Die Klimaforscher sind sich einig: Global gesehen war 2023 das bislang wärmste Jahr seit Bestehen des weltweiten Beobachtungsnetzes. Gleiches gilt für die Durchschnittstemperaturen der deutschland- beziehungsweise bayernweiten Messstationen. Auf dem Hohen Peißenberg aber hat es ganz knapp nicht für einen neuen Rekord gereicht: Den Daten des Meteorologischen Observatoriums zufolge reiht sich dort das vergangene Jahr mit einer Mitteltemperatur von 9,2 Grad auf Rang zwei in der 243 Jahre umfassenden Messreihe ein. Platz eins nimmt weiter 2022 mit 9,3 Grad ein.
Auf dem fast 1000 Meter hohen Berg reichen die Aufzeichnungen 100 Jahre weiter zurück als die deutschlandweit erfassten Werte - doch nur das Jahr 1810 konnte sich bis ins 21. Jahrhundert in der Spitzengruppe halten. Vor 16 Jahren berichtete die SZ, dass sechs der bis dato acht wärmsten Jahre auf dem Hohen Peißenberg in den Zeitraum von 1987 bis 2007 gefallen waren. Gemeinsam mit 1994, 2000 und 2003 belegte 1810 damals mit einer Durchschnittstemperatur von 8,2 Grad noch den ersten Rang. 2011 und 2014 erreichten 8,5 Grad, doch schon 2016 wurde mit 8,9 Grad ein neuer Rekord aufgestellt. Inzwischen liegen 2022, 2023 und 2020 (9,0 Grad) in der Statistik vorn. Da bleibt kein Zweifel, dass die Klimaerwärmung im Alpenvorland besonders rasch voranschreitet.
Ein weiteres Indiz dafür sieht Wetterbeobachter Siegmar Lorenz in der Häufung der 2023 beobachteten Extrema: Am 2. Januar verzeichnete man am Observatorium mit 18,1 Grad die höchste Januartemperatur überhaupt. Am 11. Juli wurde auf dem Hohen Peißenberg mit 33,6 Grad der zweithöchste Temperaturwert seit Beginn der Aufzeichnungen 1781 gemessen. In den Annalen findet sich kein wärmerer September als der des vergangenen Jahres. Der Juni fiel 2023 trockener und sonniger aus als je zuvor, dafür war der November der nasseste seit Beginn dieser Messreihe 1879.
Elf der vergangenen zwölf Monate fielen wärmer aus, als die Statistik erwarten ließe, nur der April tanzte mit einer negativen Abweichung von 0,6 Grad aus der Reihe. Auf der anderen Seite übertrafen Juni, September und Oktober das langjährige Monatsmittel jeweils um mindestens vier Grad. Bemerkenswert auch, dass 2023 auf dem Hohen Peißenberg das Thermometer nie auf zweistellige Minustemperaturen sank. Dem Jahresminimum am 8. Februar von minus 9,4 Grad steht ein Maximalwert von 33,6 Grad am 11. Juli gegenüber.
Während auf dem Hohen Peißenberg die Jahresmitteltemperatur nicht ganz das Vorjahresniveau erreichte, war es im 300 bis 400 Meter niedriger gelegenen Fünfseenland umgekehrt: Die agrarmeteorologischen Stationen in Rothenfeld und auf Gut Hüll verzeichneten 2023 mit zehn Grad beziehungsweise 10,5 Grad neue Höchstwerte; die Statistik reicht an beiden Standorten allerdings nur bis 1991 zurück. Auf Gut Hüll wurde am 19. August sogar eine maximale Temperatur von 40 Grad registriert, während der Höchstwert in Rothenfeld 34,5 Grad betrug.
Alle Wetterstationen im Alpenvorland verzeichneten im vergangenen Jahr überdurchschnittliche Niederschlagsmengen. Am Observatorium Hohenpeißenberg fielen 2023 1350 Liter pro Quadratmeter, zwölf Prozent mehr als im langjährigen Mittel. November und Dezember erfüllten ihr Soll gleich dreifach respektive doppelt: Für die zuletzt oft strapazierten Grundwasserreservoire im Alpenvorland ein nasser Segen.