SZ-Streitgespräch zur Wahl:"Wir brauchen die dritte Startbahn"

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Umweltminister Otmar Bernhard (CSU) und die Grünen-Landeschefin Theresa Schopper über die Verkehrspolitik nach dem Transrapid.

J. Bielicki, J. Käppner, B. Neff

SZ: Herr Bernhard, der Transrapid hat seine Zukunft hinter sich - aber wie sollen die Passagiere zukünftig von München zum Flughafen kommen?

Theresa Schopper (Foto: Foto: Schellnegger)

Otmar Bernhard: Das von der Staatsregierung in Auftrag gegebene Gutachten wird Mitte 2009 vorliegen. Dann wissen wir, wie es am besten gelingen könnte, den Flughafen besser anzubinden.

Theresa Schopper: Sie haben sich viel zu sehr auf den Transrapid versteift. Wir haben immer gesagt, dass er zu teuer wird. Aber das ist jetzt Schnee von gestern. Jetzt müssen wir, wie bei Monopoly, zurück auf Los. Es geht darum, eine gute Lösung zu finden. Entweder über die S8 als Express-S-Bahn oder über die S1, was einfacher und schneller möglich wäre. Daran müssen jetzt alle mit Hochdruck arbeiten.

Bernhard: Das tun wir ja. Wir haben ja auch schon früh über die Alternativen nachgedacht, die jetzt in dem Gutachten untersucht werden.

Schopper: Man könnte schon jetzt schnell Verbesserungen schaffen, etwa bei der S1.

Bernhard: Der städtische Vorschlag für die Express-S-8 sieht ja einen viergleisigen Tunnel vor, den kein Mensch finanzieren kann. Jetzt kann es nur darum gehen, kleinere Brötchen zu backen und durch Optimierung einzelner Linien Verbesserungen zu erreichen.

SZ: Frau Schopper, die Grünen wollen die Fluggäste schneller zum Flughafen bringen, aber sollen sie dort auch über eine dritte Startbahn abheben dürfen?

Schopper: Wir haben uns mit dem Flughafen abgefunden, aber die dritte Startbahn war nicht vorgesehen, und sie ist auch nicht notwendig. Es gibt eine Menge innerdeutscher Flugverbindungen, auf die man verzichten sollte. Die Grünen stehen, mit Christian Magerl, an der Spitze der Proteste.

SZ: Aber jetzt kommt Edmund Stoiber, um die Leute in der Flughafenregion zu überzeugen, dass es die dritte Startbahn braucht. Wird er Erfolg haben?

Bernhard: Alle Prognosen sagen, dass wir die dritte Startbahn brauchen, um das Wachstum zu bewältigen. Das wird im Planfeststellungsverfahren geprüft. Als Umweltminister darf ich darauf hinweisen, dass etwa 13 Prozent der Belastung dadurch entstehen, dass die Flugzeuge oft lange in der Luft warten müssen, bis sie landen können. Die dritte Startbahn war übrigens schon in früheren Planungen vorgesehen, wurde aber zunächst nicht weiterverfolgt. Natürlich sage auch ich, dass es besser ist, auf kurzen Strecken innerhalb Deutschlands besser mit der Bahn zu fahren. Man darf aber die Entwicklung des Flughafens und damit einer ganzen Region nicht gefährden. Umweltpolitik ist nie eindimensional, sondern muss im Sinne der Nachhaltigkeit dreidimensional sein, also Ökonomie, Ökologie, sozialen Ausgleich und Wohlstand im Auge behalten.

Schopper: Die Prognosen zum Wachstum des Flughafens gehen noch von einem Ölpreis von 40 Dollar pro Barrel aus, das ist schon längst überholt. Schon wegen der Teuerungsrate beim Treibstoff wird es weniger Flüge geben. Die Zeiten sind vorbei, als es billiger war, nach Mallorca zu fliegen als mit dem Taxi von Pasing nach Aubing zu fahren - von der Gefährdung des Klimas durch den Flugverkehr ganz zu schweigen.

Ottmar Bernhard (Foto: Foto: Schellnegger)

Bernhard: Die ist so hoch nicht, sondern mit etwa 3,5 Prozent vergleichsweise gering. Wir sagen aber, dass Flüge in den Emissionshandel einbezogen werden müssen und dass man auch das Kerosin besteuern soll - allerdings aus Wettbewerbsgründen nur als internationale Maßnahme. Ich sehe übrigens nicht, dass das Wachstum nachlässt. Die Zahlen belegen die weitere Expansion. Die Menschen sollten auch sehen, was ihnen der Flughafen an Wirtschaftskraft und sicheren Arbeitsplätzen gebracht hat.

Schopper: Bei den Arbeitsplätzen wäre ich vorsichtig. Es gibt im Landkreis Freising die höchste Aufstockerquote beim ArbeitslosengeldII. Von vielen dieser Jobs können die Menschen gar nicht leben, weil die Löhne so niedrig sind. Es ist keine heile Welt dort im Erdinger Moos. Man muss nur den Puderzucker etwas vom Kuchen blasen.

SZ: Es gab ja auch mal Studien, dass sogar eine vierte Startbahn nötig wäre. Können Sie sich die vorstellen?

Schopper: Wer schon die dritte Startbahn nicht will, wird dann ja wohl auch mit der vierten nicht glücklich.

Bernhard: Ich kann mir eine vierte Startbahn auch nicht vorstellen.

SZ: Also keine vierte Startbahn - aber warum braucht München einen zweiten Flughafen, in Oberpfaffenhofen?

Bernhard: Tatsache ist, dass dort ein gewisser qualifizierter Geschäftsflugverkehr möglich sein soll, um am Standort die Arbeitsplätze zu erhalten und auch derartige Flugzeuge zu warten. Diesem Flughafen wurden die Flügel gestutzt, es ist - entgegen aller hetzerischen Behauptungen der SPD - ein Sonderflughafen mit limitierten Flugzahlen in der früheren Größenordnung.

Schopper: Seit ich die CSU-Plakate gesehen habe, weiß ich, dass mir hier der Retter des Münchner Westens gegenübersitzt. Ich wohne auch in Aubing ...

Bernhard: ... ich am Westrand...

Schopper: ... und deshalb kenne ich die Verhältnisse. Ich denke, mit dem Gerichtsurteil ist eine gewisse Klärung da, aber auch eine Ausweitung des Betriebs genehmigt. Ich sehe die Gefahr, dass da noch mehr kommt. Wir müssen aufpassen, dass im Wege der Salamitaktik nicht klein angefangen wird, um danach groß rauszukommen. Bernhard: Wenn das versucht wird, kracht's gewaltig. Fakt ist: Es gibt keinen Cargoverkehr, keine Verkehrsflugzeuge, die Tonnage ist auf 25 Tonnen begrenzt und der Münchner Westen laut TÜV-Gutachten nicht relevant betroffen, denn die letzte Lärmlinie endet nahe bei Germering. In Gilching und Weßling ist die Situation anders. OB Christian Ude hat es im Regionalen Planungsverband abgelehnt, gegen die Genehmigung zu klagen. Jetzt hat Rot-Grün im Stadtrat aus politischer Kosmetik beschlossen, vor Gericht zu ziehen. Dabei sagt selbst der städtische Anwalt, dass die Chancen gleich null sind, weil die Landeshauptstadt gar nicht betroffen ist.

SZ: Zurück zur Erde, auf S-Bahnhöfe, wo die Leute auf verspätete Züge warten. Für die S-Bahn ist der Freistaat zuständig. Was muss besser werden?

Bernhard: Wir müssen die S-Bahn dringend ausbauen und optimieren, dazu gehören die zweite Stammstrecke und der Ausbau der Außenäste, um den Individualverkehr zu vermeiden. Es sind allerdings riesige Kosten, allein 1,6 Milliarden Euro für die zweite Stammstrecke, aber das müssen wir stemmen.

SZ: Eine gute Investition in den ÖPNV machen die Grünen doch sicher mit?

Schopper: Ich fahre täglich mit der S-Bahn und habe es mir schon lange abgewöhnt, die Forderung nach einem Sitzplatz zu erheben. Im Stoßverkehr fühlt man sich wie in einer Sardinendose. Wir brauchen eine Entlastung bei der S-Bahn, sind uns über die Wege dahin aber nicht ganz einig. Wir befürchten, dass der Tunnel so viel Geld verschlingt, dass für dringend benötigte Verbesserungen anderswo nichts mehr übrig bleibt. Unser Vorschlag ist, statt der zweiten Stammstrecke den Südring auszubauen. Da gibt es allerdings noch ungeklärte Fragen. Klar ist aber, dass wir dringend gute Lösungen brauchen. Bernhard: Der Südring ist schon wegen der irrsinnig hohen Kosten für den Lärmschutz keine vernünftige Alternative, sondern ein alter Hut. Viel wichtiger wäre die U-Bahn vom Laimer Platz nach Pasing, die könnte bei Störungen in der S-Bahn-Röhre ein Bypass sein. Und auch Freiham sollte mit der U-Bahn erschlossen werden, nicht mit einer ratternden Bimmelbahn für 20.000 Menschen, wie Rot-Grün das will ...

Schopper: ...die Münchner Trambahn ist doch keine Postkutsche ...

Bernhard: ... nein, aber sie quält sich dann durch Straßen, wo gerade mal zwei Autos Platz haben.

Schopper: Jetzt ist der Pasinger Gaul aber durchgegangen, da muss man den Sattel ein wenig zurechtrücken. Wir sind nicht gegen die U-Bahn, aber die Bewertung, die für Zuschüsse nötig ist, muss erst einmal stehen. Bei der Pasinger U-Bahn sind wir eher knapp darunter, deshalb ist diese Linie strittig. Ich verstehe übrigens nicht, weshalb die CSU die Trambahn so schmäht, die ist doch ein hervorragendes Verkehrsmittel, gerade wegen ihrer vielen Haltestellen.

Bernhard: Wir sind nicht gegen die Trambahn, finden aber, dass die U-Bahn viel leistungsfähiger ist, gerade auch für das neue Viertel Freiham.

SZ: Bleiben wir bei der S-Bahn, denn über die U-Bahn entscheidet ja nicht der Landtag, in den Sie beide wollen. Tut der Freistaat genug für die S-Bahn?

Schopper: Es wurde einiges geleistet, und ab und zu gibt es jetzt auch eine Durchsage, wenn die S-Bahn wieder einmal zu spät kommt. Das macht den Fahrgast duldsamer. Aber es muss noch viel getan werden, und zwar rasch.

Bernhard: Wir arbeiten mit Hochdruck, um einen möglichst großen Raum rings um München mit einem attraktiven ÖPNV-System zu erschließen.

SZ: Kurz nach der Landtagswahl tritt in München die Umweltzone in Kraft. Wird diese Maßnahme reichen, um die Luft sauberer zu machen?

Bernhard: Sie ist ein Baustein, um den Feinstaub zu reduzieren, möglicherweise um bis zu 17 Prozent in der Innenstadt. Sie ergänzt das Transitverbot, das bereits in Kraft ist. Wir werden aber auch andere Schadstoffe, etwa Stickoxide, minimieren müssen.

SZ: Dann müsste man die Umweltzone ausweiten, Frau Schopper?

Schopper: Die Umweltzone kann nur ein Anfang sein. Es geht darum, möglichst viele Autofahrten in der Stadt zu vermeiden, die ja ohnehin im Schnitt kaum 2,5 Kilometer lang sind. Wir müssen mehr dafür werben, dass die Leute ihr Auto stehen lassen.

SZ: Es wäre doch auch sinnvoll, wenn man die Lastwagen auf einem komplett geschlossenen Autobahnring außerhalb der Stadt halten könnte?

Schopper: Die Südring-Debatte flammt immer wieder auf, und es ist viel Rosstäuscherei dabei. Ein so langer Tunnel ist sicher nicht finanzierbar.

Bernhard: Wir brauchen diesen Ringschluss dringend, auch wenn er sehr teuer wird. Die jetzige Bundesregierung hat jetzt eine Machbarkeitsstudie ermöglicht. Ich glaube, dass man in der Tat weitgehend mit Tunnels arbeiten muss, um eine Naturzerstörung zu vermeiden. Aus Münchner Sicht ist es unverständlich, dass der Oberbürgermeister bereits Klagen dagegen ankündigt.

SZ: Wäre es denkbar, dass Sie sich über die Details in einer schwarz-grünen Kabinettssitzung einigen?

Schopper: Der angenehme Ton zwischen uns beiden sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir grundlegend andere politische Ansichten haben. Uns trennen in vielen Fragen Welten, gerade auch in der Verkehrspolitik.

Bernhard: Ein schwarz-grünes Bündnis nach der Landtagswahl ist völlig ausgeschlossen.

© SZ vom 09.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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