SZ-Adventskalender:Die Angst quält Tag und Nacht

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Die Familie musste, als sie vor drei Jahren flohen, alles zurücklassen. Die Verwandten, die eigene Kfz-Werkstatt, den Job der Mutter als Buchhalterin. (Foto: Catherina Hess)

Die Simonjans aus Armenien haben Universitätsabschlüsse, ihre Söhne sprechen akzentfrei Deutsch. Das Asylverfahren läuft und es ist ungewiss, ob die Familie bleiben darf.

Von Inga Rahmsdorf, München

Manchmal hat die Familie Simonjan nichts zu essen. Denn all die Übersetzungen und Beglaubigungen ihrer Zeugnisse sind teuer. Und wenn sie wieder Beglaubigungen brauchen, dann reicht das Geld eben nicht mehr für Lebensmittel. Der Vater holt eine dicke blaue Mappe hervor, die Mutter eine dicke schwarze Mappe. Wenig später ist der Tisch in der kleinen Münchner Wohnung übersät mit verschiedenen Papieren. Jedes Blatt einzeln eingeschweißt in einer Folie. Von diesen Dokumenten hängt die Zukunft der Familie ab. Es sind die Beweise über ihre Qualifikationen. Und über ihre Integration. Ihre Eintrittskarte für ein Leben in Deutschland, so hoffen die Simonjans ( Zum Schutz der Familie ist ihr Name geändert , Anm. d. Red.).

Darunter sind die Universitätsabschlüsse aus Armenien, das Praktikumszeugnis einer deutschen Kita, das Arbeitszeugnis als Hausmeister in einer Gemeinschaftsunterkunft, ein Gabelstaplerführerschein, Zertifikate über bestandene Integrations-, Deutsch-, Computerkurse. Weiterbildungen in Englisch und Marketing. Der Ausbildungsvertrag der Mutter als Köchin in einem Münchner Unternehmen. Dann holt der Vater noch eine Mappe.

Darin sind die Zeugnisse der zwei Kinder. Beide Söhne sprechen akzentfrei Deutsch, besuchen die Realschule, haben hervorragende Noten. Trotzdem quält die Angst sie Tag und Nacht. Die Ungewissheit, wie es weitergeht, ob die Familie in Deutschland bleiben darf. Ihr Asylverfahren läuft noch.

Vor drei Jahren sind die Simonjans aus Armenien nach Deutschland geflohen. In ihrer Heimat sei die Situation zu gefährlich für sie geworden, sagt der Vater. "Es gab viel Gewalt." Er zeigt auf die Narbe, die sich über die Stirn seines 13-jährigen Sohnes zieht. Doch dann bricht er ab. Er möchte nicht darüber sprechen, zu sehr schmerze ihn die Erinnerung an das Erlebte. Die Familie musste damals alles zurücklassen. Die Verwandten, die eigene Kfz-Werkstatt des Vaters, den Job der Mutter als Buchhalterin.

"Wenn man ein Ziel hat, kann man alles erreichen", sagt die 39-jährige Mutter. Der Einsatz ist enorm, den sie dafür aufbringen müssen. Von dem Ausbildungsgehalt der Mutter kann die Familie in München allerdings nicht leben.

Das Geld ist immer knapp in der Familie, die beiden Jungen teilen sich eine schmale Matratze. Auch der Vater hat endlich eine Arbeit im Sicherheitsdienst gefunden. "Ich kann nicht herumsitzen, ich bin Ingenieur und Handwerker, ich kann 20 Stunden am Tag arbeiten, egal was", sagt der 40-Jährige. Seit ihrer Ankunft in Deutschland hatte er verschiedene Jobs, aber immer wieder gab es bürokratische Probleme. Weil er noch im Asylverfahren ist, braucht er eine Arbeitserlaubnis.

Der älteste Sohn trägt morgens vor der Schule Zeitungen aus, um die Familie zu unterstützen. Die gute Schulbildung ihrer Söhne ist den Eltern sehr wichtig. Sie würden sich wünschen, dass sie ihren Söhnen zu Weihnachten Schultaschen, Kleidung für den Sportunterricht und eine zweite Matratze kaufen können.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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