SZ-Adventskalender:Für Werner M. ist jeder Schritt eine Herausforderung

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Nach langem Suchen hat Werner M. eine neue Wohnung gefunden. (Foto: Catherina Hess)

Denn er leidet an einer seltenen Krankheit - nach einem Umzug ist sein Leben noch beschwerlicher geworden. Der SZ-Adventskalender hilft.

Von Monika Maier-Albang

Er hat eine neue Wohnung, das ist das Positive an dieser Geschichte. Sie ist noch sehr leer, weil Werner M. kaum Möbel besitzt, sie ist bei Weitem nicht so zentral gelegen wie seine alte, was schwierig ist für M., dem das Gehen große Mühe bereitet. Aber: Er muss nicht auf der Straße schlafen oder in einer Obdachlosenunterkunft.

Und die Sorge, dass es so weit kommen würde, hatte ihn schon umgetrieben. Die Vermieterin hatte gekündigt, Eigenbedarf, "vorgeschobener Eigenbedarf", wie M. sagt. Er hat ein halbes Jahr über Immoscout versucht, eine Wohnung zu finden und keine einzige Rückmeldung erhalten, er hat vergebens versucht, übers Wohnungsamt eine Wohnung zu finden, er war bei einer Genossenschaft, die ihm ein Appartement im Hochparterre angeboten hat. Aber selbst die paar Stufen sind für ihn ein Ding der Unmöglichkeit.

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Werner M. hat eine sehr seltene genetisch bedingte Erkrankung, das "PAPA-Syndrom". "Weltweit gibt es nur zehn Familien, die den Ärzten bekannt sind", sagt M. Die Abkürzung steht für Pyogene Arthritis, Pyoderma gangraenosum und Akne. Immer wieder plagen den 52-Jährigen eitrige Gelenkentzündungen, schmerzhafte Hautgeschwüre und verschiedene Formen von Akne, die auch sein Gesicht gezeichnet haben, schon im Jugendalter.

Die Krankheit, sagt M., habe sein Leben geprägt: "Du kannst dich nicht rasieren, findest keine Freundin, traust dich nicht auf die Straße, wirkst abstoßend auf die Leute." Erschwerend kam hinzu, dass die Ärzte erst 2008 herausfanden, was ihm eigentlich fehlt. "Ich war immer der schwierige Patient", sagt W.; und als die Diagnose dann feststand, "haben alle gejubelt. Ich nicht".

Die andauernde Ungewissheit, das Weitergereichtwerden von Arzt zu Arzt, die Kämpfe mit Krankenkassen, Arbeitsamt, Wohnungsamt - und dann die vielen Operationen, in denen er künstliche Gelenke bekam: All das setzte ihm so zu, dass er zu trinken begann. "Da ist mein Leben gekippt", sagt er. "Es ist ja gar nicht so, dass man als kranker Mensch Mitleid haben möchte. Man möchte nur, dass die Gesetze, die es zu deinem Schutz gibt, umgesetzt werden." Aber alles, so seine Erfahrung, ist mühsam, alles kompliziert. Immer ist man auf den Ämtern, bei den Sachbearbeitern in der Rolle des Bittstellers. "Sie haben so eine Macht über dich."

Heute ist er trocken, er hat Therapien hinter sich - und er hat gute Freunde, die ihn gestützt haben und denen er dankbar dafür ist. Inzwischen ist Werner M. frühverrentet. Sein Alltag aber ist weiterhin bestimmt durch Arztbesuche. Und durch die Einschränkungen, die sein Körper ihm aufzwingt. Zwei, maximal drei Kilometer am Tag - das ist die Strecke, die er zu Fuß bewältigen kann. "Die Post ist eineinhalb Kilometer weg. Auf dem Rückweg noch zum Rewe. Das ist dann mein Tagespensum", sagt M.

Er plant jeden Weg sehr genau, zumal seit dem Umzug. Denn die Ärzte sind nun weit entfernt in der Innenstadt, und die Wege zur S-Bahn und zu den Bussen muss er mit einkalkulieren. Das einzige, was ihm Freiheit verschaffen kann, ist sein Fahrrad. Mit ihm kann er einkaufen, Freunde besuchen. Aber das Rad steht derzeit kaputt im Keller. Er würde sich über ein neues sehr freuen.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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