SZ-Streitgespräch (5):"Raus aus der Atomkraft!" - "Und dann Kerzen?"

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Herbert Frankenhauser (CSU) und Christian Vorländer (SPD) diskutieren über Arbeitnehmerrechte, Steuern und Ohu 2.

Jan Bielicki, Berthold Neff

SZ: Herr Frankenhauser, sie sitzen nun schon seit Jahren im Haushaltsausschuss, aber so schlimm wie jetzt war die Lage wohl noch nie. Hat die große Koalition versagt?

Herbert Frankenhauser und Hans Christian Vorländer streiten um die Finanzmärkte und alternative Energiequellen. (Foto: Foto: Schellnegger)

Frankenhauser: Versagt hat die Finanzwelt. Und versagt haben auch die international angelegten Kontrollmechanismen, die es nicht geschafft haben, die globalisierten Finanzmärkte im Zaum zu halten. Wir waren auf einem guten Weg, wir hätten wohl für 2010 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Rückblickend meine ich, wir hätten in den vergangenen Jahren die so wichtige Tugend des Sparens zeigen sollen, aber die ist weder innerhalb noch außerhalb des Parlaments sehr beliebt. Nun stehen wir vor einer gigantischen Aufgabe, wir müssen für nächstes Jahr mit einer Nettokreditaufnahme von 80 Milliarden Euro rechnen.

SZ: Herr Vorländer, wenn Sie jetzt als Neuling ins Parlament kämen, was würden Sie denn angesichts der Krise tun?

Vorländer: Wir befinden uns seit Herbst 2008 in dieser Krise, und es hat sich gezeigt, wie wichtig der Staat ist. Durch die Konjunkturprogramme ist es gelungen, die schlimmsten Folgen abzufedern. Die Doktrin der Neoliberalen, alles zu privatisieren und so wenig Staat wie möglich zu verlangen, ist gescheitert. Wir brauchen einen starken, handlungsfähigen Staat. Und da wundert es mich schon, wie die CSU nun Steuersenkungen versprechen kann angesichts dieser Haushaltslage?

Frankenhauser: Die SPD wollte doch auch Steuern senken, wird das hiermit durch Sie zurückgenommen?

Vorländer: Wir haben keine massiven Steuersenkungen angekündigt so wie die CSU, die mir angesichts der zu erwartenden Steuerausfälle umso verrückter erscheinen. Sicher stehen wir vor großen Herausforderungen, aber ich würde mich dieser Aufgabe gerne stellen. Wir müssen das meistern.

Frankenhauser: Wäre ja schön, wenn auch Sie dem nächsten Bundestag angehören würden ...

Vorländer: ... das heißt aber, dass Sie meinen Gegenkandidaten im Süden, Peter Gauweiler, in den wohlverdienten Ruhestand schicken wollen?

Frankenhauser: Auf keinen Fall, der ist doch noch quicklebendig. Ich meinte, dass Sie es über die Liste schaffen. Und übrigens, die Steuererleichterungen, die Anfang 2009 wirksam wurden, und jene, die Anfang 2010 in Kraft treten werden, haben wir mit der SPD zusammen beschlossen - in einer Größenordnung von 15 Milliarden Euro.

Vorländer: Das war ja auch richtig, aber was FDP und Union an weiteren Steuersenkungen versprechen, ist einfach unseriös, da wird der Wähler verhohnepipelt.

Frankenhauser: Die Summe von 80 Milliarden, die von der FDP genannt wird, sprengt tatsächlich jeden Rahmen, ist jenseits der Realität. Wir von der CSU sprechen von fünf Milliarden Euro, da ist wohl noch ein Unterschied. Ich bin der Meinung, man soll die Bürger bei den Steuern entlasten, denn sie sind durchaus in der Lage, mit dem Geld vernünftig umzugehen. Wir geben den Leuten, was ihnen gehört, sie sollen mehr Netto in der Tasche behalten.

Vorländer: Ich bin der Meinung, dass starke Schultern mehr tragen können als schwache, deshalb fordern wir eine zusätzliche Besteuerung höchster Einkommen, ab 125000 Euro für Alleinstehende. Mit diesem Bildungs-Soli könnten wir unsere Zukunftsaufgaben finanzieren. Und was fordert auf der anderen Seite die Union? Sie wollen die Arbeitnehmerrechte beschneiden, sie lehnen eine Börsenumsatzsteuer ab, wollen den Kündigungsschutz schleifen. Die Katze ist aus dem Sack, seit das Papier des CSU-Wirtschaftsministers Guttenberg auftauchte, da läuft's mir kalt den Rücken runter.

Frankenhauser: Das ist doch bloß ein Papier eines Referenten, das längst zurückgezogen wurde. Es war eine Materialsammlung, die nicht die Zustimmung der politischen Führung fand und deshalb in der Schublade verschwinden musste. Die Frau Nahles von der SPD hat auch schon viele Papiere geschrieben, die nicht ins SPD-Programm gefunden haben.

Vorländer: Mir graut's vor dem, was durch Schwarz-Gelb auf uns zukommen würde. Durch dieses Papier haben wir alle einen kurzen Blick darauf werfen können, was geplant ist. Die SPD hingegen plädiert für eine faire Lastenverteilung in der Krise. Und unser Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier hat ein visionäres Programm vorgelegt, wie wir heute die Grundlagen für die Arbeit von morgen legen. Wir dürfen uns nicht von dem Ziel der Vollbeschäftigung verabschieden, sondern müssen Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen.

Frankenhauser: Das wollen wir doch alle, das ist doch die Grundlage unserer Gesellschaft.

Vorländer: Ja, aber der ehrgeizige Plan dafür kommt von der SPD. Ihre Partei hingegen will nicht in den Ring steigen, sie präsentiert keine Vorschläge dafür, wie wir aus der Krise kommen.

Frankenhauser: In diesen Ring steige ich gerne. Im Deutschland-Plan Ihres Kandidaten wird vorgeschlagen, eine Million Arbeitsplätze im Pflege- und Gesundheitsbereich zu schaffen. Sie können mir sicher sagen, woher die 22 Milliarden Euro dafür kommen sollen?

Vorländer: Ich weiß nicht, wie Sie auf diese Zahl kommen.

Frankenhauser: Einfach, indem man den von der SPD geforderten Mindestlohn im Pflegedienst auf die Wochenarbeitszeit hochrechnet und mit einer Million multipliziert. Das müssen doch entweder die Krankenkassen zahlen, also die Beitragszahler, oder es kommt aus der Staatskasse, die bereits heute jährlich 15 Milliarden Euro in das System der gesetzlichen Krankenkassen pumpt. Einen dritten Finanzier, etwa aus Monaco, sehe ich nicht. Wie wollen Sie das finanzieren?

Vorländer: Die insgesamt vier Millionen neuen Arbeitsplätze beziehen sich auf viele Bereiche, nicht nur auf das Gesundheitswesen. Es geht darum, Vollbeschäftigung anzustreben. Wir brauchen Mindestlöhne für alle Branchen, damit die Menschen einen fairen Lohn für gute Arbeit bekommen. Für München müsste dieser Mindestlohn wenigstens neun Euro pro Stunde betragen.

Frankenhauser: Das Ziel der Vollbeschäftigung ist keine Erfindung der Sozialdemokratie, sondern unser aller Vorhaben. Nur wenn die Wirtschaft floriert, nur wenn möglichst viele Menschen arbeiten, werden wir in der Lage sein, unseren Schuldenturm abzubauen. Durch Sparen allein ist das nicht zu schaffen.

SZ: Was muss sich an unserem System des Wirtschaftens ändern?

Vorländer: Ein einfaches "Weiter so" darf es nach dieser Krise nicht geben. Mich widert es an, dass sich Bankmanager trotz der horrenden Verluste Bonuszahlungen genehmigen.

Frankenhauser: Das lässt sich nur international regeln, weil die Bankkonzerne längst global aufgestellt sind. Bonuszahlungen dürfte es nur geben, wenn Gewinne erwirtschaftet wurden.

Vorländer: Ich denke, am 27. September werden auch die Weichen dafür gestellt, wie es in der Energiefrage weitergeht. Schaffen wir die Energiewende oder gehen wir ins Atomzeitalter zurück? Da befürchte ich bei einer schwarz-gelben Koalition Schlimmes.

Frankenhauser: Ich kann Sie beruhigen. Das Programm der Union sieht denselben Prozentsatz an erneuerbaren Energien vor wie das der SPD. Was den Atomausstieg betrifft, ist gerade die Münchner SPD besonders glaubhaft, die steigt nämlich seit etwa 27 Jahren ununterbrochen aus dem Atomkraftwerk Ohu2 aus, ist aber immer noch drin. Die Stadtwerke München, die ja nicht von der Union geführt sind, freuen sich über diese munter sprudelnde Einnahmequelle.

Vorländer: Die Stadtwerke haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, alle Münchner Privathaushalte bis 2015 mit regenerativ erzeugtem Strom zu versorgen und bis 2025 auch alle Unternehmen - da sind sie in der ganzen Bundesrepublik Vorreiter. Was Ohu2 betrifft, so meine ich, dass die Stadtwerke da aussteigen sollten. Aber wollen Sie die Laufzeit der Atomkraftwerke über 2021 hinaus verlängern?

Frankenhauser: Es kommt entscheidend darauf an, wann wir in der Lage sein werden, den Atomstrom durch Strom aus regenerativen Energien zu ersetzen. Sobald wir das schaffen, können wir sie abschalten. Ich würde aber ungern vorübergehend auf Wachskerzen zurückgreifen.

Vorländer: Es ist machbar, wir müssen so schnell wie möglich raus, weil die Atomkraft zu viele Risiken mit sich bringt. Versorgungslücken wird es trotzdem nicht geben.

SZ: Herr Vorländer, falls Sie es in den Bundestag schaffen - was wollen Sie dort speziell für München erreichen?

Vorländer: Ich würde mich besonders für den Erhalt der kommunalen Daseinsvorsorge einsetzen.

Frankenhauser: Da wäre ich an seiner Seite.

SZ: Verbindet SPD und CSU nicht mehr als sie trennt? Wäre die CSU nicht besser beraten, weiter mit der SPD zu regieren, anstatt ein Bündnis mit der FDP zu suchen?

Frankenhauser: Ich will die Erfolge der großen Koalition nicht kleinreden, wir hatten auch im menschlichen Miteinander einen guten Umgang. Aber leider sind in der SPD nicht alle so vernünftig wie der Herr Vorländer. Ich habe schon alles mitgemacht, war in der Opposition und auch im Bündnis mit der FDP, das auch nicht immer leidensfrei war. Welche Koalition es diesmal geben wird, bestimmt der Wähler. Ich kann mir das eine so gut vorstellen wie das andere.

Vorländer: Erstens kommt es darauf an, dass die SPD möglichst stark wird, angesichts der jetzigen Umfragen müssen wir noch zulegen. Die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt erst, nun müssen wir deutlich machen, wofür wir stehen und all die Menschen für uns gewinnen, deren Vertrauen wir noch nicht haben. Viele Menschen entscheiden sich erst auf den letzten Metern. Meine Wunschkoalition wäre ein rot-grünes Bündnis.

Frankenhauser: Und wenn es dafür nicht reicht, würden Sie es mit der Linken versuchen?

Vorländer: Sie kennen doch die Antwort meiner Partei auf diese alte Frage. Ein Bündnis mit der Linken ist zum jetzigen Zeitpunkt auf Bundesebene nicht vorstellbar und nicht realistisch.

© SZ vom 31.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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