Tödliche Schüsse im Polizeirevier:Starnberger Polizisten töteten wohl in Notwehr

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Im Vorraum der Starnberger Inspektion kam es zum tödlichen Streit. (Foto: dpa)

Als ein psychisch kranker 72-Jähriger sie mit einem Messer bedrohte, eröffneten sie das Feuer. Die drei Beamten, die den Rentner Anfang Juni auf der Starnberger Polizeiinspektion mit sieben Schüssen niederstreckten, haben wohl in Notwehr gehandelt. Doch vorangegangen waren Fehler.

Von Christian Deussing und Susi Wimmer

Die Vorermittlungen werden in ein paar Tagen abgeschlossen sein. Und man muss kein Prophet sein, um vorherzusehen, was die Staatsanwaltschaft München II den drei Polizisten in Starnberg attestieren wird: Sie handelten in Notwehr, als sie Anfang Juni einen psychisch kranken 72-Jährigen auf ihrer Dienststelle mit sechs Schüssen töteten. Die Messerattacke des Rentners in dem engen Gang des Polizeigebäudes war wohl nicht anders abzuwehren. Was allerdings bleibt, ist die Frage: Musste es überhaupt zu dieser ausweglosen Situation kommen? "Dieses Thema spielt sicher eine Rolle, ist aber für uns nicht so relevant", sagt Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich.

Gut vier Monate dauerten die Vorermittlungen im Fall des getöteten Rentners Heinrich W. Jetzt liegen bei der Staatsanwaltschaft alle Ergebnisse auf dem Tisch. Das ballistische Gutachten des LKA, der 3-D-Scan vom Tatort, das Obduktionsergebnis aus der Rechtsmedizin, die Vernehmungen von etlichen Zeugen. "Schussbahn und -winkel lassen sich nachvollziehen, die Schussreihenfolge wohl nicht", erklärt Heidenreich. Alle drei Beamten hatten das Feuer auf den 72-Jährigen eröffnet, sieben Schüsse wurden abgefeuert, sechs Projektile durchdrangen seinen Körper und trafen ihn in beiden Armen, Beinen, im Rumpf und am Kopf. Für ihn kam jede Hilfe zu spät.

Heinrich W. litt unter paranoider Schizophrenie. Er war erst Ende April aus der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik entlassen worden. Die Polizei hatte mehrmals wegen Bedrohung und Störung des öffentlichen Friedens gegen den Rentner ermittelt. Er lebte alleine in der Starnberger Siedlung "Schwaige", abgeschieden und völlig pleite.

Die Eingangstür war nicht abgesperrt

Am 7. Juni setzte er ein wirres Schreiben auf mit pauschalen Drohungen, dann steuerte er die Polizeiinspektion an der Starnberger Hauptverkehrsstraße an. Die Eingangstür war nicht abgesperrt, was bei Polizeiinspektionen unüblich ist. Deshalb stand der 72-Jährige plötzlich im Eingang, in der Hand ein Küchenmesser. Durch die verglaste Trennwand konnten die diensthabenden Beamten den Mann sehen. Die Tür zum Wachraum war verschlossen, der Rentner stand in der Schleuse. Ein Beamter verständigte per Telefon sofort den Inspektionsleiter, der sein Büro im oberen Stockwerk hat. Der 64-Jährige eilte nach unten.

Nach SZ-Informationen gab es keine Einsatzbesprechung, keinen Plan, wie man am besten mit dem Mann im Gang umgehen könnte. Der Inspektionsleiter öffnete einfach vom Gang aus die Tür in die Schleuse - und stand dann mit seinen beiden Kollegen dem bewaffneten Mann gegenüber. Auf die Aufforderung, das Messer fallen zu lassen, reagierte der 72-Jährige nicht, ebenso wenig auf das Pfefferspray. Er ging auf die Polizisten los, die zogen ihre Waffen und schossen.

"Wir haben die Situation so zu bewerten, wie sie abgelaufen ist", sagt Pressesprecher Heidenreich von der Staatsanwaltschaft. Und: "Im Nachhinein ist man immer schlauer." Die Staatsanwaltschaft will in erster Linie die Situation im Gang bewerten. In ein paar Tagen werde man entschieden haben, ob es strafrechtlich etwas zu beanstanden gibt. Es werde Mitte November einen Amtswechsel in der Starnberger Inspektion geben, sagt Heidenreich. Der 64-jährige Inspektionsleiter wird in den Ruhestand verabschiedet.

© SZ vom 07.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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