Sterne-Lokale im Raum München:Der Preis ist heiß

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Der neue Guide Michelin ist da - und die Sterne-Lokale im Raum München haben ihren Status behalten. Neu in der Liste ist das Tramin in Haidhausen. Doch die Auszeichnung lässt Gastronomen nicht nur jubeln. Je höher Qualität und Preis von Lebensmitteln, desto geringer die Gewinnspanne. Viele Küchenchefs sind auf Nebeneinkünfte angewiesen.

Astrid Becker

Vor ein paar Jahren hatte er einfach genug. Holger Stromberg, der Shootingstar der Spitzenköche, verabschiedete sich aus der Sternegastronomie. Ein Mann, der mit nur 23 Jahren seinen ersten Michelin-Stern, damals im Restaurant Goldschmieding in Castrop-Rauxel, erkocht hatte, drehte sich also einfach um und will von Sternen nichts mehr wissen. Weil er sich getrieben gefühlt habe, so begründete der heute 39-Jährige, der seit langem in München arbeitet, seine Entscheidung. Das habe bereits mit 26 zu ersten körperlichen Schäden geführt, mit 28 habe er sich körperlich ausgebrannt gefühlt.

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Er ist nicht der einzige deutsche Spitzenkoch, der dieses Gefühl erlebt - und die Ursache des Ganzen ist auch nicht allein in den langen Arbeitszeiten zu suchen. 80-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit, Freunde und Familie kommen meist zu kurz - doch das gilt auch für viele andere Köche jenseits des Luxussegments. Aber: Der Druck, der auf Sterneköchen lastet, ist um einiges höher als bei normalen Küchenchefs. Und das hat schon allein ökonomische Gründe. Bauunternehmer Fritz Eichbauer, der sich, wenn man so will, mit seinem "Tantris" einst den Wunsch nach einem Gourmettempel in München, wie er sie aus Paris kannte, erfüllte, begann bereits vor Jahren, auf die größte Schwierigkeit in der Spitzengastronomie hinzuweisen: "Es ist und bleibt ein Zuschussgeschäft."

Tatsächlich kostet die begehrte Auszeichnung mehr Geld, als sie einbringt: Die hohen Kosten resultieren schon allein aus dem hohen Wareneinsatz. Denn prämiert werden vom Guide Michelin - neben der Zubereitung - vor allem die Qualität und die Frische der verwendeten Zutaten. Erstklassige Ware ist aber teuer. Beispiel Trüffel, ein Luxusprodukt, das in der gehobenen Küche nicht fehlen darf: Derzeit hat der Edelpilz Saison, für Premiumqualität liegt der Kilopreis im Moment bei etwa 5000 Euro. Geld, das verdient werden muss.

Echter Kaviar, aus Tier- und Artenschutzgründen international ohnehin fast gänzlich verboten, schlägt mit etwa 8000 Euro zu Buche. Zu den hohen Einkaufskosten gesellten sich zudem noch Pacht, normale Nebenkosten und natürlich die Löhne für viel erstklassiges Personal, sagt Manuel Lechner, Restaurantdirektor in der Käfer-Schänke: "Wenn Sie ein Restaurant mit 40 Plätzen haben, brauchen Sie etwa 20 Köche und bestimmt 15 Leute im Service - mindestens."

"Mit einem perfekten Fünf-Gang-Menü ist es nicht getan"

Lechner hat viele Jahre in der Sternegastronomie gearbeitet, im einstigen Münchner Zwei-Sterne-Restaurant "Am Marstall" zum Beispiel, das heute nicht mehr existiert. Dessen Chefin Bärbel Jacobs hatte ihrem damaligen Küchenchef Bernhard Diers gekündigt. Prompt verlor das Lokal einen Stern und verschwand schließlich ganz vom Markt. Lechner redet über diese Zeiten nicht, aber er weiß genau, wie schwierig es ist, ein Sterne-Niveau dauerhaft zu halten: "Es ist ja nicht damit getan, dem Gast ein perfektes Fünf-Gang-Menü zu servieren."

In diesem Segment kämen noch mehrere Grüße aus der Küche hinzu, ein Sorbet, Pralinés zum Kaffee, das exakte Buchführen über die Vorlieben der Stammgäste, deren persönliche Begrüßung und vieles mehr: "Das alles können Sie jedoch nicht auf die Preise draufschlagen." Deshalb seien auch die Gewinnmargen in der Luxusgastronomie geringer als allgemein gedacht: In der Szene spricht man von drei bis fünf Prozent des Umsatzes, der als Gewinn verbucht werden könne.

Einen Stern zu verlieren, das sei das "Schlimmste", was passieren könne, sagt Lechner, weil eine Abwertung auch immer enorme finanzielle Einbußen bedeute. Bei Michelin ist von fünfstelligen Summen die Rede. Lechner ist heute froh, bei Käfer zu sein: "Ohne Stern, aber auf diesem Niveau zu arbeiten, ist weitaus angenehmer. Und wir wären ohnehin mit unseren 350 Plätzen zu groß dafür: Das kommt bei Michelin nicht gut an - und wäre nicht zu schaffen."

Um ihr Sterne-Niveau kostendeckend halten zu können, suchen viele Köche ihr Heil im Nebenerwerb: Sie schreiben Bücher, geben ihren Namen für Produktreihen her oder treten im Fernsehen auf. Sternekoch Andreas Schweiger, der sich mit einem eigenen, gerade mal 24 Plätze fassenden Lokal, dem "Schweiger2 Showroom" in der Münchner Lilienstraße selbstständig gemacht hat, opfert beispielsweise für derlei Aktivitäten seine gesamte, ohnehin knapp bemessene Freizeit: "Überspitzt gesagt: Würde ich so etwas nicht tun, könnte ich mir mein Restaurant nur schwer leisten." Andere wiederum heuern bei Luxushotelketten an, die Gourmetküche als Marketingstrategie verstehen - wie Christian Jürgens zum Beispiel im Seehotel Überfahrt der Althoff-Kette in Rottach-Egern.

Holger Stromberg hingegen wollte das alles nicht mehr. Im Jahr 2003 gründete er in München eine Cateringfirma, er betreibt eine Kochschule, eine Currywurstbuden-Kette, sein Gasthaus "Kutchiin" und kocht für die Fußball-Nationalmannschaft. Mittlerweile kredenzt er seinen Gästen alles, von Spaghetti Bolognese bis zum Atlantik-Steinbutt: "Damit erreiche ich mehr Menschen als nur mit einer Küche für die oberen Zehntausend."

© SZ vom 09.11.2011/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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