Starnberger Stadtrat:"Habt's ihr keine anderen Probleme?"

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Umstrittener Post des CSU-Ortsverbands Starnberg auf Facebook zur Gruber-Demo am 9. Juni in Erding unter dem Motto "Stoppt die Heizungsideologie" mit (v.li.) Rudi Nirschl, Marion Eisenberger und Angelika Kammerl. (Foto: Facebook)

Grünen-Stadträtin Kerstin Täubner-Benicke attackiert Vize-Bürgermeisterin Angelika Kammerl (CSU) wegen eines Fotos auf Facebook. Ist das der Auftakt zum Landtagswahlkampf?

Von Peter Haacke, Starnberg

Zwei Frauen und ein Mann halten kleine Schilder mit der Aufschrift "Grüne, nein danke" in die Kamera. Glückselige Momentaufnahme eines Events, das weit über die Grenzen Bayerns hinaus publik wurde und sich auch auf der Facebook-Seite der Starnberger CSU findet: die umstrittene Demo der Kabarettistin Monika Gruber in Erding am 9. Juni, bei der auch Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder mit markigen Worten die aktuelle Energiepolitik der Grünen geißelten.

Ältere Menschen und nicht mehr ganz so junge mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein lieben Facebook, auch politische Gruppierungen finden das Gesichtsbuch toll. Schauts her, was wir machen! Doch wer genau aufs Foto schaut, erkennt: Eine der beiden Damen ist Angelika Kammerl, CSU-Stadträtin und Zweite Bürgermeisterin der Stadt Starnberg. Kammerl ist für klare Worte bekannt, eine, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Aber "Grüne, nein danke"? Darf die das, die Kammerl? Zumal es im Stadtrat doch zuletzt so kuschelig war, auch mit CSU und Grünen. Kerstin Täubner-Benicke, Mitglied der Grünen-Fraktion, hat da jedenfalls eine klare Meinung: Nein, das geht gar nicht.

Vize-Bürgermeisterin Angelika Kammerl - hier bei der Ansprache zum Fest für Ehrenamt und Demokratie. (Foto: Arlet Ulfers/Arlet Ulfers)
Sorgt sich um demokratische Grundwerte: Kerstin Täubner-Benicke (Grüne). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Es ist lange her, dass es im Starnberger Stadtrat persönliche Erklärungen mit Attacke gegeben hat. Mit Amtsübernahme von Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS) im Mai 2020 war eine gewisse Ruhe eingekehrt. Der zeitweise pöbelhafte und polternde Stil einiger weniger Mandatsträger wich - fast schon langweilig - einem souverän kollegialen Umgang. Doch in Zeiten des Wahlkampfs ändert sich so manches - auch in Starnberg.

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Zurück in den Stadtrat: Täubner-Benicke bittet um Gehör für eine persönliche Erklärung. Sie würdigt die Grundwerte von Demokratie, Grundgesetz und Menschenrechten, kommt dann aber etwas ungelenk zum Kern der Sache: Sie verortet in Erding eine Kampagne, die von Übertreibungen, Verzerrungen, Lügen und der Ausblendung von Fakten lebt. Es sei "etwas verrutscht in unserem Land" angesichts der massiven Kritik an den Grünen. Und dann sitzt da ausgerechnet Frau Kammerl im Geiste "mit ihrem Schild Grüne, nein danke hier vor mir als Sitzungsleitung im Stadtrat".

Täubner-Benicke fragt, ob die Gescholtene nun auch die Zusammenarbeit mit einem Fünftel des Stadtrats sowie den fast 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler dieser Stadt verweigert und kommt - wenig überraschend - zum Schluss: "Diese Amtsauffassung kann ich nicht teilen." Schließlich habe auch die Union ihr Scherflein zum Unglück dieser Welt beigetragen: Klimakrise, Wetterextreme, Dürren, Auswirkungen auf Gesundheit und Landwirtschaft, vom Bezirk bis zum Bund. "Und Sie arbeiten sich an einem erfundenen Gender- und Veggiezwang, an einer angeblichen Heizungsideologie ab?", fragt Täubner-Benicke. Oder, auf Bairisch: "Wo samma denn? Habt's ihr keine anderen Probleme?"

"Wir sollten uns nicht gegenseitig verunglimpfen."

"Wahlkampfgetöse", erschallt es derweil aus den Reihen der CSU, Ortschefin Charlotte Meyer-Bülow hat genug: "Es war eine ganz normale Demonstration." Im übrigen Gremium herrscht derweil heitere Gelassenheit, zumal Täubner-Benicke zum Abschluss ihrer Rede versöhnlich wird: "Wir brauchen für die Zukunftsaufgaben alle Kraft und sollten uns nicht gegenseitig verunglimpfen." Leicht verdattert lässt Kammerl alles über sich ergehen, erklärt dann aber: "Ich bin auch Privatperson." Sie lasse sich ihr Recht auf eine Demonstrationsteilnahme nicht nehmen und sei mit der aktuellen Regierungspolitik nicht einverstanden. Klimarettung lasse sich eben nicht mit der Brechstange erzwingen.

Kurz darauf sind wieder alle nett zueinander. Heißer Vorwahlkampf im Sommer? Fehlanzeige. Nur einer hat das irgendwie nicht mitbekommen: Johannes Glogger von der WPS attackiert zum Sitzungsende eine Zuhörerin ("Wer sind Sie denn?") und befürchtet, dass seine Gruppierung wieder einmal mit der AfD verglichen werden könnte. Dabei kandidiert die WPS gar nicht für den Landtag. Und findet sich auch nicht auf Facebook.

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