Gastronomie in Tutzing:Mit dem Vorschlaghammer zur Pizza-Waffel

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Verena Goslich ist Geschäftsführerin von "Hin & weg - Speise um die Welt". Ihr Ehemann Sebastian ist Urenkel des Konditormeisters Hans Hofmair, der das Haus 1928 kaufte. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In liebevoller Kleinstarbeit haben Verena und Sebastian Goslich das frühere Café Hofmair in ein charmantes Bistro verwandelt . An diesem Mittwoch gehen erstmals wieder Kaffee und Speisen über die Ladentheke.

Von Viktoria Spinrad, Tutzing

Tutzing, Hauptstraße 29, der letzte Freitag im Oktober. Zwei Seniorinnen blicken durch die Scheibe des Hofmair-Hauses. Vielleicht sehen sie die helle Theke, die Kaffeemaschine, die Kakteen, den Globus, salbeifarbene Sockel, die Hängelampen. Eine macht ein paar Schritte zur Seite, hin zum Holzschild neben dem Eingang und reckt den Kopf hoch. Langsam liest sie vor: "Hin und weg - Speise um die Welt. Schön!", sagt sie. "Habt's ihr heut Eröffnung?", ruft die eine. "Am Mittwoch", erklärt Verena Goslich. "Da freuen wir uns aber!", ruft die andere.

Drinnen, hinter den Jahrhunderte alten Wänden, liegen noch Kabel. Ein Bautrockner brummt, von der Decke fällt ab und zu eine Dämmplatte aus Schaumstoff. Dazwischen wuseln Verena und Sebastian Goslich. Der 35-Jährige ist der Urenkel von Hans Hofmair, dem Betreiber der einst legendären Café Hofmair. 36 Jahre lang war das Haus an andere Gastronomen verpachtet. Nun soll hier ein neues kulinarisches Kapitel in Familienhand losgehen. Mit nachhaltigem Pfandsystem, einrahmenden Kakteen und kreativen Speisen wie Pizza-Waffeln. "Internationales Feelgood-Food", sagt die 34 Jahre alte Gastronomin und Geschäftsführerin. "Das Einzige, was hier noch von früher steht, sind die alten Wände", sagt er, der Ingenieur.

Das Haus wurde 1913 erbaut. Gegründet und über zwei Generationen geführt hat es die Familie Hofmair. Hans Hofmair, der später Vizebürgermeister war, kaufte es 1928. Auf ihn folgte sein Sohn Hans Hofmair, der es bis 1985 zusammen mit seiner Frau Margarete führte. (Foto: privat/oh)

Ein Besuch, fünf Tage vor der Eröffnung. Im generalsanierten Jugendstilhaus gegenüber vom "Tutzinger Hof" schildern Verena und Sebastian Goslich die turbulente Genese des neuen Bistros, das Tutzing von diesem Mittwoch an bereichern soll. Mit wöchentlich wechselnder Mittagskarte von jeweils vier internationalen Gerichten: Suppe, Vegetarisch, Fleisch - und einem Waffelgericht. "À la minute", sagt sie, keiner soll lange warten müssen. "Trotzdem frisch", sagt er.

Damit tut sich im Ort eine kulinarische Nische für Experimentierfreudige auf, die schnell, aber leicht und gesund satt werden möchten. Wobei es zur Konkurrenz nicht weit ist: Gleich um die Ecke verkauft Metzger Oliver Lutz seine eher gutbürgerlichen Mittagsgerichte, die Straße runter bekommt man im Café Erin alles von Kuchen zu Käsespätzle, und auch an der Ecke zur Traubinger Straße gibt es mehrere Lokale. Nach Waffeln mit Pizza- oder Flammkuchen-Belag sucht man hier allerdings vergebens.

Der alte Globus vom Großvater hat einen Ehrenplatz im Café bekommen. Zugleich ist der Blick auf die Welt Programm: In der Küche soll es international zugehen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Verena Goslich deutet auf einen Globus, der oben auf einem Brett an der Wand steht. Speise um die Welt? Sie selbst ist viel und weit gereist, Europa, Südafrika, Mauritius, Australien. Das soll auch die Küche bereichern. Sobald das Service-Team noch etwas weiter ausgebaut ist, soll auch Freitagabend und am Samstagabend geöffnet sein, mit internationalen Tapas und Drinks. Zudem ist geplant, dass die Räume für private Events wie Weihnachtsfeiern gebucht werden können, für bis zu 35 Personen. Die entsprechende Service-Erfahrung hat Verena Goslich aus einer Zeit, als sie unter dem Profikoch Wolfgang Weigler tätig war.

Verena Goslich, 34, hat während ihres Studiums "Internationale Wirtschaftskommunikation" Erfahrung in der Gastronomie gesammelt - unter anderem beim Profikoch Wolfgang Weigler. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sie hat es sich an einem der kleinen Holztische gemütlich gemacht. Eine Frau inmitten eines Lebenswerks, zwischen hellen Holztischchen, schimmernden Hängelampen und schwarzen Lüftern. "Scandustrial" nennen sie das hier - also eine Mischung zwischen skandinavischer und industrieller Optik. Es sind kleine Hommagen, wie ein alter Messingtopf und Plätzchenausstecher an der Wand, die an das vibrierende Vorleben dieser Räume erinnern. An die Zeit, als erst der Urgroßvater und dann der Opa von Sebastian Goslich hier mit dem plüschigen Café Hofmair einen In-Treffpunkt mit brummender Konditorei betrieben, samt Stammtischen, Skat- und Schachrunden.

Sandra Luszka, 31 (links), ist ausgebildete Köchin. Sie wird sich kreativ in der Küche ausleben. Mit Speisen, "die man sonst nicht bekommt", sagt sie. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

37 Jahre nach dem Ende dieser Ära macht hier die dritte Hofmair-Generation den Kaffee. Wobei der Weg dorthin im Wortsinn steinig war. Sebastian Goslich öffnet sein Handy, zeigt Bilder. Im August 2021 rückten die beiden mit dem Vorschlaghammer zur Kernsanierung an. Über ein Jahr lang ließen sie es krachen und scheppern im Haus der Ahnen. Trennwand raus, Stahlträger rein, neue Leitungen, Terrasse statt Blumenbeet. Parallel sanierten die Beiden auch den privaten Anbau. "Das vergangene Jahr war nicht immer einfach", sagt er. "Es ist deutlich teurer geworden, als wir gedacht haben", sagt sie.

Vor einem Jahr sah es hier noch so aus. Die Wand in der Mitte wurde durchgeschlagen, die Eingangstür versetzt, die alte Theke um 90 Grad gedreht, Wasser- und Stromleitungen neu verlegt. (Foto: Sebastian Goslich/oh)

Der Bautrockner brummt. Oben an der Decke raschelt es. Eine der Dämmplatten, die er am Vortag in stundenlanger Kleinstarbeit zu einem kunstvollen Zickzackmuster befestigt hat, segelt zu Boden. Der Kleber mag nicht so recht. "Wahnsinn", sagt er. Es ist der Kampf mit den letzten Details, den jeder kennt, genau wie die gemeinen Rückschläge. Er scrollt durch sein Handy, zeigt Bilder: der Gastroraum unter Wasser. Drei Tage vor dem Treff hatte ein Küchenbauer die Wassersprudelanlage angeschlossen. "Die letzte Arbeit in der Gastroküche", sagt er. "Es war der falsche Schlauch", sagt sie. Dieser platzte, das Wasser lief. Mit Nasssaugern und Kehrschaufeln mussten sie ihr Werk wieder retten. Seitdem brummt hier der Bautrockner.

Alles war fertig eingerichtet und dekoriert, da steht eine Woche vor der Eröffnung plötzlich alles unter Wasser. Ein Schlauch war geplatzt. Fünf Stunden lang mussten sie mit Nasssaugern und Kehrschaufeln wieder alles trocknen. (Foto: Sebastian Goslich/oh)

Wieder schaut jemand von draußen durch die Scheibe. Energiekrise, Inflation, Kostenexplosionen. Keine einfache Zeit für eine Geschäftseröffnung. Doch vielleicht brauchen die Menschen ja gerade jetzt mal eine Pizza-Waffel, um sich bei Laune zu halten? "Einige sind schon reinbekommen und wollten Kaffee bestellen", sagt sie. Er sagt, viele Leute gäben ihnen das Feedback: "Wir haben Bock."

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 9-17 Uhr. Eröffnungsparty am Samstag, 5. November, von 12-17 Uhr mit Prosecco und Probierportionen, Hauptstraße 29.

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