Im Grunde handelt es sich um ein eigenes Genre, auch wenn es als Lesung deklariert war, womit die Evangelische Akademie Tutzing augenzwinkernd ins neue Jahr gestartet ist. Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zur literarischen Lesung ausschließlich geschriebener Sprache. Cartoons sprechen zwei Sprachen zugleich, einerseits die verbale, andererseits die bildliche, die nicht vorgelesen werden kann. Doch die Ausdrucksformen existieren hier nicht unabhängig voneinander, sie müssen vielmehr zugleich gelesen werden, damit die Cartoons inhaltlich einen Sinn ergeben.
Das Cartoonisten-Duo Elias Hauck und Dominik Bauer ist bei seinen Lesungen mit Rollenverteilung und Sprachparodie daher dringend auf die Aufmerksamkeit und Mitarbeit des Publikums angewiesen, damit die Pointen nicht verpuffen. Der fahrig skizzierende Zeichner mit virtuoser Treffsicherheit im Ausdruck ist Hauck und der punktgenaue Texter aus dem Leben gegriffener Unzulänglichkeiten ist Bauer. Sie arbeiten deshalb auch aufs engste zusammen, zumal die Gags nur dann zünden, wenn Text- und Bildaussagen nahtlos verbunden sind, damit auch schon mal ein Bild allein viele Worte ersparen kann. Denn nichts besitzt weniger Witz, als ein Spruch, der sich mühsam erklären muss.
Es mutet zwar schon etwas seltsam an, wenn die Lacher verzögert ausbrechen, weil das Publikum erst die Bilder zu Ende "gelesen" haben muss. Doch die Pointe trifft dann umso sicherer. Wie etwa beim vierteiligen Comicstrip "Im Home-Office". "So, Feierabend!", sagt der Arbeitende am Laptop und fehlt auf Bild drei. Letztes Bild: Wieder am Laptop, aber jetzt mit einer Flasche Bier.
Cartoonisten arbeiten eher selten im Duo, gerade wegen der nötigen Homogenität von Wort und Bild. Aber die beiden Alzenauer aus Unterfranken des Jahrgangs 1978 haben sich nicht suchen müssen. Die gemeinsame Schulzeit führte sie zusammen. Und da die ersten Einsendungen an die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 2003 auf Anhieb von Erfolg gekrönt waren, stellte niemand die Konstellation infrage. Es folgten Veröffentlichungen in Titanic, Süddeutscher Zeitung, Apotheken Umschau und anderen Medien. In der WDR-Sendung "Anke hat Zeit" von Anke Engelke sind ihre Cartoons als Bilderstapel animiert. Inzwischen brachten Hauck & Bauer schon mehrere Bücher heraus.
Kurze Comicstrips verwenden Hauck und Bauer am liebsten
Der Schwerpunkt der Lesung der Sonntagsmatinee in Tutzing lag auf der jüngsten Neuerscheinung im Verlag Antje Kunstmann mit dem reißerischen Titel "Das schlechtestverkaufte Buch der Welt". Dabei sind die Cartoons erstklassig: Nicht nur, weil ihr Witz originell ist, sondern weil die Inhalte von guter Beobachtungsgabe und ausgeprägtem Gespür für gesellschaftskritische Hintergründe zeugen.
Wie etwa beim Spaziergang von Großvater und Enkel. Da sagt der Enkel entschlossen: "Wenn ich groß bin, will ich Arzt werden." Der Großvater ist erfreut: "Das hört der Opa aber gern!". Dann tätschelt der alte Mann seinen Enkel: "Da kann ich immer zu dir kommen, wenn mir was weh tut." Darauf der Enkel: : "Bist du gesetzlich oder privat versichert?"
Kurze Comicstrips verwenden Hauck und Bauer am liebsten, allerdings ohne Geräuscheffekte wie "wummms" oder "snieeef". So können auch komplexere Aussagen getroffen werden und eben auch Bilder ohne Text ihre Wirkung entfalten. Was nicht heißen soll, dass die beiden Schelme nicht auch mit nur einer Einstellung auskommen. Wie etwa mit der Szene vor Gott, der gerade mit seinem Sündenbuch zum Empfang ansetzt.
Doch der mürrische Ankömmling kommt ihm mit einer Beschwerde zuvor: "Ich hatte eigentlich keine lebensverlängernden Maßnahmen gewünscht." Eine solche Schlagfertigkeit ist bei einer Lesung allerdings gefährlich: Der Vortrag darf nicht im Geringsten holpern. Das verzeihen Cartoons nicht. Das Publikum aber schon. Dem Buchtitel zum Trotz dürfen hier einige Exemplare einen neuen Besitzer gefunden haben.