SZ Gute Werke:Schwer krank und kein Geld für eine Brille

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Schmerzen gehören für Karin B. zum Alltag. (Foto: Oliver Killig/dpa)

Karin B. leidet unter Chorea Huntington und bekommt nur eine kleine Rente. Die 48-Jährige kann ohne Sehhilfe kaum noch aus dem Haus.

Von Carolin Fries, Starnberg

Wenn man Karin B. ( Name von der Redaktion geändert) fragt, was sie glücklich macht, muss sie lange überlegen. "Meine Katze", sagt die 48-Jährige schließlich. Sie sei immer bei ihr in der Wohnung. Selbst wenn die Haustür einmal offen stehe, laufe sie nicht weg. Ansonsten gebe es nicht viel, worüber sie sich freuen könne. Die Krankheit bestimmt ihre Tage. Die Starnbergerin hat Chorea Huntington, eine seltene, vererbbare Erkrankung des Gehirns. Erste Symptome der Krankheit zeigen sich meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr - so war es auch bei Karin B. Sie war 38 Jahre alt, als sie die Diagnose bekam. Was auf sie zukommen würde, wusste sie damals nur zu gut. Ihre Mutter befand sich damals im Endstadium der Erkrankung, die nicht heilbar ist.

In Deutschland sind etwa 10 000 Menschen symptomatisch von Chorea Huntington betroffen. Sie leiden an der fortschreitenden Zerstörung eines Bereichs des Gehirns, der für die Muskelsteuerung und grundlegende mentale Funktionen wichtig. Die Folge sind unkoordinierte Bewegungen, Schluck- und Sprachprobleme und Demenz. Psychische Beschwerden gehen den Bewegungsstörungen oft mehrere Jahre voraus. Auch Karin B. ist schon seit vielen Jahren depressiv. "Früher erfand ich Ausreden, um nicht irgendwo hin zu müssen", erzählt sie. Inzwischen bekommt sie Medikamente gegen das Grübeln und die dunklen Gedanken. "Sonst kann es mir schon zu viel sein, die Katze zu versorgen."

Karin B. lebt seit zwei Jahren in einer kleinen Wohnung in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen. "Hier ist alles behindertengerecht." Vor ihrer Tür steht eine Gehhilfe, doch die 48-Jährige geht nur selten raus. Manchmal allerdings muss sie zum Einkaufen, dann halten Passanten sie regelmäßig für betrunken. "Ich hätte gerne ein T-Shirt, auf dem steht: Ich bin nicht betrunken, ich habe Chorea Huntington". Zum Discounter ist der Weg länger als zum teureren Supermarkt ums Eck. Doch obwohl das Geld knapp ist, schafft sie es nicht immer. Wegen der Kommentare - und auch, weil ihre Brille kaputt ist und sie ohne Sehhilfe kaum etwas sieht. "Wie soll ich denn da über die Straße kommen?", fragt sie.

Doch nicht nur zum Einkaufen benötigt sie eine neue Brille. "Buch lesen ist auch nicht drin", sagt sie. Beim Fernsehen müsse sie direkt vor dem Bildschirm sitzen. "Das ist total nervig. Und wenn ich putze, weiß ich gar nicht was - weil ich nichts sehe." Nicht einmal das Handy könne sie richtig nutzen, seit sie keine Brille mehr hat. Das Mobiltelefon ist ihre Kommunikationshilfe, seitdem das Sprechen schwerer geworden ist. Mit ihrer Schwester hält sie so Kontakt und auch mit ihrer 31 Jahre alten Tochter und ihrem Enkelsohn. "Nicht viel", wie sie sagt. Sie blickt zu Boden. "Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr die Krankheit vererbt habe." Noch sei diese bei ihrer Tochter aber nicht ausgebrochen. Ob auch der Enkelsohn betroffen ist, sei noch unklar.

Meistens ist Karin B. alleine - oder bekommt Therapie

Karin B. hatte mal ein erfülltes Leben: eine Partnerschaft, eine Familie, einen Job im Einzelhandel. Doch die Krankheit hat alles zerstört. Seit ihrer Diagnose bekommt die Starnbergerin eine kleine Erwerbsminderungsrente, die vom Sozialamt aufgestockt wird. Abzüglich der Miete bleiben ihr etwa 570 Euro im Monat. Die neue Brille soll etwa 320 Euro kosten - "das habe ich nicht", sagt Karin B. Das Spendenhilfswerk Gute Werke der Süddeutschen Zeitung hat zugesagt, die Kosten zu übernehmen sowie einen Teil der gestiegenen Stromkosten in der Energiekrise zu übernehmen. Karin B. kann es kaum erwarten, endlich zum Optiker zu dürfen.

Aktuell sind die Tage von Karin B. recht trist: Morgens bringt der Pflegedienst die Medikamente, mittags wird das Essen geliefert. Unentwegt schmerzt der Rücken von den vielen Überbewegungen, die sie unwillkürlich macht. Die Krankengymnastik helfe kaum. Demnächst soll es mit Logopädie losgehen, um die Schluckprobleme in den Griff zu bekommen. Außerdem mit Ergotherapie: "Mir fällt ständig was runter", sagt Karin B., "das Greifen klappt nicht mehr so gut". Vor allem aber freut sie sich auf die Brille.

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