Trudering/Riem:Ein Thema, an dem kein Weg vorbeiführt

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Die SPD lädt zu einer Radtour, bei der es eigentlich um die bauliche Entwicklung im Viertel gehen soll. Aber natürlich steht eine Bürgerinitiative gegen die Gleisausbaupläne der Deutschen Bahn bereit

Von Ilona Gerdom, Trudering/Riem

Graue Wolken über dem Kulturzentrum. Davor der graue Asphalt der Wasserburger Landstraße. Das einzig Bunte an diesem Samstag ist die rote Fahne, die ein paar SPD-Mitglieder gerade vor dem Eingang des Stadtteilhauses aufstellen. Sie markiert den Treffpunkt für eine Radtour, zu der Sozialdemokraten eingeladen haben. Schwerpunkt sollte die Stadtentwicklung im Viertel sein. Am Ende nahmen die Planungen der Deutschen Bahn (DB) die meiste Zeit ein.

Auf den Sattel schwingen und los geht es. (Foto: Florian Peljak)

Rund 30 Personen nehmen an der Tour teil, interessierte Bürgerinnen und auch aktive Parteimitglieder, aus dem Ortsverein, dem Bezirksausschuss sowie Claudia Tausend, die für den Münchner Osten im Bundestag sitzt. Sie ist Mitglied im Ausschuss Europa, aber auch für Bau, Wohnen und Stadtentwicklung zuständig. Zuvor hatte sie diese Themen 18 Jahre lang als Münchner Stadträtin betreut. Deshalb soll sie heute als Expertin zum fünften Bauabschnitt der Messestadt sowie zu den Baugebieten Heltauer Straße und Rappenweg sprechen.

Alle schwingen sich auf ihre Sättel. Dann geht es in einer langen Schlange die Feldbergstraße entlang, danach über den Horst-Salzmann-Weg. Hier ist der erste Stopp. Der sanierte Fuß- und Radweg wird gelobt. Nächstes Ziel: der Truderinger Ortskern, besser: die Baustelle, die bald der Ortskern sein soll. Fertig umgebaut sein werde die Truderinger Straße wohl im Herbst 2022, erklärt BA-Mitglied Gerhard Fuchs. Während sich in der Ortsmitte schon abzeichnet, wie es künftig aussehen wird, kann man das vom nächsten Halt an der Birthälmer Straße nicht behaupten. Rechts von den Radlern eine Brachfläche mit Gestrüpp und Erdhaufen, links die Bahngleise. Wer geradeaus schaut, kann ein von Sonnenblumen eingerahmtes Feld sehen. Hier ist die sogenannte Bebauung der Heltauer Straße geplant. "Im Prinzip sollen es 1500 Wohnungen und eine Grundschule werden", erklärt Fuchs. Konkret ist bisher nichts. Deshalb bleiben auch Antworten aus, als Bürger wissen wollen, wie hoch die Gebäude werden.

Auch der Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher radelt mit, schließlich ist Wahlkampf. (Foto: Florian Peljak)

Zwischen zweistöckigen Reihenhäusern liegt der nächste Treffpunkt. Trotz Nieselregen warten hier schon Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) "Anwohner der Truderinger Kurve und Spange", sie haben ein Plakat aufgestellt. Darauf ein Spruch, den viele inzwischen kennen: "10 Meter zwischen Schlafzimmer und Gleis - Nein Danke!". Es geht um den von der DB geplanten Ausbau des Truderinger Bahnhofs. Dabei sollen Gleise verlängert werden. Dadurch werden sie sehr nah an die Wohnhäuser rücken. Mit einem gelben Maßband zeigt ein Anwohner, dass die Lärmschutzwand und das Gleis dahinter direkt an seinen Garten angrenzen würden.

Schon jetzt sind Bürger und Politiker kaum zu verstehen, wenn ein Zug vorbeifährt. Dass es in Zukunft mit längeren und schnelleren Zügen noch lauter wird, will die BI vermeiden. Die versammelten Politiker stehen auf ihrer Seite. Durch die Initiative sei ihre Fraktion im Bundestag auf die Probleme vor Ort aufmerksam geworden, sagt Tausend: "Seitdem kämpfen wir dafür, dass wir mitentscheiden dürfen." Allerdings lasse sich die Bahn nicht in die Karten schauen. Sie argumentiere damit, dass man wirtschaftlich vorgehen müsse. "Was wirtschaftlich ist, definieren sie aber selbst", sagt Tausend und wechselt an dieser Stelle in den Wahlkampfmodus. Ihre Planungen ziehe die Bahn völlig ungestört vom Verkehrsministerium durch, "weil sich der Minister und seine Staatssekretäre dem nicht annehmen".

Kräftig in die Pedale tritt bei der Tour auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend. (Foto: Florian Peljak)

Der letzte Halt liegt am Rande des Riemer Parks. "Das ist, nein, wird der fünfte Bauabschnitt", erläutert Fuchs. An die 2500 Wohnungen sollen hier entstehen. Ein Bürger findet, dass die vierspurige Straße, die durch das Quartier führen soll, Kirchtrudering und die Messestadt trenne und nicht wie erhofft verbinde. Er erntet zustimmendes Nicken. Fuchs versucht zu beschwichtigen. Noch sei nichts entschieden. Zunächst stehe der Wettbewerb an. Inzwischen ist es Viertel nach sechs. Eigentlich stünden jetzt der Bildungscampus, der Elisabeth-Castonier-Platz sowie die Planungen am Rappenweg auf dem Programm. Aber nach dreieinhalb Stunden bei Wind und Nieselregen sind die meisten müde. Ein Donnergrollen macht die Entscheidung leicht: Für heute sind Radtour und Wahlkampf beendet.

© SZ vom 30.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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