Kritik:Der Klang der Zeitenwende

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Der Trompeter Simon Höfele eröffnet die neue Saison der Studio-Konzerte bei BR Klassik.

Von Michael Stallknecht

1923 ist das Jahr, indem in Berlin der erste Rundfunksender seinen Betrieb aufnahm. Was BR Klassik nun zum Anlass genommen hat, gleich die ganze Saison seiner Studio-Konzerte der Zeitenwende zu widmen. Schließlich geht manches eher Ungute aus den Wilden Zwanzigern momentan in die Wiederauflage: Inflation, unsichere geopolitische Verhältnisse, innenpolitische Spaltung.

Manches Gute dagegen eher weniger - wie etwa der damals ziemlich intensive Austausch zwischen Klassik und Jazz, für den beispielhaft George Gershwin als "An American in Paris" oder mit seiner "Rhapsody in Blue" steht. Der Trompeter Simon Höfele und der Pianist Frank Dupree haben sie - erstere im Arrangement des Pianisten - als Rahmen für das Eröffnungskonzert im Studio 2 des Funkhauses genommen. Ist doch die Trompete fest in beiden Welten beheimatet, was der junge, bereits ziemlich etablierte Höfele eher als Lust denn als Last empfindet. Dass Dupree, sein fester Klavierpartner, mal Jazz-Schlagzeug studiert hat, hört man am souverän biegsamen Timing, auch wenn er allein George Antheils Klaviersonate "The Airplane" von 1921/22 spielt.

Allzu starr bleibt man dabei nicht im Korsett der Epoche. So ist Antheil auch mit seiner eher klassizistischen Trompetensonate von 1951 vertreten, George Enescu mit seiner "Légende" von 1906, auch der zeitgenössische, zwischen den Genres vagierende Daniel Schnyder mit einer Trompetensonate. Gemeinsam haben alle diese Stücke, dass sie von Trompeter wie Pianist Hochvirtuoses fordern, was die ungewöhnliche Kombination auch über gut zwei Stunden abwechslungsreich macht. Höfele wechselt blitzschnell zwischen zwei Trompeten, einem Flügelhorn und diversen Dämpfern, wobei er eigentlich am Großartigsten ist, wenn er eines dieser Instrumente zum innigen Singen verführt. Was er im "Langsamen Fox und Algi-Song" von Kurt Weill sogar mit einer Lotusflöte tut. Schließlich huldigt die originale Gesangsmelodie einer - bis heute existenten - Seifenmarke. Braucht BR Klassik nun schon Schleichwerbung, um durch die schwierigen Zeiten zu kommen? Wahrscheinlich eher Humor.

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