Ausstellung:Gesellschaftskritik im Kleinformat

Lesezeit: 3 min

In ihrem Malstil ließ sich Mathilde von König-Tardif nicht von ihrem Mann beeinflussen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Parallel zur Leo-König-Ausstellung in Bernried sind die Bilder seiner Frau Mathilde von König-Tardif im Tutzinger Heimatmuseum zu sehen.

Von Katja Sebald, Tutzing

Beinahe wäre die Malerin Mathilde von König-Tardif für immer in Vergessenheit geraten. Knapp 70 ihrer eigenwilligen kleinformatigen Bilder haben sich erhalten. Nur wenig ist über ihr Leben bekannt. Andreas Hoelscher, der ihren Nachlass verwaltet, hat ihr nun im Tutzinger Ortsmuseum eine Ausstellung mit dem Titel "Panoptikum der Gesellschaft um 1900" gewidmet. Sie findet parallel zur großen Werkschau ihres Mannes Leo von König im Buchheim-Museum in Bernried und nur ein paar Schritte entfernt vom Grab ihrer einzigen Tochter, die zuletzt in Tutzing lebte, statt.

Mathilde Tardif wurde 1872 in Marseille geboren. Von 1894 an besuchte sie, ungewöhnlich genug für diese Zeit, als ledige Mutter eines 1892 geborenen Kindes, die Damenklasse der Académie Julian in Paris. Dort lernte sie den Maler Leo von König kennen, mit dem sie zu Malaufenthalten in die Bretagne reiste und der ihr mehrmals eine Beteiligung an den Ausstellungen der Berliner Secession vermittelte. 1907 heiratete das Paar, Leo von König adoptierte die Tochter seiner Frau. Man lebte nun in Berlin, ließ sich eine Villa bauen, nahm am gesellschaftlichen Leben teil, pflegte Freundschaften mit dem Kunstkritiker Julius Meier-Graefe und dessen Frau Anna, mit dem Schriftsteller Gerhart Hauptmann und mit der Kunstförderin Ida Dehmel. Als Malerin trat Mathilde Freifrau von König-Tardif während ihrer Ehe nicht mehr in Erscheinung. 1920 ließ sich ihr Mann scheiden, um seine deutlich jüngere Schülerin Anna von Hansemann zu heiraten. Die Beziehung zu seiner ersten Frau brach er jedoch nie ganz ab.

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Mit ihrer Tochter und deren Mann, dem Maler Walter Becker, zog Mathilde von König-Tardif 1923 nach Südfrankreich. Sie begann wieder zu malen, vollzog einen durchgreifenden Stilwandel. Noch einmal nahm sie an einer Ausstellung teil. Im Mai 1929 reiste sie nach Deutschland und beging auf dem Gut der Familie von König Selbstmord.

So sehr sich Mathilde von König-Tardif auch nach der Scheidung ihrem Mann verbunden fühlte und so sehr sie unter ihm litt, ihr Werk entstand völlig unabhängig von seinem Vorbild. Früh entwickelte sie eine eigene Bildsprache, stilistische Bezüge lassen sich bei den Symbolisten und in der Malerei des Jugendstils finden. Stets blieb sie im kleinen Format, arbeitete auf Papier in verschiedenen Mischtechniken und kombinierte auf eigenwillige Weise zeichnerische und malerische Vorgehensweisen. Ungewöhnlich sind aber vor allem die Themen, denen sie sich widmete: Jedes ihrer intimen kleinen Blätter ist eine fein beobachtete, oftmals humorvolle, meist aber auch messerscharfe Gesellschaftskritik.

Andreas Hoelscher konzipierte die Ausstellung. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

So malte sie etwa 1899 in schönsten Jugendstilformen ein Brautpaar, elegant, glücklich und sehr verliebt. Im Hintergrund aber lauert bereits riesig groß und drohend die böse Schwiegermutter. Den alternden Dandy, den lüsternen Kavalier und den humorlosen Kunstkritiker bannte sie ebenso gekonnt aufs Papier wie die selbstgefällig-scheinheiligen Vertreter der Geistlichkeit und einen wichtigtuerischen Dorfbürgermeister. Sie stellt den Begräbniszug für ein Kind dar und hält den Schmerz in den Gesichtern der Eltern fest. Ein totes Kind und die trauernde Mutter am Bett, auf dem nächsten Blatt zwei weinende Kinder am Bett ihrer toten Mutter. Eine bedürftige Familie, die um Almosen bettelt, daneben die reiche Frau, die mit erhobenem Haupt ihre beiden Töchter rasch an diesem Elend vorbeizieht.

Immer wieder sind Krankheit, Armut, Obdachlosigkeit, Alter, Tod und Todesahnung die Themen von Mathilde von König-Tardif. Aber auch die Halbwelt, Vergnügungslokale, Separées und Manegen, Tänzerinnen und Prostituierte, Artisten und Clowns üben eine große Faszination auf sie aus. Und immer geht sie ganz nahe an das Geschehen heran, sie blickt hinter Masken und Fassaden, es sind die Gesichter, die sie besonders interessieren.

"Brautpaar mit Schwiegermutter" aus dem Jahr 1899. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
"Das kranke Kind" heißt dieses Bild. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Auch das Alter hat die Malerin thematisiert. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Erst in ihren letzten Lebensjahren, wohl nach einer langen Schaffenspause, änderte Mathilde von König-Tardif ihren Malstil. Die in Südfrankreich entstandenen Bilder sind naive Darstellungen von biblischen Themen oder aber kleine, ebenso heitere wie merkwürdige Panoramen des Lebens in der Provinz. Hoelscher, der sich intensiv mit dem schmalen Werk der Malerin und den wenigen Nachrichten zu ihrem Leben beschäftigte, vermutet, dass Mathilde von König-Tardif zuletzt auch Geldsorgen hatte und sich diese kleinen, auf Holztafeln gemalten Bilder gut verkaufen ließen. Aber auch in diesen letzten Bildern erweist sie sich als aufmerksame Beobachterin mit viel Gespür für die Abgründe des menschlichen Seins. Wie schön, dass diese Malerin nun noch einmal gewürdigt wird.

Die Ausstellung "Panoptikum der Gesellschaft um 1900" von Mathilde von König-Tardif ist noch bis zum 19. Mai immer mittwochs, freitags, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr im Ortsmuseum Tutzing an der Graf-Vieregg-Straße 14 zu sehen.

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