Sturm:Wind und Wirbel

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Bäume fallen um, ein Kram kippt, zwei Bauarbeiter werden vom Gerüst geblasen: Das Unwetter am Donnerstag war kurz, aber heftig. Die Folgen beschäftigen München samt Umland über viele Stunden - nicht nur die S-Bahn

Von Isabel Bernstein, Martin Bernstein und Thomas Schmidt, München

Der Sturm war kurz, aber heftig. Windböen haben am Donnerstagmorgen im Großraum München Bäume, Baugerüste und sogar einen Kran umgeweht und Millionenschaden angerichtet. Zwei Bauarbeiter wurden beim Einsturz eines Gerüsts verletzt, einer von ihnen schwer. Auch der Bahnverkehr und der Flughafen hatten mit dem Sturm zu kämpfen. Mehrere Münchner Friedhöfe wurden auf zunächst unbestimmte Zeit gesperrt, weil umgefallene Bäume und abgebrochene Äste die Besucher gefährden. In Oberbayern fiel an mehreren Orten der Strom aus.

Am schlimmsten erwischte der Sturm zwei 50 Jahre alte Arbeiter, die auf einer Baustelle an der Ottobrunner Straße in München in luftiger Höhe auf einem Gerüst standen. Obwohl die Stahlrohre an der Hauswand gesichert waren, blies der Wind so stark, dass das Gestell gegen 8 Uhr einstürzte. Wie die Feuerwehr berichtete, fielen die Männer zu Boden und wurden anschließend von den herabstürzenden Gerüstteilen verschüttet. Einer der Arbeiter kam mit zahlreichen Prellungen noch vergleichsweise glimpflich davon, der andere wurde von einem Gerüstteil am Kopf getroffen und schwer verletzt. Die beiden Männer wurden von ihren Kollegen befreit, der schwer verletzte 50-Jährige dann ins Krankenhaus gebracht.

Allein in München zählten Feuerwehr und Polizei zusammen knapp 200 Einsätze wegen des Sturms. In einigen Fällen kletterten Feuerwehrleute mit Drehleitern auf Hausdächer, um lose Dachziegel zu beseitigen. Bauzäune wurden umgerissen, Müllcontainer machten sich selbständig und rumpelten über Gehwege, parkende Anhänger wurden in die Mitte der Straße geblasen. An der Agnes-Bernauer-Straße in Laim fiel ein 25 Meter hoher Baum über eine Straße auf fünf geparkte Autos. Zwei der Fahrzeuge wurden völlig zertrümmert.

Die Sturmböen erreichten in München Geschwindigkeiten von bis zu 87 Kilometern pro Stunde. Noch schlimmer blies der Wind im Umland, einzelne Böen erreichten dort mit knapp 120 Kilometern pro Stunde Orkanstärke. In Germering stürzte ein tonnenschwerer Baukran um. Dabei entstand ein Schaden von etwa 500 000 Euro. Der Kran wurde zerstört, zudem beschädigte er einen Verteilerkasten, eine Stromleitung und einen Spielplatz. "Selbst mit dem Sachschaden haben wir großes Glück gehabt", sagte ein Polizeisprecher. Kurz nach dem Unglück seien in dem Bereich die ersten Schüler auf dem Weg zu einer benachbarten Grundschule gewesen.

Der Sturm wirbelte am Donnerstagvormittag auch den S-Bahn-Verkehr durcheinander. Rund um München fielen die Züge wegen umgefallener Bäume und abgerissener Oberleitungen großräumig aus. Die Pendler, deren Geduld schon in den vergangenen Tagen nach einer Stellwerkstörung und nach einem Polizeieinsatz im Münchner Osten auf eine harte Probe gestellt worden war, waren erneut die Leidtragenden. Wieder mussten Fahrgäste aus S-Bahnen befreit werden, die auf freier Strecke stehen geblieben waren, etwa eine S 7 in Pullach.

Zunächst sah es so aus, als würde vor allem auf den Außenästen der S-Bahn lange kein Zug mehr fahren. Die meisten Schäden konnten dann aber bis zum Mittag behoben werden. Am längsten war die S 8 zwischen Weßling und Herrsching außer Dienst. Ein Schienenersatzverkehr wurde eingerichtet. Von Sperrungen auf der Strecke der S 4 war auch der Regionalzugverkehr betroffen: Der Alex konnte zwischen München und Buchloe nicht fahren, ebenso der Zug zwischen München und Ulm.

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(Foto: Berufsfeuerwehr München/dpa)

Umstürzende Bäume haben in München nicht nur dieses Auto unter sich begraben.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Da sie an diversen Stellen auf Gleise fielen, war der S-Bahn-Verkehr stark beeinträchtigt.

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(Foto: Matthias Balk/dpa)

In Germering brachte der Sturm einen Kran zu Fall.

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(Foto: OH)

Sturmschäden bayern- und deutschlandweit, hier etwa in der Nähe von Buch am Buchrain im Landkreis Erding...

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(Foto: Thomas Warnack/dpa)

...und in einem Waldgebiet bei Bad Saulgau (Baden-Württemberg).

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(Foto: Kathleen Sturm/dpa)

Auf der Bundesstraße 4 bei Elxleben (Thüringen) kippte dieser Lastwagen einfach um.

Am Flughafen München, wo Sturmböen mit knapp 100 Kilometern pro Stunde gemessen wurden, kam es zu Verspätungen von bis zu 45 Minuten, weil die Flugsicherung bei dem Gewitter wegen der schlechten Sicht Maschinen nur in größeren Abständen starten und landen lassen konnte. Einige Maschinen mussten daher länger kreisen. Bis zum Mittag normalisierte sich der Flugverkehr aber weitgehend. Größere Schäden gab es am Flughafen nicht.

Das für die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck, Starnberg, Freising, Erding und Ebersberg zuständige Polizeipräsidium Oberbayern Nord registrierte mehr als 170 Einsätze. Nach einer ersten Bilanz aus dem Münchner Umland gab es dort bei acht teilweise witterungsbedingten Verkehrsunfällen Verletzte. Auf der Kreisstraße von Oberschweinbach nach Mammendorf stürzte um 8 Uhr ein Baum auf ein vorbeifahrendes Auto. Der Fahrer wurde zum Glück nur leicht verletzt.

Der Stromversorger Bayernwerk registrierte neun Stromausfälle in Oberbayern. Mehr als 9000 Haushalte und Betriebe mussten kurzfristig ohne Strom auskommen, betroffen waren unter anderem die Landkreise Dachau, München und Bad Tölz-Wolfratshausen. Allein in Ismaning ging in 700 Haushalten und Betrieben das Licht aus.

Ein Baumarkt indes profitierte kurzfristig sogar von dem Unwetter. Ein nahe München-Riem auf einem Lärmschutzwall montierter, etwa 700 Kilogramm schwerer Werbecontainer des Unternehmens wurde durch eine Windböe gelockert und rutschte bis direkt an die Autobahn. Nahe der Leitplanke hatte er vorübergehend einen ungewollten "Werbeeffekt", wie der Speditionsleiter einer Containerfirma trocken kommentierte, die den Ausreißer mit einem Kran an den ursprünglichen Standort zurück bugsierte.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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