Kioske im Fünfseenland:Knallgrüne Gesellschaft am Ammersee

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Rothtraut Falk und William Brimble betreiben den Kiosk im Erholungsgebiet Wartaweil. Zum Froschgartl gehören natürlich auch Frösche.

Von Carina Seeburg, Herrsching

Früh am Morgen liegt der Ammersee noch ganz ruhig da. Kein Schwimmer durchbricht die klare Wasseroberfläche, kaum ein Mensch passiert das Ufer. Still ist es, wenn William Brimble seinen Tag beginnt. Seit sechs Uhr ist er auf den Beinen. Rund um den kleinen Kiosk "Froschgartl" pickt Brimble Zigarettenkippen und leere Ketchuptütchen auf. Tische, Stühle und Bänke wischt er ab. Der neue Tag kündigt sich derweil mit dem Duft von warmen Semmeln, Brezn und Kuchen an. Ein Blick in die Küche verrät: Brimble ist nicht der Einzige, der bei frühmorgendlicher Ruhe am Ammersee arbeitet. Inmitten der silbernen Industrieküche steht Rothtraut Falk und schnippelt Zwiebeln für die Burger.

Seit fünf Jahren betreibt das Paar, das Stammgäste nur als Roti und Billy ansprechen, den Kiosk im zwei Hektar großen Erholungsgebiet Wartaweil. Dabei sind sie stets in bester, knallgrüner Gesellschaft: Unzählige kleine und große Frösche sitzen auf der Theke, den Tischen und über die Wiese verteilt. "Die werden allmorgendlich von mir höchstpersönlich und mit viel Liebe aufgereiht", erklärt Roti. "Dass jeder Frosch einen Namen hat, versteht sich von selbst", sagt sie mit einem Zwinkern und stellt Ilke, Hans und Clementine vor.

"Der erste Kaffee geht oft schon vor acht Uhr über die Theke", sagt Billy. Später werden es mehr. Radfahrer, Spaziergänger mit Hund, Schwimmer. "Vormittags verteilt sich das", winkt Roti ab. Es bleibt genug Zeit zur Vorbereitung. Noch dazu trudelt nach und nach Verstärkung ein. Von elf Uhr an hantiert Marc Henrici gemeinsam mit Roti in der Küche oder steht mit fröhlicher Miene hinterm Tresen. Henrici studiert in Berlin Chinastudien, verbringt aber den Sommer in der Heimat am Ammersee, bevor er für ein Auslandssemester nach Shanghai reisen wird. Das siebenköpfige Froschgartl-Team ist bunt gemischt. Vom Studenten bis zum Rentner hat jeder seine eigene Geschichte zu erzählen. Die gemeinsame Geschichte von Roti und Billy beginnt im Jahr 1995, als sich ihre Lebenswege zum ersten Mal kreuzen.

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"33 Jahre habe ich in Namibia gelebt, in Windhoek. Da bin ich geboren", setzt Roti an. 15 Jahre hat sie als Sekretärin in einer Brauerei gearbeitet, es hat sie aber immer nach Deutschland gezogen. 1995 ist es endlich soweit. Sie bucht ein One-Way-Ticket und packt ihre Koffer. Den ersten Job in Deutschland bekommt Roti in der Küche auf dem Campingplatz Thalkirchen. Zur gleichen Zeit verliert Billy in England seinen Job bei der Zeitung "Kingsbridge Gazette". Die Idee, einen Neubeginn im Ausland zu wagen, nimmt Gestalt an. Wenig später verschlägt es auch Billy auf den Campingplatz Thalkirchen. Eine gute Zeit für die Neuankömmlinge beginnt. Doch die Zeit vergeht, sie lassen Thalkirchen hinter sich und jeder geht wieder seines Weges. Billy zurück in England, Roti in Deutschland - sie verlieren sich aus den Augen.

Drei Jahre ist Roti mit Schaustellern und Akrobaten im Circus Flic Flac unterwegs. Tagsüber erledigt sie Sekretariatsarbeit, abends arbeitet sie in der Gastronomie. "Das waren aufregende und interessante Jahre - aber das Zirkusleben war auch sehr anstrengend", lautet ihr Resümee. 2010 arbeitet Roti wieder auf dem Campingplatz Thalkirchen. Eines Tages steht sie Billy gegenüber, der England erneut hinter sich gelassen hat. Dieses Mal machen sie Nägel mit Köpfen, planen eine gemeinsame Zukunft. Der Traum vom Kiosk am See wird 2014 Realität.

"Marie, Froschburger für Marie", tönt Billys Stimme durch das rote Megafon. Es ist Mittag, der Biergarten füllt sich, die Küche hat zu tun. Henrici nimmt an der Theke eifrig Bestellungen an, doch die Schlange scheint kein Ende zu nehmen. Die leckeren Burger mit Fleisch von der Murnauer Metzgerei Haller sind längst kein Geheimtipp mehr. "Wenn sie kommen, dann kommen sie alle auf einmal", meint Roti und lacht. Jetzt steht auch Billy mit am Herd. Zwiebeln brutzeln in der Pfanne, der Geruch von heißem Öl und Pommes liegt in der Luft. Warm ist es in der Küche - noch wärmer als draußen, wo sich das Thermometer langsam der 30-Grad-Marke nähert. Ein Burger nach dem anderen verlässt die Küche. Die lauten Ansagen, die aus der roten Tröte schallen, kommen jetzt von der zehnjährigen Tizia, die kurzerhand ins Team integriert worden ist. "Wir sind Stammgäste", erklärt Tizias Mutter Natalie Klauser, die mit ihren Töchtern fast jeden Sommertag am Seeufer beim Froschgartl verbringt. Sommer, Sonne, Ferienzeit - der Biergarten ist voll besetzt.

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Gegen Nachmittag verstärkt Silke Geltl das Team, wo sie nur kann. Es dampft, es brutzelt, und es wird gelacht. Dann wird es irgendwann ruhiger. Die Sonne sinkt langsam dem Ammersee entgegen. Ein kühles Helles zum Sonnenuntergang geht über den Tresen. In der Küche klirrt Geschirr und plätschert Wasser. Gemeinsam sammeln Geltl und Roti die grünen Fröschlein ein. Dann, gegen 23 Uhr, geht auch im Kiosk das Licht aus.

Fragt man Roti, ob sie ihr Leben in Namibia oder wenigstens das Meer dort vermisse, zeichnen sich Lachfältchen um ihre Augen ab. "Nein, Quatsch", lacht sie. "Ich nenn das Plätzchen hier Klein-Karibik. Hier werden wir unseren Lebensabend verbringen", sagt Roti in einem Ton, der jeden Zweifel ausschließt. Ihre Heimat haben die Auswanderer am Ammersee gefunden, und doch schlägt noch das Herz von Reisenden in ihrer Brust. Wenn das Thermometer im Herbst immer weiter fällt, dann packen Roti und Billy wieder ihre Koffer. Ein Dreivierteljahr voll langer Arbeitstage liegt hinter ihnen, drei bis vier Monate pure Freizeit stehen bevor. Dieses Jahr geht es nach Kambodscha, nach Laos und auf einen Abstecher zu Henrici nach Shanghai.

Zurück kommen Roti und Billy immer wieder. Spätestens am ersten sonnigen Frühlingstag stehen alle Fröschlein wieder draußen.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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