Nachruf auf Uta Emmer:Die Mutter Courage der Subkultur

Lesezeit: 2 min

Uta Emmer begann als Schauspielerin und stand anfangs auch in ihrem eigenen Theater noch selbst auf der Bühne. (Foto: privat)

Uta Emmer, Schauspielerin und Intendantin, ist gestorben. Sie betrieb 30 Jahre lang das Moderne Theater in München.

Von Christine Dössel

Uta Emmer war eine Kämpferin. Eine Frau, die sich zäh und kompromisslos, manche würden sagen: störrisch, für ihren Traum einsetzte und allen Widernissen zum Trotz ihr Ding machte: freies Theater. Als "Mutter Courage der Subkultur" würdigte sie die SZ einmal. 30 Jahre lang betrieb die gebürtige Karlsruherin das Moderne Theater, das sie 1968 gemeinsam mit Karl "Kelle" Riedl gegründet hatte, der jedoch schnell wieder absprang, um sein eigenes Off-Off-Theater zu machen.

Ursprünglich in Schwabing ansässig, in einer umgebauten Backstube in der Hesseloherstraße, zog das Moderne Theater 1979 in die Hans-Sachs-Straße im Glockenbachviertel um. Zeitgenössische Stücke von damals meist noch unbekannten Autorinnen und Autoren bekamen hier ihre Chance, junge Schauspielerinnen und Regisseure die Möglichkeit, sich auszuprobieren. Das Moderne Theater diente sich nie dem Mainstream an.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Uta Emmer war selbst Schauspielerin und spielte in den Anfangsjahren oft in den Inszenierungen mit, später verlegte sie sich ganz auf die Leitung und Organisation, führte vereinzelt Regie und stand meistens auch an der Kasse. Sie war eine leidenschaftliche Prinzipalin, die hartnäckig um Subventionen rang und sich für ihr ständig unterfinanziertes Theater auch mal verschuldete. Geboren am 17. September 1937 als Tochter einer Karlsruher Künstlerfamilie besuchte Emmer von 1950 an die Odenwaldschule und nahm nach dem Abitur Schauspielunterricht in Berlin und Wien. Bevor sie 1965 nach München zog, spielte sie an verschiedenen Bühnen wie dem Stadttheater Ingolstadt.

Ihren Ruhestand verbrachte Uta Emmer in einem alten Bauernhaus im Elsass. (Foto: privat)

Eröffnet wurde das Moderne Theater 1968 mit "Orphée" von Jean Cocteau. Man sah hier Stücke des absurden Theaters von Autoren wie Fernando Arrabal, Alfred Jarry und Harold Pinter, aber auch frühe Dramen von Peter Turrini, Peter Handke, Herbert Achternbusch und Franz Xaver Kroetz. Kroetz war eine Zeit lang sogar Hausautor - und Emmers Lebensgefährte. Aus der gemeinsamen Beziehung entstammt der 1975 geborene Sohn David Emmer. Das Moderne Theater war nicht immer ein Ort des Erfolges, aber ein Ort des Wagnisses und der Entdeckungen. Die Schauspielerinnen Ortrud Beginnen und Sarah Camp fingen hier an. Eva Mattes gab 1971 ihr Theaterdebüt in Turrinis "Rozznjogd", Andras Fricsay sein Regiedebüt mit Leonard Melfis "Das Vogelbad", der Aktionskünstler Hermann Nitsch veranstaltete 1974 die 43. Aktion seines blutigen Orgien-Mysterientheaters.

Emmers Rundum-Einsatz für ihr Theater forderte Opfer. Nach einer schweren Herzoperation 1993 trat sie kürzer und gab 1998 schließlich das Haus auf. Heiko Dietz übernahm die Spielstätte 1999 unter dem Namen "Theater . . . und so fort". Emmer verließ München Richtung Elsass und verbrachte dort ihren Ruhestand in einem alten Bauernhaus auf dem Land. Wie ihr Sohn mitteilte, ist sie am vergangenen Freitag nach langer Krankheit in Saarbrücken gestorben. Sie wurde 85 Jahre alt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: