen Krankheit ausfallen", sagt Korte, "dann sollen die Busse ja trotzdem fahren." Mit vibrierendem Motor, aber ohne zitternde Beine.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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