Tutzing:Hochzeitsbräuche damals und heute

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Bei der Vernissage zu 'Liebe vergeht, Tagwerk besteht' zeigte die Kindertanzgruppe der Tutzinger Gilde, was sie kann. (Foto: Arlet Ulfers)

Liebe ist schön und gut. Aber eine ordentliche Aussteuer war immer schon wichtig, wie die Ausstellung im Ortsmuseum in Tutzing über Hochzeitsbräuche im 19. Jahrhundert zeigt. In gewissen Punkten ist sie auch heute noch aktuell.

Von Wolfgang Prochaska, Tutzing

24 Mass Bier tranken die fünf Fuhrleute. Die sechs Musiker leerten insgesamt 16 Masskrüge. Bei den Vorbereitungen zur Hochzeit wurden 15 Mass gebraucht. Und am Morgen bei der Frühsuppe durchliefen 41 Mass Bier die Kehlen. Nicht zu vergessen die fünf Eimer Bier für die 51 Hochzeitsgäste und natürlich der Schnaps. Heiraten machte schon immer Durst. Und war teuer. Damals wie heute.

Den Beweis liefert eine Hochzeitsrechnung aus dem Jahr 1844. 214 Gulden und 29 Kreuzer kostete die Sache. Das Brautpaar nahm 244 Gulden und 38 Kreuzer als Mahlgeld ein. "Die große Bauernhochzeit war keine billige Sache. Dem Ansehen der Familien entsprechend wurde dabei der Not kein Schwung gelassen", heißt es in der Erläuterung zu jener Hochzeitsrechnung, die im Tutzinger Ortsmuseum im Rahmen der Ausstellung "Liebe vergeht, Tagwerk besteht" bis 17. September zu sehen ist. Natürlich hat die Thematik ihren Grund in der Tutzinger Fischerhochzeit, die am 1. und 2. Juli in der Gemeinde groß gefeiert wird.

Das Brautkranzl im Vordergrund ist mit Perlen bestickt. Es stammt aus dem reichen Fundus der Tutzinger Gilde. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Tutzinger Gilde hat die Exponate zusammengetragen. Wie die Vorsitzende Carola Falkner berichtete, war es gar nicht so einfach. Denn bislang hat keiner der Mitglieder eine Ausstellung organisiert. Da war guter Rat teuer. So machte man sich erst in der Staatsbibliothek in München über alte Hochzeitsbräuche in Bayern kundig, ehe man loslegte, was hieß: Man sah im eigenen Fundus der Gilde nach, etwa bei der Kleidung und den Trachten, und bezog auch Kulturreferentin Brigitte Grande mit ein.

Die Prämisse war ja, dass man den Besuchern auf eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert mitnehmen wollte, also in jene Zeit, in der auch die fiktive Fischerhochzeit spielt und in der nicht die Liebe an erste Stelle stand, sondern das Diridari, also das Geld. Daher auch der Titel der Ausstellung. Gleichzeitig sollten spannende Einblicke in damalige Tutzinger Hochzeitsbräuche gegeben werden. Aufgelockert werden sollte die Ausstellung durch wertvolle Stücke aus dem Trachtenfundus der Gilde.

Bis alles den eigenen Ansprüchen genügte, mussten Falkner und ihre Leute noch einiges erledigen. Altbürgermeister Peter Lederer machte sich dadurch verdient, dass er den Ehevertrag, der in Sütterlin geschrieben war, "übersetzte". Besondere Probleme machten die Puppen, denen die Trachten gar nicht so recht passen wollten.

Heiraten ist teuer. Damals wie heute. Denn zur Hochzeit gehören wertvolle Schmuckstücke. (Foto: Arlet Ulfers)

"Die Schaufensterpuppe, die wir zuerst hatten, hatte eine Haltung wie Heidi Klum", erzählte Falkner. Es sei nicht möglich gewesen, ihr die Tracht anzuziehen. Erst eine alte Puppe, die im Lager der Gilde lag, war so gebaut, dass die Tracht für die Braut passte. Bei der Herrenpuppe wiederum war die alte Lederhose zu eng; als man eine weitere probierte, passte diese nicht, weil sie zu groß war. "Wir haben dann was reingestopft, und es hält."

Die Ausstellung im kleinen Museum ist so konzipiert, dass der Besucher erst einmal die damalige Geschichte Bayerns kennenlernt. Der zweite Teil ist dem Schmuser und seinen Geschichten gewidmet. Das Brautpaar mit Tracht und Schmuck stellt den dritten Teil dar und vermittelt sehr gut den damaligen Zeitgeschmack. Besonders interessant und wertvoll sind die Schmuckstücke, die die Braut trägt, also die mit Perlen bestickte Brautkrone etwa.

Der Aussteuerschrank der Braut muss voll sein, damit die Hochzeit gelingt. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Besondere am damaligen Liebeshändel war ja, dass der älteste Nachkomme eine Braut brauchte, die eine ordentliche Mitgift in die Ehe brachte, um die anderen Geschwister auszahlen zu können. Der Ehevertrag, der auch zu sehen und zu lesen ist, spricht dafür Bände.

Die Tutzinger Gilde hat Basisarbeit geleistet

Der schnöde Mammon setzte sich fort mit dem vollen Kleiderschrank, den die Braut als zusätzliche Aussteuer vorweisen konnte. Ein wohlgefüllter Bauernschrank gehört zur Ausstellung wie auch die Ausstattungsgegenstände zur Taufe. Die Braut eines Großbauern musste mindestens 25 Pfund Wachs haben, um geehelicht zu werden. Der Wachsstock war eigens ein Geburtstagsgeschenk, das während der Trauung angezündet wurde.

Noch wertvollere Stücke legte man zwischen die Leinwandballen des Aussteuerschranks. Sie wurden nie angezündet. Wachs war zur damaligen Zeit ein wertvolles Gut. In den Vitrinen sind entsprechende Stücke zur Taufe zu sehen. Diese wurde einen Tag nach der Geburt zelebriert, damit der neue Erdenbürger kein Heide bleibt.

Sieht man von den alten Bräuchen ab, so scheint sich heute die Heirat wieder an die alten Zeiten anzupassen. Es wird zwar durchaus aus Liebe geheiratet, aber Braut und Bräutigam stammen meist aus der gleichen Peer-Group, sprich Gesellschaftsschicht, wie soziologische Untersuchungen zeigen. Dass die Magd den Sohn des Großbauern heiratet, war damals so unwahrscheinlich wie heute die Kombination von Krankenschwester und Chefarzt. Insofern ist die Ausstellung auf dem neuesten Stand. Die Tutzinger Gilde hat damit Basisarbeit geleistet.

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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