Talentiade 2019:Aufbau mit System

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Nach Jahren mit außerordentlich wechselhaften Trainingsmöglichkeiten finden die Volleyballerinnen des Turnerbunds im Theodolindengymnasium beste Bedingungen vor. (Foto: Stephan Rumpf)

Der deutsche Meistertitel für die U-16-Volleyballerinnen des TSV Turnerbund München ist alles andere als ein Zufall. Mehrere Trainer-Generationen gewährleisten dort seit Jahrzehnten Kompetenz und Kontinuität.

Von Julian Raff, Harlaching

Wenn Trainerin Verena Steinbacher Volleyball als "kluge Sportart" preist, bei der "sehr viel im Kopf passiert", schließt das physische Härten nicht aus. Klar, es wird weniger gelaufen als in anderen Ballsportarten, im Turnier geht es trotzdem nicht nur um Sprungkraft, Reaktion, Technik und Taktik, sondern auch um Durchhaltevermögen. Wie beim Tennis kann ein Match eine oder auch mehr als zweieinhalb Stunden dauern. Geht es schneller zur Sache, besteht ein Wettkampftag dafür aus bis zu vier Spielen. Der fast schon archaische Begriff "Wille" steht in Steinbachers Anforderungsprofil ganz weit oben, direkt neben den trainierbaren Faktoren und den genetischen, wie einer gewissen Verletzungsresistenz und einer Körpergröße ab 1,80 Meter.

Die 24-Jährige hat sich nach kurzer Spielerkarriere früh für die Trainerlaufbahn entschieden und betreut als Teammanagerin auch das deutsche Jugend- und Juniorennationalteam. Die U-16-Volleyballerinnen vom TSV Turnerbund München (TBM) als neuer Coach zum deutschen Meistertitel 2019 zu führen, konnte Steinbacher trotzdem nur dank kontinuierlicher Vorarbeit: Der TBM, ein 137 Jahre alter Traditionsclub mit Quartier beim FC-Bayern-Gelände an der Säbener Straße, baut seit knapp drei Jahrzehnten Jugendmannschaften auf. Den Grundstein des aktuellen Erfolgs legte im Jahr 2011 die langjährige Trainerin Birgit Gußmann, indem sie im Verein und in der Grundschule an der Rotbuchenstraße um Nachwuchs der Jahrgänge 2004/05 warb. Die Initiative zahlte sich 2017 mit dem deutschen Meistertitel bei den unter 14-Jährigen aus, die noch zu viert auf kleinerem Feld spielen. Trainerin Gußmann übergab nach 24 Jahren hoch zufrieden an Nachfolgerin Veronika Kettelbach, unter deren Leitung das Team 2018 deutscher Vizemeister wurde, als Prolog zum Titel im Mai 2019.

Ein kontinuierlicher Aufstieg unter erschwerten Bedingungen: Ehe im Sommer 2015 die moderne Dreifachturnhalle des Theodolinden-Gymnasiums (TLG) an der Eschenstraße in Betrieb ging, trainierten die Volleyballerinnen zwei Jahre lang in elf verschiedenen Hallen in und um München. Man habe "mehr Busfahrpläne als Spielpläne gemacht", erinnert sich Gerhard Eberl an die Odyssee. "Ein Traum", schwärmt der Leiter des Leistungsstützpunktes dagegen vom heutigen Domizil. Ruhebedürftige Anwohner setzten zwar vor Gericht Nutzungseinschränkungen durch - ein Trainingsende um 21.30 Uhr schmerzt bei der Jugend aber noch nicht, und zum Großereignis dürften auch künftige Spiele nicht so schnell mutieren.

Die Verbands-Bayernauswahl ("VC Olympia"), ein 22-köpfiger Kader besonders vielversprechender junger Volleyballerinnen, zur Hälfte aus TBM-Nachwuchs, bestreitet ihre Heimspiele ohnehin in Regensburg. Auch sonst gilt beim Verein das Prinzip nachhaltiger Nachwuchsarbeit mit Anschluss an den Leistungssport: Mit den Kaderspielerinnen haben Eberl und Steinbacher zwar mittelfristig die dritte Bundesliga im Visier, und mit Celine Jebens steht bei der TBM-Jugend auch eine Nationalspielerin am Netz, die U-16-Damen sollen aber vorerst in der Regionalliga bleiben, um Überlastung zu vermeiden.

Turniere kratzen dennoch an der Belastbarkeitsgrenze: Beim Meisterschafts-Finale in Friedrichshafen trat Mannschaftskapitänin Charlotte Körber mit frischer Bänderverletzung an - nach ausgiebiger medizinischer Untersuchung, Physiotherapie und Rücksprache mit den Eltern, wie Steinbacher versichert. Auch das Training wird ständig therapeutisch und sportwissenschaftlich begleitet. Immerhin, das Geld verleitet hier niemanden zum Übertreiben. Volleyball bleibt eine Randsportart. Zu kompliziert die Regeln, zu unberechenbar die Spieldauer, vor allem aus TV-Perspektive. Kein Sport also, um damit reich zu werden, aber für hochklassige Athleten eine Chance, finanziell über die Studienjahre zu kommen, beobachtet Verena Steinbacher - und das bei leicht, aber konstant steigender Popularität. "Wir sind jedenfalls nicht auf dem absteigenden Ast."

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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