Jahrhundertprojekt:Starnberger Tunnel kommt später und wird viel teurer

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Die Kosten steigen drastisch von 200 auf mindestens 320 Millionen Euro. Der Bau verzögert sich um bis zu zwei Jahre. Woran das liegt.

Von Peter Haacke, Starnberg

Wie steht es um den Bau des Starnberger B2-Tunnels? Seit dem historischen Beschluss des Stadtrats in der Nacht zum 21. Februar 2017 ("Tunnel bauen, Umfahrung prüfen") laufen die Arbeiten an dem Jahrhundertbauwerk. In einer dreieinhalbstündigen Sondersitzung informierten Vertreter des Staatlichen Bauamts Weilheim und der Stadtverwaltung den Stadtrat am Donnerstag über den aktuellen Stand. Wichtigste Änderungen: Die ursprünglich kalkulierten Kosten in Höhe von 200 Millionen Euro werden sich für den Bund als Bauträger auf 320,5 Millionen Euro - ohne die Planungskosten - erhöhen. Gründe hierfür sind Preissteigerungen für Grundstücke und Tunnelbau sowie Umplanungen zugunsten der Sicherheit. Die für 2026 anvisierte Fertigstellung wird wegen eines nicht abgeschlossenen Planänderungsverfahrens nicht haltbar sein: Wahrscheinlich erfolgt die Tunnelfreigabe erst im Jahr 2027 oder 2028.

Der aktuelle Stand

Die Arbeiten am Nordzulauf des B2-Tunnels mit Durchstich zur Petersbrunner Straße verliefen wie geplant. Allerdings stellten die im Untergrund verlegten Ver- und Entsorgungsleitungen die Verantwortlichen vor besondere Herausforderungen. Dafür erwies sich die Bodenbeschaffenheit im Bereich des Gymnasiums und des Schnellrestaurants an der Bundesstraße nach Erkenntnissen aus einer Untersuchung besser als erwartet. Als nächstes folgen Arbeiten im Bereich Moosstraße bis Gautinger Straße, bei denen zeitweise auch Komplettsperrungen betroffener Abschnitte unumgänglich sein werden.

Das Planänderungsverfahren

Um den 1,9 Kilometer langen Tunnel so sicher wie möglich zu machen, flossen diverse Änderungen in die ursprüngliche Planung ein. Dies war notwendig, weil sich seit der Planfeststellung für den Tunnel im Jahr 2007 etliche Sicherheitsvorschriften geändert haben. Das Staatliche Bauamt Weilheim hat die eingegangenen Einwendungen geprüft und an die Regierung von Oberbayern als Trägerin des Verfahrens weitergeleitet. Die Änderungen betreffen unter anderem die Installation einer Brandbekämpfungsanlage, Ausstattung, Dimensionierung und Positionierung der Notausstiege, Rettungstüren, den Einbau von Feuerwehraufzügen, Pannenbuchten, die Aufstellflächen für Rettungskräfte und die Umleitung der Grundwasserströme durch Düker. Wie lange das Verfahren dauert, ist derzeit nicht absehbar. Zudem könnten gegen die Entscheidungen der Regierung von Oberbayern juristisch Einsprüche geltend gemacht werden, was eine weitere Verzögerung nach sich ziehen würde.

Feuerwehr und Rettungsdienste

Im Arbeitskreis der Sicherheitskräfte beraten Vertreter verschiedener Organisationen über die Sicherheit im B2-Tunnel. Ergebnis dieser Beratungen waren konstruktive Anregungen, die einhellig von Vertretern des Bauamts, der Stadt und der Feuerwehr gelobt wurden. Wesentliche Punkte betreffen Brandbekämpfung und Fluchtwege sowie den Einbau von Aufzügen in den Rettungsschächten, deren Durchmesser von 2,90 auf 4,20 Meter erweitert wird: Im Brandfall kommen Rettungsdienste besser hinein und Menschen im Tunnel schneller heraus. Beides ist vom Bund genehmigt, zieht aber laut Raphael Zuber, Leiter der Tunnelbau-Abteilung, "einen Rattenschwanz an Änderungen" nach sich. Details müssen noch geklärt werden. Ungeklärt ist, wer für den Brandschutz während der Bauzeit verantwortlich ist. Unabhängig vom Tunnel entsteht der Feuerwehrbedarfsplan für Starnberg: Die personelle und materielle Ausstattung der Brandretter ist schon jetzt ungenügend. Der Entwurf soll im September präsentiert werden. Bürgermeistermeister Patrick Janik lobte den Einsatz von Kommandant Markus Grasl: "Oft lästig, immer nützlich."

Die Facharbeitskreise

Zur Planung und Realisierung des B2-Tunnels finden auf mehreren Ebenen regelmäßig Abstimmungen zwischen den beteiligten Fachstellen - Staatliches Bauamt, Stadt Starnberg, Landratsamt, ÖPNV, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste - statt. Für das Bauwerk selbst und die Technik wird die Planung fortlaufend vertieft. Neben dem Arbeitskreis der Sicherheitskräfte, der "Mutter aller Arbeitskreise" (Tunnel-Projektleiter Herwig Ludwig), gibt es weitere Gremien: Ein Lenkungskreis befasst sich quartalsweise mit Grundsatzfragen, monatlich tagt ein Projektleitungs-Jour-fixe. Weiterhin gibt es Arbeitskreise für Architektur, Logistik und Verkehr, Straßenraum sowie Wasser. Zudem untersucht eine Arbeitsgruppe die Auswirkungen auf das südlich des Tunnels liegende Verkehrsnetz. Für die Projektumsetzung hat das Staatliche Bauamt mehrere neue Stellen geschaffen; die Stelle eines "Tunnel-Kümmerers" in der Stadtverwaltung konnte nicht besetzt werden.

Logistik und Verkehr

Zur Koordination der Bauphasen hat das Staatliche Bauamt den Lenkungskreis "Logistik und Verkehr" einberufen. Zuletzt wurden die Baustellenfläche im Bereich der Vordermühlstraße, die Herstellung des Dükers an der Jahnstraße und des Notausstieges Emslanderstraße diskutiert. Die Baustellenabwicklung in den Bereichen des Dükers an der Ecke Weilheimer Straße/Almeidaweg, an den Baugruben Nord und Süd sowie an der Eisenbahnunterführung werden bis Ende 2021 vorgestellt. Einige Punkte sind noch zu klären. Entscheidende Bedeutung - auch für das Neubaugebiet "Am Wiesengrund" - haben die Knotenpunkte Oberer Seeweg und die Kreuzung Waldspielplatz/Mozartstraße. Im Bereich der Heimstättenwegs - hier befindet sich das Tunnel-Südportal - ist der Bau eines Kreisels optional. Aktuell wird das Verkehrsaufkommen auf der B2 gezählt, um das spätere Wechselspiel der Baustellen besser steuern zu können.

Der Gestaltungswettbewerb

Tunnel ist Tunnel, mögen Ingenieure denken. Doch im Gegensatz zu den Planern ist den Starnbergern eine Gestaltung der sichtbaren Bestandteile des Bauwerks und eine Integration ins Stadtbild wichtig. Dies betrifft die beiden Tunnelportale, das geplante Betriebsgebäude an der Weilheimer Straße, die insgesamt sechs Notausstiege und den Lüftungskamin im Schlossgarten. Im Mai 2020 billigte der Stadtrat die Kriterien, Ende April wurde EU-weit ein Realisierungswettbewerb ausgeschrieben. Zehn Planungsbüros haben ihre Teilnahme zugesagt. Die Wettbewerbsbeiträge werden voraussichtlich Ende September eingereicht. Die nichtöffentliche Preisgerichtssitzung ist für Dienstag, 26. Oktober, geplant, danach werden die Arbeiten öffentlich präsentiert.

Die Informationen zum Tunnel

Das Staatliche Bauamt betreibt enormen Aufwand zur Information der Bürger. Abgesehen von Homepage, Pressemitteilungen, sozialen Netzwerken, Flyern, Hinweistafeln und Schreiben an unmittelbar Betroffene öffnet von Juli an zunächst nur einmal im Monat wieder das Info-Center am Landratsamt. Nächster Termin ist am Donnerstag, 29. Juli, von 16 bis 18 Uhr.

In der abschließenden Abstimmung zum Vortrag der Fachleute im Stadtrat verweigerte einzig die dreiköpfige Fraktion der Tunnelgegner von der WPS die Zustimmung zur Kenntnisnahme. Stattdessen reichte die WPS zu Sitzungsbeginn einen Eilantrag ein, der sich an einem Beschluss des Bundesparteitags der Grünen orientiert: Demnach sollen alle noch nicht im Bau befindlichen Fernstraßen und Autobahnabschnitte, die im Bundesverkehrswegeplan aufgelistet sind, neu bewertet werden. Der Antrag fiel trotz Zustimmung der Grünen-Fraktion bei Stimmengleichheit durch. Ohnehin wäre er wirkungslos geblieben: Starnberg ist nicht zuständig für Bauprojekte der Bundesrepublik.

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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