SZ: Zum Geburtstag macht sich das Hilfswerk der SZ selbst ein Geschenk: einen neuen Namen . Aus dem SZ-Adventskalender werden die SZ Gute Werke. Warum?
Karl Ulrich: Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Das Thema hat uns wirklich lange beschäftigt. Warum haben wir es so lange diskutiert? Einerseits sind wir sehr stolz auf das, was wir haben: Der Adventskalender ist eine eingeführte, eine bekannte Institution. So etwas verändert man nicht gerne. Aber der Name hat einen Nachteil. Wenn man ihn zum ersten Mal hört, kann man denken: Ah, das ist etwas, was es jedes Jahr im Dezember gibt. Unsere langjährigen Spenderinnen und Spender und auch alle Empfänger wissen, dass das nicht so ist, dass wir das ganze Jahr über Gutes tun. Genau das wollen wir Menschen, die zum ersten Mal mit uns in Berührung kommen, künftig gleich ganz deutlich signalisieren.
Wird sich mit dem Namen noch etwas ändern?
Sandra Geisler: Nein, wir wollen lediglich nach außen klarer werden, der Kern bleibt unangetastet. Wir werden die guten Werke weiter hier tun, in München und der unmittelbaren Umgebung, der Heimat der SZ und der meisten SZ-Leserinnen und Leser. Jeder Euro, der gespendet wird, geht ohne jeden Abzug direkt an diejenigen, die Hilfe benötigen. Wir bleiben ein überschaubares und effizientes Team, alle Verwaltungskosten trägt weiter der Süddeutsche Verlag.
Wie lief denn der Findungsprozess für den neuen Namen?
Ulrich: Über Jahre. Das Gefühl, dass der Begriff "Advent" eigentlich nicht mehr so recht passt, ist allmählich gewachsen. Irgendwann dachten wir: Das Jubiläum wäre doch ein guter Anlass, ihn zu verabschieden. Da kann man auf das Erreichte zurückschauen und gleichzeitig ein Signal senden, das in die Zukunft weist.
Geisler: Wir waren sehr gründlich, denn wir wollten wirklich alle einbinden, denen das Thema wichtig ist - und das sind auch in der Redaktion und im Verlag viele. Da ist Fingerspitzengefühl wichtig. Wir haben intern verschiedene Workshops gemacht, erst wurde gebrainstormt, dann haben wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Abteilungen einbezogen, um möglichst viele Blickwinkel und Sichtweisen zu bekommen. Am Ende gab es eine offizielle Umfrage. So wurden die Ideen immer mehr zugespitzt und geschärft. Eine professionelle Namensagentur hat diese dann bewertet, sodass wir letztlich mit einigen konkreten Vorschlägen auf verschiedenen Kanälen auch die Leserinnen und Leser gefragt haben. SZ Gute Werke war schließlich der klare Favorit.
Ulrich: Was aus meiner Sicht einfach passt. Weil es ganz wunderbar eine Brücke schlägt: Die guten Werke waren ja auch Teil des bisherigen Vereinsnamens, der vollständig lautete: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.". SZ Gute Werke macht klar, wo wir herkommen, wofür wir immer stehen werden, und zugleich ist es eindeutig, schlank und modern.
Geisler: Was auch wichtig ist: SZ Gute Werke funktioniert in allen Kommunikationskanälen, auch in den sozialen Medien. Diese werden auch für gemeinnützige Organisationen immer wichtiger.
Das SZ-Hilfswerk wurde vor 75 Jahren geboren, in der unmittelbaren Not nach dem Zweiten Weltkrieg. Warum ist die Idee heute noch zeitgemäß?
Ulrich: Weil Hilfe immer zeitgemäß bleiben wird. Im Vergleich zur Nachkriegszeit hat sich die Situation - zum großen Glück - stark verändert. Aber Hilfsbedürftige gibt es immer noch viele, auch in einer an sich wohlhabenden Stadt wie München mit einem so prosperierenden Umland. Gerade weil es recht vielen recht gut geht, gibt es eine gewisse Gefahr, dass Bedürftige aus dem Blickfeld rutschen. Aber es gibt sie. Die Schere zwischen den Wohlhabenden und den Alles-andere-als-Wohlhabenden wird größer und, wie ich finde, mitunter auch scharfkantiger. Gerade deshalb ist es so wichtig, Solidarität zu zeigen, Solidarität zu fördern, Solidarität zu organisieren. Das wollen wir. Diese Solidarität - das ist unsere Konstante.
Geisler: Wir helfen ja auf sehr unterschiedliche Weise: Wir fördern Organisationen, wir gewähren Einzelfallhilfen. Wo wir immer wieder erfahren, dass es direkte Not gibt und wie groß diese mitunter ist, kommt die Soforthilfe zum Zug. Da sind wir einfach schneller und können direkter und umfassender unterstützen als die Behörden. Wir werden das staatliche Sozialsystem nie überflüssig machen können und wollen das auch gar nicht. Gerade die Soforthilfe aber zeigt, wie wichtig es ist, dass wir es ergänzen.
Lassen sich Trends beobachten?
Geisler: In all den Jahren hat Flucht-Not immer wieder eine Rolle gespielt. Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, um Kriegen zu entkommen, haben oft erst einmal nicht mehr als ihr bloßes Leben. Was wir zuletzt beobachtet haben: Die Altersarmut wird gravierender. Und die Inflation hat Haushalte in finanzielle Schwierigkeiten gebracht, von denen man das vor einiger Zeit so nicht erwartet hätte.
Ulrich: Die Themen, mit denen wir zu tun haben, haben sich über die Jahrzehnte immer wieder graduell verändert. Was ich toll finde: wie breit gefächert über all die Zeit unsere Spender geblieben sind. Die Idee war ja von Anfang an: Jeder gibt, was er kann. Auch kleine Beiträge sind wichtig. Jede Spende, egal, wie hoch sie ist, wird gleichermaßen anerkannt. Erfreulicherweise haben die großen Spenden über die Jahre zugenommen, die kleinen wurden aber nicht weniger. Wir sind ein Abbild der Gesamtgesellschaft. Das finde ich - Stichwort Solidarität - ganz wichtig.
Die Guten Werke werden unter dem Dach der SZ organisiert. Formal gibt es einen Verein, der das Hilfswerk trägt und dem Sie, Herr Ulrich, vorstehen. Die Abwicklung läuft vor allem über Sie, Frau Geisler, als geschäftsführende Vorständin, und ihre beiden Mitarbeiterinnen. Wie muss man sich das Miteinander konkret vorstellen?
Ulrich: Gut eingespielt - zugleich können wir uns immer weiter verbessern. Der Verein garantiert, auch weil er regelmäßig überprüft wird, die Gemeinnützigkeit. Das vom Verlag bezahlte Team kümmert sich um die konkrete Umsetzung. Im Prinzip sind wir alle ja nur Treuhänder: Wir nehmen das Geld, das uns die Leserinnen und Leser der SZ anvertrauen, entgegen und sorgen dafür, dass damit möglichst viele gute Werke getan werden. Damit das möglichst schnell und direkt läuft, ist es erst einmal wichtig, dass nicht zu viele Hände im Spiel ist. Andererseits muss aber auch genau geschaut werden, dass das Geld wirklich dort ankommt, wo es gebraucht und im Sinne der guten Sache verwendet wird. Um beiden Aufgaben gerecht zu werden, ist das, was wir haben, die ideale Struktur.
Geisler: Wir entscheiden über jeden Antrag nach dem Mehr-Köpfe-Prinzip in unseren regelmäßig stattfindenden Vergabesitzungen. Gemeinsam mit unseren Vereinsvertretern wird jede größere Zuwendung durchgesprochen. Was uns dabei wichtig ist: dass genau aufgeführt ist, was beantragt wird. Nach einer gewissen Zeitspanne überprüfen wir dann die zweckmäßige Verwendung der Spende. Es gibt bei uns auch keinen Fortsetzungsautomatismus nach dem Motto: Wir hätten gerne wieder das Gleiche wie vergangenes Jahr. Auch Organisationen, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten, müssen immer wieder sorgfältige neue Anträge stellen. Das bedeutet etwas mehr Arbeit, garantiert aber, dass die Leserinnen und Leser sich sicher sein können, dass mit ihrem Geld wirklich Gutes getan wird.
Frau Geisler, Sie sind im vergangenen Jahr zum Team gestoßen, waren vorher aber schon im Stiftungsbereich tätig. Was ist heutzutage wichtig, um als gemeinnützige Organisation up to date zu bleiben?
Geisler: Transparenz, Nachhaltigkeit, Digitalisierung. Die Menschen wollen wissen, was mit ihrem Geld genau passiert. Wer Gutes tun will, will das jederzeit und von überall aus tun können. Dabei helfen digitale Bezahlmodelle. Damit die Hilfe schnell ankommt, helfen digitale Anträge. Und das Thema Nachhaltigkeit gilt nicht nur auf der ökologischen Ebene.
Sondern?
Geisler: Ganz allgemein, zum Beispiel auch für sozialpädagogische Konzepte. Auch diese werden ja ständig weiterentwickelt, und wenn wir etwas fördern, schauen wir immer auch: Gibt es da vielleicht etwas Neues? Etwas, was die Hilfe zur Selbsthilfe stärker betont, als nur die Not zu lindern. Da ist das Thema Nachhaltigkeit genauso da, sticht aber nicht derart ins Auge wie bei der Anschaffung von Elektroautos für Hilfsorganisationen oder dem ökologischen Innenausbau einer Pflegestation für Demenzkranke.
Zum Geburtstag: Was wünschen Sie sich?
Geisler: Viel Elan. Mit dem neuen Namen wollen wir noch bekannter werden und insbesondere viele junge Menschen für uns begeistern. Wir wollen das ganze Jahr über sichtbar sein und mit unseren Projekten noch mehr in den Austausch gehen - mit Spenderinnen und Spendern, den SZ-Mitarbeitern und auch mit anderen Organisationen.
Ulrich: Ich wünsche mir, dass wir die nächste Generation für unsere Idee von Solidarität gewinnen. Dass wir das Viele, was aufgebaut wurde, weiterreichen und damit immer wieder neue gute Werke inspirieren. Dass wir also wirklich nachhaltig wirksam sind.