Hier geht es also los: An der unscheinbaren T-Kreuzung werden die Fahrer auf das Zeichen warten, und unten wird Andreas Heb mit seiner Fahne stehen. Dann das Signal! Die Klappen an den Rampe sausen nach unten und dann werden sich die Fahrer mit ihren Gefährten nach unten stürzen. 80 Meter, dann kommt die erste Kurve. 90 Grad nach rechts. Für manche Teilnehmer ist das Rennen hier schon vorbei. Für die übrigen geht es auf der nächsten Geraden weiter. Knapp 100 Meter. Welche Kiste läuft besser? Oft entscheidet sich hier der Wettkampf. Und wenn nicht hier, dann in der nächsten Linkskurve. Wieder 90 Grad. Die Dellen im Zaun des angrenzenden Grundstücks erzählen davon, dass auch diese Kurve nicht jeder meistert. Und dann die Zielgerade - noch 40 Meter zur Entscheidung. Etwa 220 Meter insgesamt mit knapp 25 Sekunden vollem Adrenalin-Schub.
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Nur noch wenige Tage sind es bis zum Unterbrunner Seifenkistenrennen am Samstag, 25. Juni. Andreas Heb und sein Sohn Alexander laufen schon einmal die Strecke ab. Heb ist zusammen mit Hermann Geiger und der Unterbrunner Jugendfeuerwehr Organisator des Rennens. Das ist kein Zufall, denn die Rennstrecke liegt mehr oder weniger direkt vor der Haustür. Irgendwann stand Heb mal vor seinem Grundstück, blickte die Straße in seinem Dorf hinab, und dachte sich das, was man halt so denkt, wenn man eine Straße sieht, die bergab geht: "Mensch, warum sollte man hier nicht mal mit einer Seifenkiste runterfahren?"
2011 fand das erste Rennen statt, seitdem wird alle zwei Jahre nach klaren Regeln gefahren: Es gibt zwei Klassen, einmal Kinder und Jugendliche von sieben bis 15 Jahre sowie die Erwachsenen ab 16 Jahren. Pro Klasse treten 16 Starter an. "Dann können wir ein schönes K.o.-System fahren", erklärt Heb.
Dabei treten immer zwei Fahrer gleichzeitig an. Wer rausfliegt, hat noch eine zweite Chance in der Trostrunde. Auch die Fahrzeuge müssen klaren Standards entsprechen: Professionell gebaute Seifenkisten oder Ketcars mit Antriebshilfe, also Kette, sind nicht zugelassen. An erster Stelle aber steht die Sicherheit. Deshalb werden die Fahrzeuge vor dem Start geprüft. Entspricht eine Kiste nicht den Sicherheitsstandards, muss nachgebessert werden.
Auch sonst achten Heb und die anderen sehr auf den Schutz der Fahrer. Die Strecke ist mit Matratzen und Strohballen abgegrenzt, falls jemand aus der Kurve fliegt. "Da kann eigentlich nichts Schlimmes passieren", sagt Heb. 25 bis 28 Stundenkilometer schaffen die Kisten. "Das ist wahnsinnig schnell", erklärt Heb, zumal die Fahrer nur wenige Zentimeter über dem Boden sitzen.
Heb selbst wird beim Rennen nicht mitfahren, die Organisation des Events bindet ihn zu sehr. Dafür hat sein Sohn Alexander sein Gefährt bereits für das Wochenende vorbereitet. Die meisten Teile davon sind recycelt: Der Lenker ist von Alexanders altem Mountainbike, die Vorderreifen stammen von einer Schubkarre, die Achse ist eine ausrangierte Kleiderstange. Ein Tennisball vor dem Lenker soll den Aufprall abfedern, falls er mal heftig bremsen muss. "Das ist sozusagen der Airbag", erklärt Andreas Heb.
Als Bremse dient ein Holzklotz mit Gummiende. Die allerdings versucht Alexander so wenig wie möglich zu benutzen. "Sonst gewinnt man ja nicht", sagt er - und grinst. Aber allein um den Sieg geht es ihm nicht. Das Fahren und die Rennen machen ihm zwar am meisten Spaß, erzählt er, auch der Bau der Fahrzeuge sei schön. Neben seinem Papa hat er mit seinem Cousin an der Kiste geschraubt. Auch seinem Vater Andreas Heb gefällt das gemeinsame Tüfteln. "Miteinander entsteht etwas", sagt er.
Ein Grundsatz, der für die Ursprünge von Seifenkisten eine Rolle spielt, als Väter und Kinder zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Taunus versuchten, Miniaturversionen der damals aktuellen Rennwagen nachzubauen. Der Name Seifenkiste kommt übrigens aus den USA: Ein amerikanischer Journalist berichtete über eine Gruppe Jugendliche, die für ihre Gefährte Kisten verwendeten, in denen zuvor Käse und eben Seifen transportiert worden waren.
Auch Mutter Alexandra Heb macht der Bau der kleinen Fahrzeuge großen Spaß. Gemeinsam mit Rebecca Möcks hat sie mit den Kindern und Jugendlichen der Jugendfeuerwehr eine Jubiläumskiste gebaut, die eigentlich zum Zehnjährigen im vergangenen Jahr an den Start hätte gehen sollen. Aber wegen der Pandemie wurde das Rennen notgedrungen auf 2022 verschoben. Insgesamt 20 Kinder haben an der roten Kiste gebaut, die Platz für zwei Personen bietet und durchaus ein Kandidat für den Preis der originellsten Kiste sein könnte: Auch diese Auszeichnung wird am Renntag per Zuschauervotum verliehen. Auf der Strecke war aber auch zum Beispiel schon mal ein Maibaum unterwegs, ein Minion oder eine Tortenfee.
Überhaupt ist die Veranstaltung in Unterbrunn nicht einfach nur ein Seifenkistenrennen: Es gibt Essen und Getränke, eine Hüpfburg und eine Live-Moderation. Bis zu 800 Zuschauer waren bei den vorherigen Veranstaltungen dabei, und weil die meisten von ihnen im Kurvenbereich stehen, gibt es sogar Bildschirme, auf denen das Geschehen vom Rest der Strecke übertragen wird.
Das alles erfordert einen Aufwand, den die Organisatoren nicht alleine stemmen können. Deswegen gibt es viele Helfer aus dem Ort. "Das Schöne ist, dass eigentlich alle mitmachen", erzählt Alexandra Heb. Am Vortag des Rennens gibt es ein Warm-Up, bei dem man entweder schon mal eine Testfahrt absolvieren oder einfach nur für ein Bier vorbeikommen kann. Und sollte es am Renntag technische Probleme mit einer Kiste geben, helfen sich die Fahrer gegenseitig. Ernst wird es nur auf der Strecke: 220 Meter, knapp 25 Sekunden Adrenalin.
Das Unterbrunner Seifenkistenrennen findet am Samstag, 25. Juni, ab 14 Uhr statt. Es gibt noch freie Starterplätze. Alle Infos zu Anmeldung und Ablauf unter http://www.unterbrunner-seifenkistenrennen.de/ .