Weltdufttag:Schnuppern, bis die S-Bahn kommt

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Der Weltdufttag ist ein Anlass, die Nase aufzusperren - allerdings macht man sie dann auch relativ schnell wieder zu. (Foto: imago stock/imago images/Andia)

Es gibt inzwischen kaum einen Tag, der nicht irgendein Welttag ist. Der Anlass ist mal mehr, mal weniger erwähnenswert. Der Weltdufttag ist da noch einer der sinnvolleren Welttage - doch er birgt ungeahnte Gefahren.

Glosse von Linus Freymark, Starnberg

Es gibt ja heutzutage allerhand skurrile Welttage. Man denke nur an den Welttag des Schneemannes, den Freunde des aus Schneekugeln geformten Wesens am 18. Januar begehen. Die sozialen Netzwerke werden dann in gewissen Kreisen überschwemmt mit Schneemannsbildern: Schneemann mit Weihnachtsmannmütze, Schneemann mit Polizeikelle im Armstumpf. Oder der 2. April, der - mutmaßlich von der Lebensmittelindustrie - zum Tag des Erdnussbutter-und-Marmeladen-Sandwiches erhoben wurde. Auf Facebook, Instagram und Co. geht es da etwas ruhiger zu als beim Schneemann-Tag. Aber mit Sicherheit wird in so mancher Küche dann ein Erdnussbutter-Wettessen abgehalten. Der Mensch ist nun mal empfänglich für fragwürdige Marketing-Gags, nicht umsonst gibt es inzwischen kaum einen Tag, der nicht irgendein Welttag ist.

Der 27. Juni hat es da vergleichsweise gut getroffen. Immerhin muss man sich da als Welttag-Gläubiger keine Unmengen an Sandwiches reinstopfen, sondern nur die Nase aufsperren. Denn der 27. Juni firmiert inzwischen als Weltdufttag - und soll nach Auskunft des Initiators Matti Niebelschütz dazu anregen, "sich der faszinierenden Welt der unterschiedlichen Düfte bewusst zu werden". Der Mann hat übrigens mal eine Parfümfirma gegründet. Sein Interesse an den Wohlgerüchen dieser Welt ist wohl also in erster Linie kommerzieller Natur.

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Aber geschenkt. Es ist ja wirklich eine tolle Sache, sich mit offener Nase durch die Welt zu schnuppern, die warme Luft trägt einem allerlei Düfte zu: Sommerregen, frisch gewaschene Wäsche, der Kaffeeduft von Terrassen und Gärten. Da muss man nicht mal ein Parfüm kaufen, um am Weltdufttag teilzuhaben.

Das Problem an der ganzen Sache allerdings: Man muss die Fähigkeit haben, das bewusste Riechen auf Knopfdruck einzustellen und Gefahren für die sensibilisierte Nase rechtzeitig zu antizipieren. Die S-Bahn voller durchgeschwitzter Ausflügler? Schwierig. Und wenn der Zug dann auch noch mit offenem Fenster an einem frisch mit Gülle mariniertem Feld vorbeifährt, ist es wohl endgültig vorbei mit der Freude über frisch gewonnene Riech-Eindrücke.

Aber: Für den Rest des Jahres weiß man nun wenigstens geruchsmäßig besser Bescheid. Das ist ja auch schon was. Und wenn sich mal wieder eine unangenehme Duftquelle ankündigen sollte, kann man sich mit Gedanken an den Welttag der Wassertiere (3. April) oder den Tag der Käsepizza (5. September) ablenken. Ja, die gibt's tatsächlich auch.

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