Diskriminierung:Ausgegrenzt im Klassenzimmer

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Allein gelassen: Bis zu 43 Prozent der Münchner Schüler, abhängig von der Schulart, geben an, dass in ihrer Klasse Einzelne ausgegrenzt würden. (Foto: Philipp Schulze/dpa)
  • Je nach Schulart geben zwischen einem Viertel und 43 Prozent der Münchner Schülerinnen und Schüler an, in ihrer Klasse würden einzelne Mitschüler ausgegrenzt.
  • Deutliche Kritik üben die Schüler an der mangelnden Sauberkeit der Schülerklos. Auch die Klassenzimmer sind zu dreckig.
  • Die Ergebnisse der ersten Befragung 2014 waren bereits durchwachsen - und an den damals kritisierten Problemen hat sich seitdem offenbar wenig geändert.

Von Jakob Wetzel, München

Münchens Schulen haben ein Diskriminierungsproblem, und wenn Einzelne ausgegrenzt werden, dann geschieht das offenbar besonders oft in Bezug auf ihr Aussehen, auf eine Erkrankung oder Behinderung oder vor allem auf ihre sexuelle Identität. Das geht aus der großen Schulklimabefragung des Pädagogischen Instituts der Stadt hervor. Je nach Schulart gaben dabei zwischen einem Viertel und 43 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, in ihrer Klasse würden einzelne Mitschüler ausgegrenzt. An den Realschulen wollten nur 64 Prozent der Schüler der Aussage zustimmen, sie würden an ihrer Schule akzeptiert, egal welche sexuelle Orientierung sie hätten. An diesem Mittwoch sollen die Ergebnisse der Befragung im Bildungsausschuss des Stadtrats beraten werden. In der Studie selber heißt es, an allen berücksichtigten Schularten zeichne sich deutlicher Diskussionsbedarf ab.

An der Befragung teilgenommen haben Berufsschulen, Gymnasien, Realschulen und Schulen besonderer Art, und zwar ausschließlich solche in städtischer Trägerschaft. Dennoch haben die Zahlen eine breite Grundlage. Externe Mitarbeiter haben an 106 Schulen insgesamt 52 595 Schülerinnen und Schüler befragt. Außerdem nahmen 1803 Lehrkräfte teil, 153 weitere Angestellte an den Schulen, 66 Schulleitungen sowie 2484 Erziehungsberechtigte.

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Es ist bereits die zweite Studie, mit der die Stadt in Erfahrung bringen will, wie das Miteinander an ihren Schulen funktioniert, welche Stimmung dort herrscht und wie alle Beteiligten den Alltag erleben. Die Ergebnisse der ersten Befragung 2014 waren bereits durchwachsen - und an den damals kritisierten Problemen hat sich seitdem offenbar wenig geändert. Deutliche Kritik üben die Schüler nach wie vor an der mangelnden Sauberkeit der Schülerklos. Die Personaltoiletten schneiden demgegenüber besser ab. In einer anderen Frage aber sind sich Schüler und Lehrer an Realschulen und Gymnasien halbwegs einig: Auch die Klassenzimmer sind zu dreckig. Das findet die Hälfte von ihnen.

Weiterhin bemängelt wird an allen berücksichtigten Schularten auch das Angebot und die Abwechslung beim Mittagessen. Schüler beklagen sich häufig darüber, dass Mitschüler den Unterricht stören, obwohl andere mitarbeiten möchten. Lehrer sowie besonders die 2018 erstmals mit befragten Schulleitungen kritisierten den zunehmenden Zeitdruck, die wachsende Anzahl von Aufgaben und die gestiegenen Arbeitszeiten.

Schon 2014 beklagten sich Schülerinnen und Schüler an Gymnasien und Realschulen über das unzureichende Ganztagsangebot; dieses könnte weiterhin deutlich besser werden. An Realschulen gab weniger als die Hälfte der befragten Schüler an, dass die derzeitigen Angebote ihren Interessen entsprechen. An den Gymnasien fanden das zwar immerhin gut zwei Drittel der Schüler, dafür geht hier die Idee besonders schlecht auf, dass die Schüler noch in der Schule ihre Hausaufgaben erledigen und sich auf den nächsten Tag vorbereiten, sodass sie nach Schulschluss frei haben. Tatsächlich gaben nur 38 Prozent der Gymnasiasten an, sie würden ihre Hausaufgaben während der Schulzeit schaffen, und nur 15 Prozent sagten, sie müssten abends nicht mehr lernen. An den Realschulen gelingt das zwar mehr Schülern, aber auch nur 27 Prozent von ihnen. Und nur 56 Prozent der Realschüler schaffen die Hausaufgaben in der Schule. Seit 2014 hat sich dieser Zustand immerhin etwas gebessert.

Neu abgefragt wurde bei der aktuellen Schulklimabefragung unter anderem die soziale Akzeptanz, wie also Menschen in Abhängigkeit von Wohnort, Geschlecht, Religion, Hautfarbe, Herkunft, Wohlstand der Eltern, Behinderung, Aussehen oder sexueller Orientierung integriert sind - mit den eingangs zitierten Ergebnissen. Dass nicht-heterosexuelle Menschen oft mit Vorurteilen zu kämpfen haben und ausgegrenzt werden, und das besonders an Schulen, hatten zuletzt schon verschiedene Studien nahegelegt. Auffällig bei der jetzigen Befragung ist: Schüler antworteten dabei deutlich kritischer als Lehrer - und Schüler, die sich selbst weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordneten, nahmen die Diskriminierung nicht nur besonders deutlich wahr, sie äußerten sich auch generell kritischer.

Die Ergebnisse der Studie sind unter www.muenchen.de/schulklimabefragung abrufbar. Stimmt der Stadtrat zu, wird es eine nächste Befragung 2022 geben; bis dahin sollen Verwaltung und Schulleitungen klären, wie sie reagieren können. In einer Stellungnahme mahnt die städtische "Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen" bereits, die Stadt müsse die Situation der Betroffenen nachhaltig verbessern. Es brauche eine Strategie, um Vorurteilen schon an der Schule entgegenzuwirken - und damit langfristig in der ganzen Gesellschaft.

© SZ vom 27.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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