Urteil in Starnberg:"Der Fehler, der Leo das Leben gekostet hat"

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In der Bucht vor dem Münchener Ruder-Club in Starnberg hatten etwa 20 Schüler bei böigem Wind und Wellengang ihr Training begonnen - von dem Leo nicht wiederkam. (Foto: Georgine Treybal)

Der 13-jährige Gymnasiast ertrinkt beim Rudertraining auf dem Starnberger See. Zum Prozess erscheinen die Eltern und seine besten Freunde. Das Amtsgericht verurteilt beide Betreuer zu einer Geldstrafe.

Von Christian Deussing, Starnberg

Otto Subklewe und Lucas Wang waren Leos beste Freunde, mit dessen Konterfei erscheinen sie am Montag im Amtsgericht Starnberg. "Justice for Leo" ist auf ihren T-Shirts aufgedruckt. Die früheren Mitschüler des 13-jährigen Münchner Gymnasiasten, der am 19. April 2015 im acht Grad kalten Wasser beim Schüler-Rudertraining im Starnberger See ertrank, hoffen auf einen Schuldspruch gegen die damaligen Betreuer. Ebenso wie Leos Mutter, Magda-Lia Bloos, die mit ihrem Ehemann den Verlust ihres einzigen Kindes beklagt. Mit einer Fehlentscheidung hätten die Übungsleiter Leo in eine ausweglose Situation gebracht und ihn "somit auf dem Gewissen", sagt die Mutter.

Sechs Jahre nach dem Unglück hat das Amtsgericht die angeklagten Trainer - einen 72-jährigen Biologen und einen 55 Jahre alten Mediziner - wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu je 90 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Die beiden Münchner hatten in dem langjährigen Verfahren bereits 10 000 beziehungsweise 35 000 Euro an gemeinnützige Organisationen gezahlt, was im Urteil berücksichtigt wurde. Die Verteidiger hatten hingegen wegen unzureichender Aktenlage eine Einstellung des Verfahrens oder zumindest einen Freispruch für ihre Mandanten gefordert.

Unklar blieb im Prozess, ob Leo ins Wasser gefallen war oder in einer Notlage zum etwa 400 Meter entfernten Westufer schwimmen wollte. Der hochgewachsene Ruderanfänger war einem Einerboot zugeteilt und offenbar angewiesen worden, allein in einem Bojenfeld vor dem Münchener Ruder-Club (MRC) in Starnberg im Kreis zu rudern. Doch nach etwa 18.15 Uhr war Leo nicht mehr von den Trainern gesichtet worden, die größere Boote außer Sichtweite am Ostufer begleitet hatten, wie ermittelt wurde.

Amtsrichterin Karin Beuting warf den Betreuern vor, den Buben nicht ausreichend beaufsichtigt zu haben. Sie kreidete den erfahrenen Übungsleitern an, den Schüler trotz erhöhter Gefährdung an diesem Kaltwassertag deutlich zu lang ohne Aufsicht gelassen zu haben. Das sei "der Fehler gewesen, der Leo das Leben gekostet hat". Und an diesem Versagen bestehe kein Zweifel, begründete die Richterin ihr Urteil.

Auch Staatsanwalt Marc Heim sah es als erwiesen an, dass gegen Aufsichtsregeln des MRC verstoßen worden und die besondere Verantwortung bei einem Kinder- und Jugendtraining dieser Sportart missachtet worden sei - und man deshalb von fahrlässiger Tötung sprechen müsse. Der 13-Jährige sei ohne Handy, Sicherheitsweste und motorisiertes Begleitboot allein auf dem See gewesen.

Anwältin Annette von Stetten, die Leos Eltern in der Nebenklage vertrat, prangerte weitere "massive Versäumnisse" an. Denn unter den Witterungsbedingungen und in der "potenziell lebensgefährlichen Situation" hätten die Angeklagten das Kind in einem Einerboot ohne Sichtkontakt und Kentertraining gar nicht erst aufs eiskalte Wasser lassen dürfen - zumal stattdessen ein Trockentraining auf dem MRC-Gelände möglich gewesen wäre, sagte von Stetten. Es sei auch unverständlich, warum Leos Verschwinden erst nach dem Training gegen 19.45 Uhr bemerkt worden sei, als der Vater seinen Sohn auf dem Club-Gelände abholen wollte.

Die Verteidiger wiesen die Vorwürfe zurück und stellten klar, dass der genaue Hergang des Unfalls nicht aufgeklärt werden konnte. Überdies sei es auch möglich, dass der Schüler Anweisungen nicht gefolgt und auf den See hinaus gerudert sei.

Mit dem Schuldspruch der mangelnden Aufsicht und mit der öffentlichen juristischen Aufarbeitung des Unglücks habe man aber nach Jahren wenigstens etwas in dem Fall erreichen können, sagten die Eltern nach dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist.

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Ruderunglück auf dem Starnberger See
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Der 13-jährige Leo ertrinkt bei einem Rudertraining im acht Grad kalten Wasser. Sechs Jahre nach diesem Unglück müssen sich die Trainer vor Gericht verantworten. Sie zeigen sich sichtlich erschüttert.

Von Christian Deussing

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