Kandidat für den Tassilo 2018:Der Künstler mit dem Werkzeugkoffer

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Surreale Kunst: Peter Gierse mit einem seiner Objekte. (Foto: Robert Haas)

Peter Gierse hat sich nach seiner Pensionierung nicht nur als Maler etabliert. Er kümmert sich auch darum, kreative Kollegen möglichst ausdrucksstark zu präsentieren - unter anderem bei den Truderinger Kunsttagen.

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Behutsam antippen, schon bewegen sich die filigranen Stäbe. Die Skulptur beginnt zu wippen. Gar nicht leicht, dieses fragile Gleichgewicht richtig auszutarieren und dabei noch die gewünschte Wirkung zu erzielen: Peter Gierse arbeitet in seinem Keller-Atelier. Er hat stets ein genaues Bild im Kopf. Er probiert so lange, bis er zufrieden ist. Gierse ist kein Künstler, der sich die Haare rauft, bei einem Rückschlag alles zerstört. Da gibt es kein Drama, das würde nicht zu dem 79-Jährigen passen, der im beruflichen Leben im Marketing, Vertreib und als Geschäftsführer in der Autobranche erfolgreich war - und der nun seine Zeit der Kunst widmet. Seine Stärken waren und sind das akribische Durchdenken und Vorausplanen, die verlässliche Ausführung und seine ruhige Freundlichkeit. Eigenschaften, die helfen bei der Organisation und Leitung der Truderinger Kunsttage - die stets an Ostern Hunderte ins Kulturzentrum locken.

Beinahe wäre aus dem in Nürnberg geborenen und in Köln aufgewachsenen Gierse schon nach der Schule ein Künstler geworden: An der Mappe für die Bewerbung an der Akademie hatte er bereits gearbeitet. "Doch ich hatte auch andere Interessen", sagt er. Die Malerei aber sei immer dabei gewesen, soweit es seine Zeit erlaubte. Abstrakt sind seine Bilder, mit starken Farben dominieren sie das Haus der Familie.

Nach seiner Pensionierung habe er sich darauf gefreut, in die örtliche Kunstszene eintauchen zu dürfen, erzählt Gierse: "Und das habe ich wirklich intensiv getan." Er gehört zur Künstlergruppe Truderinger Maler, stellte in der damaligen Galerie von Dieter Fuhrmann in der alten Brennerei aus. Er trat dem bekannten Kunstverein Ebersberg bei, begann, Ausstellungen zu organisieren, "inklusive Kleinkram wie Beleuchtung richten und bei der Aufsicht helfen". Er lacht. Eine gute Lehrzeit sei das gewesen. "Ich hatte ja keine Sekretärin mehr."

2005 wurde das moderne Truderinger Kulturzentrum eröffnet, Gierse wanderte durchs Haus und sah: "Hier muss unbedingt Kunst an die Wände." Mit dem Truderinger Kulturkreis im Rücken, dessen Mitglied er ist, gewann er schnell das Vertrauen des Vorstandes: "Das war meine Chance." Wie es seine Art ist, hat er sich hingesetzt und alles genau durchdacht: Wie komme ich an Künstler? Was würde ich mir selbst wünschen als Aussteller? Er ging pragmatisch vor: Welche Nische ist geeignet für die kleinen, welche Wand für die großen Formate, wohin mit Skulpturen? Dank bester Kontakte zu Künstlern hat er eine von Jahr zu Jahr wechselnde, sehr kompetente Jury, die für die etwa 23 Plätze aus den meist gut 150 Bewerbungen die allerbesten heraussucht. Auch die Jury-Sitzung wird natürlich sehr straff durchstrukturiert.

Künstler werden von ihm gut betreut. Wenn am Gründonnerstag alle kommen, um ihre Bilder aufzuhängen, hat Gierse auch seinen Werkzeugkoffer dabei. Sie dürfen auf den Publikumspreis hoffen: Gierses alte Kontakte zu BMW haben ihm die Türen zum Sponsor geöffnet. Publikum und die Künstler, die er zur Anwesenheit "verdonnert" hat, erfreuen sich nicht nur während der Vernissage, wenn das Zentrum richtig brummt, an den vielen Gesprächen. Überdurchschnittlich viele Werke finden bei den Kunsttagen einen Käufer. Das ganze Konzept hat er - auch dank tätiger Mithilfe von Ehefrau Ingeborg, den beiden Töchtern und vier Enkeln - so perfektioniert, dass der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers ihm im vergangenen Jahr bei der zehnten Auflage der Kunsttage für deren Strahlkraft die Auszeichnung "München dankt" verliehen hat.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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