Über den Tellerrand:Her mit den Powidltatschkerln!

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Im letzten böhmischen Lokal der Stadt gibt es Hausmannskost: Schweineschulter, Sauerkraut und Knödel. (Foto: Catherina Hess)

Ein auf den ersten Blick unscheinbares Lokal vertritt die tschechische Küche in München: das Brünner Eck.

Von Franz Kotteder

Vor gut 50 Jahren gab es am Oberanger ein Lokal, das zu den besten der Stadt gehörte und in das viele Filmstars, Regisseure und Sänger einkehrten. Goldene Stadt hieß es, nach dem Beinamen Prags, und sein Wirt Dusan Hubacek wurde einmal gefragt, warum er sein Lokal im Ausland eröffnet habe. "In der Tschechoslowakei gibt es genug tschechische Restaurants", sagte er, "hier hat man eins dringend gebraucht."

Nun waren die Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts noch goldene Zeiten für die tschechische Küche im Ausland. Damals hatte man noch etwas übrig für kräftige, gehaltvolle Saucen und Speisen, nach deren Genuss man wirklich pappsatt war. Mit leichter, mediterraner Küche brauchte man damals keinem zu kommen.

Diese Zeiten sind längst vorbei, die Goldene Stadt gibt es nicht mehr, ebenso wie die Wallensteinstuben am Isarhochufer. Weil man aber zumindest ein tschechisches Restaurant dringend braucht, haben wir in der Neuhauser Fasaneriestraße 3 c das Brünner Eck. Das Brünner Eck hat optisch etwas von einem Vereinslokal. Kommt man rein, hat man einen großen Tresen mit knallroten Barhockern vor sich, die Wand rechts davon ist formatfüllend mit der tschechischen Flagge bemalt. Pflegeleichte beige Bodenfliesen und Resopaltische mit gelben Tischdecken runden den ersten Eindruck ab.

Es empfiehlt sich dann, das erste Budweiser oder Starobrno im Glashumpen zu ordern. Vom ersten Schluck an schmeckt man da, was tschechische Bierkultur ausmacht - allein schon, was die richtige Schanktemperatur bewirkt. Das setzt sich dann fort, wenn man die böhmisch-mährischen Spezialitäten von der Karte bestellt.

Sowohl die hausgemachte Kuttelsuppe als auch die mährische Knoblauchsuppe entpuppen sich als Genuss. Bei den Hauptgerichten sind es vor allem die herrlich fluffigen böhmischen Knödel, die perfekt die recht üppigen Soßen aufsaugen, etwa die Gemüserahmsoße zum stets frisch zubereiteten Rinderschmorbraten oder die Wildsoße vom Rehgulasch. Die Krönung dieser tadellosen tschechischen Küche bilden dann noch die traumhaften Powidltatschkerln, wie sich's gehört mit Pflaumenmus gefüllt und ordentlich Mohn und Butter obendrauf.

Europa ist nicht nur nüchterne Politik, sondern auch kulinarischer Genuss: Vor der Europawahl stellt die SZ in ihrer Serie die gastronomischen Vertreter der EU in München vor.

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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