Konzert:Wenn die Jubilarin selbst singt

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Karl Maureen gehört zu den bedeutendsten Schülern des großen Orgelvirtuosen Karl Richter. (Foto: Nila Thiel)

Vor 40 Jahren wurde die Sandtner-Orgel in der Tutzinger Kirche St. Joseph geweiht. Zum Jubiläum lässt Karl Maureen das Spitzeninstrument in seinem Farbenreichtum erklingen.

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Sie ist das Opus 115 des Dillinger Orgelbauers Sandtner. Und mit ihren 44 Registern, drei Manualen und Pedal sowie sechs Koppeln (Querverbindungen) und einer Setzeranlage zur Registerprogrammierung gehört die Orgel von St. Joseph in Tutzing zu den größeren Spitzeninstrumenten. Dass nun zum 40. Jahrestag der Orgelweihe Karl Maureen (Jahrgang 1938) am Spieltisch saß, war kein Zufall: Er hat 1984 das Kleinod mit einem Konzert eingeweiht. Ein Privileg der Orgelsachverständigen der jeweiligen Diözese (hier Augsburg).

Die Qualität einer Orgel liegt natürlich nicht nur in der Anzahl der Register, sondern vor allem in der Disposition, also der klanglichen Zusammenstellung der Register, die hier vom deutschen Barock bis zur farbenreichen französischen Orgelsymphonik opulente Möglichkeiten bietet, damit aber auch der zeitgenössischen Musik reichlich Material an die Hand gibt. Wie sonst bei der Orgelweihe üblich, wählte Maureen auch zum Orgelgeburtstag ein Programm, das weniger seiner Virtuosität freien Lauf lassen, sondern der Demonstration des Farbenreichtums der Orgel dienen sollte. Damit verbunden kamen also weniger anspruchsvolle Werke von teils kaum bekannten Komponisten zum Zug. Etwa gleich zu Anfang die "Suonatina in Fa" eines um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Italien wirkenden Padre Davide da Bergamo. Eine überaus effektvolle Miniatur mit bravourösen Einlagen, die Maureen die Möglichkeit bot, mit einer orchestralen Registrierung in starken Kontrasten eine festliche Eröffnung zu kreieren.

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Bachs Adagio F-Dur BWV 156, melodiöses Mäandern über einer pulsierenden Begleitung wie im Mittelsatz des "Italienischen Konzerts", führte dann in die sinnierende Warmtonigkeit der deutschen Barockorgel mit gedackten Registern von weicher Ansprache. Dem Kontrastprinzip folgend musste dann einfach die französische Opulenz dagegen gesetzt werden. Der Wegbereiter der französischen Orgelsymphonik ab Mitte des 19. Jahrhunderts, Louis Lefébure-Wély, gab mit seinem beschwingt rhythmisierten "Marche F-Dur" genug Gelegenheiten, klanglich und in der Substanzfülle aus dem Vollen zu schöpfen. Zu den Qualitäten von Karl Maureen, der zu den bedeutendsten Schülern des großen Orgelvirtuosen Karl Richter gehört, gilt eben nicht nur virtuoses Spiel, sondern vor allem auch das Einfühlungsvermögen in die Klangwelten der jeweiligen Epoche, das ihn zu den bedeutenden Meistern im Fach der historischen Aufführungspraxis vor allem der Renaissance und des Barocks avancieren ließ.

Überraschend war die Wendung zu den unterhaltsameren Stücken

Dieses Gespür war in den bereits genannten Werken leicht herauszuhören, zeigte sich aber auch in den feinen Nuancen, etwa im E-Dur-Adagio des schwäbischen Benediktiners Franz Bühler, der 1801 Domkapellmeister in Augsburg wurde. Seine geschmeidige Melodik kontrastiert mit einem liedhaften Teil verlangte viel Fingerspitzengefühl, um ihren Reiz preiszugeben. In diese Kategorie gehörten ferner zwei Werke aus dem 20. Jahrhundert. Zum einen die "Anrufung voll Freude" der US-Amerikanerin Lani Smith, der Maureen mit farbenreichen Bläserregistern Heiterkeit in Moll bescherte, zum anderen eine überaus feinsinnig changierende "Suite Carmelite" des Franzosen Jean Françaix, die mit einer Vielzahl an Stimmungen und Ausdrucksnuancen den Klangzauberer auf den Plan rief. Bezaubernd vor allem das lyrisch versponnene "Mère Marie de Incarnation" mit einer zart strahlenden Melodiestimme. Überraschend war die Wendung zu den unterhaltsameren Stücken, unter die sich noch aus dem 19. Jahrhundert Giovanni Morandis tänzerisch beschwingtes und heiteres "Postcommunio" verirrte.

Sonst ging es um den Einfluss des Jazz auf die Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Zsolt Gárdonyi ("Mozart changes"), Timothy Blinko (Spiritual "Free the spirit"), Betty Roe ("Bishops Blues") und Margaretha Christina de Jong ("Capriccio in Jazz"). Keine Frage: Auch hier bestach die Sandtner-Orgel mit Varianten, die mit wie auch immer besetzten Combos absolut konkurrieren konnte, bis hin zum fetzigen Schmetterblech im Capriccio-Finale.

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