SZ-Adventskalender:Frost ohne Frust

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Bessert seine kleine Rente mit Zeitungsaustragen auf: Peter Biesen aus Oberpfaffenhofen spart auf ein gebrauchtes Auto. (Foto: Georgine Treybal)

Peter Biesen bessert seine geringe Rente als Zusteller auf. Um dabei nicht länger frieren zu müssen, spart er für ein Auto.

Von Carolin Fries, Weßling

Peter Biesen hat weder Radio nach Fernseher. "Brauche ich nicht", sagt der 55- Jährige. Er sitzt in Hemd und Hose in der Stube seines Hauses in Oberpfaffenhofen, die Beine überschlagen, die Hände im Schoß. Der gelernte Schuhmachermeister hat den Holzofen nur spärlich beheizt, es ist kühl. Ob er nicht friere? Biesen zieht nur die Schultern hoch. Er lebt bescheiden. Wenn er sich mal richtig gut gehen lässt, dann geht er nicht ins Gasthaus, ins Kino oder Theater. Nein, dann brät er sich ein Steak in der Pfanne und macht Kartoffeln und Gemüse dazu. Er grinst. "Zuletzt habe ich mir eine gusseiserne Pfanne geleistet."

Biesen bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente, 660 Euro pro Monat. Davon muss er monatlich einen Abschlag für das von ihm übernommene Elternhaus an seinen Bruder zahlen. Hinzu kommen knapp 70 Euro Strom, 60 Euro Telefon und 60 Euro Handygebühren. Um ein Auskommen zu haben, hat Peter Biesen vor sechs Jahren begonnen, als Zeitungszusteller zu arbeiten. Der Job schien wie ein Sechser im Lotto, weil er nachts arbeiten konnte. Denn tagsüber kümmerte er sich um seine kranke Mutter, die gesundheitlich mehr und mehr abbaute. Im Sommer zog er frühmorgens mit dem Fahrrad los, im Winter mit dem Schlitten. Wieder zuhause kochte und versorgte er seine Mutter. Abends ging er früh ins Bett, meist nach dem Abendessen.

Als Schuhmacher arbeitet Biesen schon seit Jahren nicht mehr. Es ging nicht mehr, "die Seele ist krank", sagt er. Er trank, brach zweimal zusammen, "es war ihm damals einfach alles zuviel mit Haus, Mutter und Bruder", erzählt Markus Blersch, rechtlicher Betreuer des Weßlingers. Inzwischen ist Peter Biesen trocken und medikamentös eingestellt, er kann sein Leben gut selbst organisieren. Auf die Unterstützung von Blersch will er dennoch nicht verzichten, sie gibt ihm Sicherheit. Besonders wenn Stellungnahmen, Formulare oder sonstige Papiere verschickt werden müssen. "Bei Bürokratie bin ich hilflos."

Doch wenn es ums Zupacken geht, ist Peter Biesen gut dabei. Um das Zeitungsaustragen zu optimieren, hat er sich in den vergangenen Jahren zwei Mofas und einen Quad zusammengespart, Letzteren zahlt er noch ab. Jede Nacht steht er um ein Uhr auf, macht sich einen Kaffee und zieht los. Zwischen sechs und sieben Uhr ist er wieder zuhause und legt sich für ein paar Stunden ins Bett. Am Nachmittag macht er dann die zweite Tour mit den Anzeigenblättern. Vor allem im Winter machen ihm bei der Arbeit die eisigen Temperaturen und die Witterung zu schaffen. So warm kann er sich gar nicht anziehen, dass er nicht nach ein paar Stunden friert. So gibt es zwar eigens Kleidung aus dem Zustellerbedarf, doch irgendwann sind Hände und Füße dennoch nass und kalt. Peter Biesen spart deshalb für ein kleines gebrauchtes Auto mit Allradantrieb, um seinen geliebten Job auch in den kommenden Jahren noch ausüben zu können. Dann hätte er auf seinen Touren einen geschützten Rückzugsort.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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