Sicherheit auf Bayerns Seen:Starnberg fordert schärfere Regeln auf den Seen

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Derzeit kann jedermann auch mit einem PS-starken Motorboot auf dem Starnberger See cruisen - eine Führerscheinpflicht gibt es bislang noch nicht. (Foto: Franz-Xaver Fuchs/STA)

Um das Freizeitchaos auf dem Starnberger See in den Griff zu bekommen, macht der Landkreis in München Druck. Wassersportfreunde sollen schnellere Motorboote nur noch mit einem Führerschein fahren dürfen - und der Freistaat soll mehr Aufklärung leisten.

Von Viktoria Spinrad, Starnberg

Der Landkreis Starnberg macht Druck in München, die bayerischen Seen mithilfe einer Führerscheinpflicht für Motorboote sicherer zu machen. Das geht aus einer Stellungnahme der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (GWT) vom Montag zum Seengespräch im Frühjahr hervor, sowie aus einer E-Mail von Landrat Stefan Frey an den bayerischen Verkehrsminister, die der SZ vorliegt - inklusive zahlreicher Vorschläge für mehr Sicherheit auf und in den Gewässern.

Der Freizeitdruck auf die Badeseen habe in den letzten Jahren "nochmals stark zugenommen", schreibt Frey an Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Angesichts dessen sei es wichtig, das "(Verantwortungs-)Bewusstsein beim Umgang mit höher motorisierten Verkehrsmitteln zu schärfen." Konkret: Sportmotorbootführer sollen ihre Fachkunde durch einen Bootsführerschein nachweisen, "wenn diese Boote mit einer Motorisierung von mehr als 11,03 KW oder 15 PS fahren wollen", so die Forderung. Diese, so ist es der GWT-Mitteilung zu entnehmen, entspricht der "überwiegenden Meinung" der Teilnehmer des Seengesprächs.

Etwa 50 Vertreter hatten sich nach einem tödlichen Motorbootunfall mit einem Schwimmer im vergangenen Sommer kürzlich erstmals seit Jahren wieder zum Austausch getroffen. Etwa zwei Stunden lang diskutierten unter anderem Bürgermeister anliegender Gemeinden, Vertreter von Wasserwacht, Wasserschutzpolizei, Segel- und Surfschulen, Gebietsbetreuer, Bootsverleiher und Werftbesitzer. Bereits vorab hatten sich viele Stakeholder für mehr Sicherheit auf dem zunehmend frequentierten Starnberger See ausgesprochen.

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Mit der Forderung nach einer Führerscheinpflicht soll nun die aktuell im bayerischen Verkehrs- sowie im Umweltministerium laufende Überarbeitung der Schifffahrtsverordnung des Freistaats beeinflusst werden. Die aktuelle Version stammt aus dem Jahr 2005. Sie sieht eine Führerscheinpflicht bisher nur für Fahrgastschiffe, Güterschiffe und Arbeitsboote vor. Bisher kann also praktisch jeder mit einem Motorboot auf dem Starnberger See oder Ammersee herumfahren, solange es zugelassen ist - ein Sportbootführerschein wird im Starnberger Landratsamt nur von unter 18-Jährigen verlangt, die ein reguläres Motorboot registrieren wollen.

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Eine Regelung, die viele als nicht mehr zeitgemäß erachten, zumal immer mehr Menschen mit privaten E-Motorbooten auf den Seen unterwegs sind. Da diese als umweltschonender gelten, gibt es für diese Fahrzeuge keine gesetzliche Deckelung. Während für ohnehin nur auf dem Starnberger und Ammersee erlaubte reguläre Motorboote mit Verbrennungsmotor insgesamt 280 Lizenzen auf dem Starnberger See und 150 auf dem Ammersee vergeben werden, fahren im Landkreis mittlerweile 1620 angemeldete E-Boote über die Seen - der Großteil davon sind allerdings leistungschwächere mit weniger als 11 kW, die vor allem zum Angeln benutzt werden.

Der Landkreis kann nur wenig machen, denn der See gehört dem Freistaat

Juristisch wurde der Fahrer des tödlichen Motorbootunfalls vom vergangenen Sommer kürzlich entlastet. Der 64-Jährige ohne Sportbootführerschein hatte im Juli 2022 einen 32-jährigen Schwimmer, der außerhalb der 300-Meter-Schutzzone unterwegs war, trotz mäßiger Geschwindigkeit übersehen und mit einem 119 PS starken Boot überfahren. Der Vorfall löste eine Debatte um die Sicherheit auf dem zunehmend frequentierten Starnberger See aus. Da dieser dem Freistaat gehört, laufen etwaige Regeländerungen entsprechend über die bayerische Schifffahrtsverordnung. Für deren Überarbeitung sammelt das Verkehrsministerium derzeit Stellungnahmen. Eine Frist dafür gebe es nicht, da die Verbände im Gesetzgebungsverfahren ohnehin noch einmal angehört werden müssten, teilte das Ministerium am Montag mit.

Bereits im Herbst 2020 hatte der Landtag anerkannt, dass es Leitungskonzepte für die zunehmend vollen bayerischen Gewässer bedarf. Konkret zur Debatte stehen neben der Führerscheinpflicht auch eine Badekappen- oder Schwimmbojenpflicht für Schwimmer auf dem offenen See sowie eine Schwimmwestenpflicht für Wassersportler. Ersteres findet in Starnberg durchaus Anklang, hier will man gleich mit gutem Beispiel vorangehen: So werden die Schwimmer bei der Seeüberquerung "Cross'n Chill" am Sonntag, 23. Juli heuer erstmals mit Schwimmbojen ausgestattet, teilt die GWT mit.

"Wir fahren auf Sicht bis zum 30. April", sagt Starnbergs Landrat Stefan Frey (CSU) über die Zukunft des Deutschlandtickets. (Foto: Georgine Treybal)

Nachdem 2015 ein 13-Jähriger Ruderer ins kalte Wasser des Starnberger Sees gefallen und ertrunken war, kam hier die Frage auf: Könnte eine allgemeine Schwimmwestenpflicht helfen? Acht Jahre später stellt sich der Landkreis Starnberg nun gegen eine entsprechende Regelung. Ob "so ein Eingriff" gerechtfertigt ist, sei "fraglich", schreibt Frey an Bernreiter. Insbesondere eine Pflicht beim Betreten von Gewässern wäre "unverhältnismäßig", ein Vollzug einer solchen Regelung "kaum möglich". Was Frey nicht schreibt: Auf dem Starnberger See sind nur ein bis zwei Polizeiboote unterwegs; selbst die Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 Stundenkilometern kann bereits kaum kontrolliert werden.

Bereits im Februar hatte Frey die Kontrolle von weiteren Regelungen wie der Schwimmwestenpflicht entsprechend als "Augenwischerei" bezeichnet. Der Starnberger See ist mit 58 Quadratkilometern der zweitgrößte See Bayerns. Kein Wunder, dass man die Gemengelage da nicht noch verkomplizieren will. Das geht auch aus einer E-Mail vom Februar mit verschiedenen stichpunktartigen Änderungsvorschlägen aus dem Fachbereich Umweltschutz des Landratsamts ans Verkehrsministerium hervor. "Nicht genehmigungsfähig", so die hiesige Einschätzung zu neuesten elektrischen Wassersportgeräten wie Surfboards, Jetski und Stand-up-Paddles mit Motorantrieb.

Steht wegen der zweiten Stammstrecke in München unter Druck: Verkehrsminister Christian Bernreiter (ebenfalls CSU). (Foto: Matthias Balk/dpa)

Um gerade auch die zunehmende Zahl von Stand-up-Paddlern davon abzuhalten, in Hafeneinfahrten oder Schutzgebiete zu fahren und sich entsprechend der Verordnung (§30, Abs. 4) nachts sichtbar zu machen, konzipieren GWT und Landratsamt derzeit eine Aufklärungskampagne für verschiedene Zielgruppen. Mithilfe von Flyern, auf denen die wichtigsten Regeln abgedruckt sind, und den seit 2021 eingesetzten "Nature Guides" sollen Tagesbesucher und Übernachtungsgäste, aber auch Vereine für die Regeln auf dem See sensibilisiert werden. Doch im Landkreis will man offenbar nicht Alleinkämpfer gegen das Unwissen entlang der "Badewanne Münchens" und anderswo bleiben. Freundlich appelliert Frey an Parteifreund Bernreiter: "Eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit staatlicherseits wäre wünschenswert."

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