Beerdigung von Wolf Schneider:Ein Großer geht

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Die Trauerfeier für Wolf Schneider auf dem Starnberger Waldfriedhof. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Etwa 60 Menschen verabschieden sich vom Journalisten und Sprachkritiker Wolf Schneider. Unter den Trauergästen sind viele seiner ehemaligen Schüler - fast jeder von ihnen hat eine besondere Begegnung mit Schneider im Gedächtnis behalten.

Von Linus Freymark, Starnberg

Für einen Trauerredner gibt es zwei Dinge zu beachten. Erstens: Man muss die Zuhörer trotz des Anlasses auch mal zum Lachen bringen. Zweitens: Man sollte ein zerknülltes Blatt Papier mit ans Pult nehmen. Wenn einem die Stimme bricht und die Tränen kommen, sollte man auf das Papierknäuel blicken und sich vorstellen, es sei Hundekacke. Das hilft!

Die Tipps stammen von Wolf Schneider, dem Sprachkritiker, Journalisten und ehemaligen Leiter der Henri-Nannen-Schule (1979-1995), der am 11. November im Alter von 97 Jahren gestorben ist. Am Montag ist Schneider auf dem Starnberger Waldfriedhof beigesetzt worden. Von den Ratschlägen für die Trauerrede berichtet Schneiders Enkelin in ihrer Rede, vor sich den Papierball. Als die Stelle mit der Hundekacke kommt, ist auch Schneiders erste Vorgabe erfüllt: Die Menschen in der Trauerhalle lachen.

Die Beerdigung hat etwas von einem Klassentreffen

Etwa 60 Trauergäste sind am Montag gekommen, um sich von Wolf Schneider zu verabschieden. Nicht alle passen in die Aussegnungshalle, ein paar müssen draußen stehen bleiben. Drinnen steht der Sarg, ein Blumenstrauß darauf, rot, gelb, violett die Blüten, ein bisschen Farbe zwischen all dem Schwarz im Raum. Ein Trauerredner spricht, kein Geistlicher, Schneider hatte mit der Kirche nicht viel am Hut. "Es sind die Begegnungen mit Menschen, die unser Leben lebenswert machen", sagt er. Und Schneider hat vielen Menschen solche Begegnungen beschert. Erinnerungen, die nach Jahren und Jahrzehnten noch immer in den Köpfen sind.

Zur Trauerfeier sind zahlreiche seiner früheren journalistischen Lehrlinge gekommen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Etwa an die Feste, bei denen der leidenschaftliche Tänzer Schneider die Musik aufgedreht und Champagner ausgeschenkt hat. Oder der Brief, in dem Schneider einer ehemaligen Schülerin seine Glückwünsche zur Hochzeit übermittelte - nebst dem Hinweis, er wünsche mehr Glück, "als sich nach statistischer Wahrscheinlichkeit erwarten lässt. Seien Sie umarmt!" Diese Berichte hätten ihn nach der Veröffentlichung seines Nachrufs erreicht, berichtet Detlef Esslinger, früher Schneiders Schüler, heute Leiter des Meinungsressorts der Süddeutschen Zeitung. Neben seiner fachlichen Kompetenz und seinem leicht schrulligen Humor war es diese Herzlichkeit, die viele seiner Schülerinnen und Schüler so an Schneider schätzten. Einige von ihnen, inzwischen längst keine Lehrlinge mehr, sondern Chefredakteure oder Ressortleiter, stehen am Montag am Grab ihres einstigen Lehrers. Ein kleines Henri-Nannen-Schultreffen, alle saßen sie einst in Schneiders Unterricht in Hamburg.

"Er hat immer Wort gehalten", sagt der Sohn

In der ersten Reihe sitzt Schneiders Familie. Vier Kinder hatte er, sein Sohn Curt, der Rätselmacher CUS, ist vor wenigen Wochen bei einem Bergunglück ums Leben gekommen. Ein "preußischer General" sei sein Vater gewesen, erzählt Schneiders Sohn Horst. Aber eben auch einer, auf dessen Fürsorge Verlass war. "Er hat immer Wort gehalten", sagt der Sohn über den Vater.

Wolf Schneider, ein Meister der deutschen Sprache und Ausbilder zahlreicher Journalisten, wird am 21. November 2022 auf dem Starnberger Waldfriedhof zu Grabe getragen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Apropos Wort, die Sprache war Schneiders Leidenschaft. Wobei es ihm dabei nicht nur um Bandwurmsätze und sinnlose Adjektive gegangen sei, berichtet die Journalistin Petra Reski: "Er wollte, dass wir klarer denken." Klare Sprache, klare Gedanken. Er habe Wert gelegt auf Haltung und Ethos im Journalismus - Botschaften, die seine Schüler verinnerlicht haben. Noch heute spüre sie bei jedem Satz Schneiders "Hauch im Nacken", erzählt Reski.

Nach den Reden kommen drei Männer und eine Frau, Umhänge und Schirmmützen schwarz, in die Trauerhalle, ergreifen den Sarg, tragen ihn hinaus zum Grab. Die Totenglocken läuten.

Wolf Schneider ist nicht mehr da. Seine Schriften, Debattenbeiträge und die Erinnerungen an ihn aber bleiben. Seine Grundsätze sind von einer Journalisten-Generation an die nächste weitergegeben worden.

In seinen letzten Jahren hatte Schneider wohl ein bisschen Angst, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Es sieht nicht so aus, als ob das allzu bald passieren würde. Ein Beispiel dafür: der Papierball auf seiner Beerdigung.

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