Internet:Kampfansage an die Datenkrake Google

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Das Start-up "Friendly captcha" - hier mit den Unternehmensgründern (v.li.) Benedict Padberg und Guido Zuidhof - will ein Internet ohne Datenverfolgung: Eine Kampfansage an Google. (Foto: Nila Thiel)

Ein ambitioniertes Start-up aus Etterschlag verändert das Internet und wird für den Deutschen Gründerpreis nominiert: Benedict Padberg und Guido Zuidhof setzen auf "Friendly Captcha".

Von Tim Pohl, Wörthsee

"Sind sie ein Mensch?" Wer häufig online Formulare ausfüllt, Anfragen verschickt oder sich einfach nur bei Unternehmen registrieren will, hat diese Frage sicherlich schon häufig lesen müssen. Das Problem ist aber gar nicht die Frage, sondern viel mehr der Weg zur Antwort: Oft denken sich die Programmierer kleine Rätsel aus, die der Nutzer an seinem Computer lösen muss. Entweder wird ein verschnörkelter Zahlencode vorgegeben, den man nur mit Mühe entziffern kann. Oder man wird aufgefordert, auf kleine Bildchen zu klicken, die einen bestimmten Gegenstand zeigen - ein Auto zum Beispiel. Für den Nutzer oft ein nerviges Hindernis, für die Unternehmen aber sind solche Sicherheitsbarrieren relevant: Verhindern sie doch, dass computergesteuerte sogenannte Bots Massenanfragen generieren, die schnell ein System zu Fall bringen können. Doch muss man sich deshalb wirklich mit solchen lästigen Aufgaben herumschlagen?

Wenn man Benedict Padberg und Guido Zuidhof fragt, dann lautet die eindeutige Antwort: Nein. Die beiden Unternehmer sind Gründer des Start-ups "Friendly Captcha" aus dem Wörthseer Ortsteil Etterschlag. Captcha - so heißen die kleinen Rätsel. Friendly, weil man eine nutzerfreundlichere Option schaffen will. Die Idee der beiden: Nicht etwa der menschliche Nutzer muss das Rätsel lösen, sondern der Computer. Der macht das so schnell im Hintergrund, dass der Mensch davon gar nichts mitbekommt.

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Es ist nicht das erste Projekt, an das die beiden Gründer sich in ihrer bisher noch jungen Karriere wagen. Padberg hat bereits im Alter von 14 Jahren sein eigenes soziales Netzwerk programmiert, weil er mit den Datenschutzbedingungen von Facebook nicht einverstanden war. Mit 17 hat er dann sein eigenes Unternehmen gegründet. Damals konzipierte er Internetseiten für Unternehmen und stieß dabei auf ein ähnliches Problem: "Ich musste auf den Websites ein Captcha einfügen, um sie vor Spam- und Bot-Angriffen zu schützen", weiß Padberg. Der Marktführer auf dem Gebiet ist bisher Google. Padberg war jedoch nicht daran interessiert, die technische Lösung von Google auf seinen Seiten zu integrieren - denn auch hier bemängelte er den fehlenden Datenschutz. Die Tätigkeiten der Nutzer seiner Seiten hätten von dem US-Unternehmen nämlich sonst ebenfalls nachverfolgt werden können. Also machte sich der heute 28-Jährige auf die Suche nach einer Alternative und recherchierte.

Zur selben Zeit arbeitete Zuidhof, der aus den Niederlanden stammt, an einem Prototyp des heutigen Produktes. Über einen Blog-Eintrag fand Padberg seinen zukünftigen Kollegen und kontaktierte ihn. Ende 2020 haben sie dann ihr Unternehmen gegründet. Inzwischen haben sie zehn Mitarbeiter, die aus verschiedenen europäischen Ländern stammen und hauptsächlich "Remote" - zu Deutsch in etwa "Fernarbeit", mobil oder ortsungebunden - arbeiten. Dabei haben die beiden ihr Projekt komplett selbst finanziert; Investoren haben sie dafür nicht hinzugezogen.

Vergangenes Jahr hatten insgesamt rund 50 Millionen Nutzer Kontakt mit ihrem Produkt.

Mit ihrer Lösung konnten die beiden schon viele namenhafte Kunden überzeugen: den genossenschaftlich organisierten Unternehmensverbund Edeka, die Europäische Union oder der Online-Händler Zalando wenden die freundlichen Captchas in ihren Online-Formularen an. Insgesamt sollen im vergangenen Jahr 50 Millionen Nutzer in Kontakt mit ihrem Produkt gekommen sein - oftmals ganz unbewusst. "Es ist schön zu sehen, dass wir mit unserem kleinen, fokussierten Produkt so einen großen Einfluss auf das Leben vieler Menschen haben", erklärt Zuidhof.

Doch den beiden geht es um noch viel mehr, sie wollen nicht allein die kleinen Rätsel aus dem Internet verbannen. "Wir wollen das Internet zu einem faireren und frei zugänglichen Ort machen", erläutert Padberg. Denn was viele nicht bedenken: Menschen mit Einschränkungen könnten durchaus ihre Probleme mit den scheinbar einfachen Rätseln bekommen. Wer beispielsweise blind ist, hat vermutlich große Schwierigkeiten, ein Auto auf dem Bildschirm anzuklicken. "Selbst meine Eltern haben manchmal Probleme mit den traditionellen "Ich bin kein Roboter"-Tests am Computer", fügt Zuidhof hinzu. "Es kann so viel einfacher für so viele Menschen sein."

Allein die Nominierung gilt den beiden Jungunternehmern als Bestätigung

Außerdem: "Wir stehen in einem direkten Konkurrenzkampf mit Google - und wir gewinnen an Raum", betont Zuidhof. Die US-amerikanische Datenkrake sei zwar noch immer Marktführer auf diesem Gebiet. Doch mit ihrer Aufholjagd wollen die beiden Jungunternehmer eine Inspiration sein: "Wir wollen den Programmierern in Europa zeigen, dass es sich lohnt, gegen die großen amerikanischen Firmen anzutreten."

Für ihre Arbeit könnten sie nun belohnt werden: Beim Wettbewerb um den renommierten Deutschen Gründerpreis haben sie es bis ins Finale geschafft. Allein schon die Nominierung für den Preis, der im September verliehen wird, sieht Padberg bereits als Motivation und Bestätigung: "Es lohnt sich Probleme mit unternehmerischem Geist anzupacken. Gleichzeitig sehen wir, dass jeder einen Unterschied machen kann - egal, wie klein oder groß die Firma sein mag."

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