Musik:Duo mit klassischem Weitblick

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Seit zehn Jahren ein eingespieltes Team: Cellistin Raphaela Gromes und Pianist Julian Riem. (Foto: Nila Thiel)

Eine Zufallsbegegnung beim Richard-Strauss-Wettbewerb brachte die Starnberger Cellistin Raphaela Gromes und Pianist Julian Riem vor zehn Jahren zusammen. Seither musizieren beide mit großem Erfolg gemeinsam.

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Ihre Wege zur Musik hätten unterschiedlicher nicht verlaufen können: Sie von Kindesbeinen an mit Musik und Kultur auf Tuchfühlung, er der Natur zugewandt, der die Musik eher zufällig für sich entdeckte. Als aber die Starnberger Cellistin Raphaela Gromes 2012 beim Richard-Strauss-Wettbewerb in Garmisch-Partenkirchen antrat, wo sie der Münchner Pianist Julian Riem begleitete, war auf Anhieb klar: Sie können hervorragend miteinander. Seitdem sind sie als Duo erfolgreich und produktiv. Und nach den Gemeinsamkeiten muss man nicht lange suchen: Beide sind bodenständig, geerdet, fern jeglicher Starallüren und mitnichten auf die Karriere fixiert. Und gerade das scheint sie voranzubringen.

Bei frisch gebrühter Verbene aus dem Garten ging es im Gespräch mit der SZ darum weniger um die großen Themen der Musikerkarrieren. Als geradezu uninteressant tut Raphaela Gromes ihren Werdegang ab. Schon ihre Existenz sei dem Cello zu verdanken: Ihre Eltern waren an der Münchner Musikhochschule Schüler des tschechischen Cellisten Jan Polášek. Ihre Erziehung prägte aber "nicht nur Musik, sondern auch Literatur, Kunst ...", betont Gromes ausdrücklich. Zu den gespielten Werken gehörte also immer auch der jeweilige Zeitgeist, was ihren künftigen Berufsweg zunächst offen hielt. Angesichts ihrer Liebe zur Oper hätte sie sich damals durchaus vorstellen können, in einem Opernorchester mitzuwirken. Dann kam die Wendung: Zehn Jahre schon hatte sie Cello gespielt, als sie als 14-Jährige ihre erste Konzerterfahrung mit Orchester machte. "Das Lebendige, der Kontakt zum Orchester und zum Publikum", aber auch der Adrenalinstoß hatten sie gefangengenommen. Und diese Erfahrung überdauerte selbst ihr Eins-Null-Abitur mit der vielleicht näher liegenden Überlegung, Medizin zu studieren. Mit 14 schon wurde Gromes Jungstudentin in Leipzig bei Peter Bruns, mit 19 setzte sie ihr Studium bei Wen-Sinn Yang in München fort und beendete es vorerst bei Reinhard Latzko in Wien. In Meisterkursen vervollkommnete sie dann ihr Spiel, der berühmte US-amerikanische Cellist Yo-Yo Ma sprach gar eine Empfehlung aus.

Es war ihr immer etwas peinlich, von ihrem Vater mit stolzgeblähter Brust präsentiert zu werden

Dass alles so rosig klingt, hat Gromes aber wohl eher ihrer gefestigten Persönlichkeit zu verdanken, denn so glatt lief nicht alles. "Meine Eltern trennten sich, als ich neun war", sagt sie. Doch ihr Vater Wilhelm Gromes, Cello-Pädagoge an der Starnberger Musikschule, habe sich im Souterrain eine Wohnung eingerichtet und sei in ihrer Nähe geblieben. Töchter und Väter sind eben ein Kapitel für sich. Klein-Raphaela folgte auch der Vorliebe ihres Vaters zum Rock und spielte mit großem Engagement in der Celloband Cellica. Es sei ihr zwar etwas peinlich gewesen, von ihrem Vater immer mit stolzgeblähter Brust präsentiert zu werden. Im Nachhinein aber sei sie ihrem Vater für all das sehr dankbar. Es ist viel Bewunderung herauszuhören, vor allem für seine menschliche Größe in den letzten Monaten vor seinem Tod an Leukämie 2019 trotz zunächst vielversprechender Knochenmarktransplantation. Er habe über den Tod reflektiert und ließ sie daran teilhaben.

"Ich bin dankbar, dass wir die Zeit hatten", sagt sie. Seither ist Raphaela Gromes Botschafterin der José Carreras Leukämie Stiftung und war bereits zweimal zu Gast in dessen vom Fernsehen übertragenen Konzerten. Und es war nicht leicht: Sie habe das "Ave Maria" zum Gedenken an die Leukämie-Opfer spielen müssen, unter denen auch ihr Vater zu sehen war. Und die Tränen von damals kommen ihr bis heute. Der Erlös der Duo-CD mit Cello-Sonaten von Richard Strauss - darunter die Weltersteinspielung der ersten Version des op. 6 - geht ebenfalls an die José Carreras Leukämie-Stiftung. Und auch das verbindet Gromes und Riem musikalisch auf besondere Weise: Sie forschen, stöbern, entdecken.

Raphaela Gromes und Julian Riem 2020 bei den Tutzinger Brahmstagen in der Aula des Gymnasiums. (Foto: Arlet Ulfers)

Die CD "Imagination" - eingespielt mit Gästen - dokumentiert, was das Duo musikalisch umtreibt. Gegebenenfalls arrangiert Riem auch Stücke für die jeweils verfügbare Besetzung. Dass er das so gut kann, entdeckte er eher zufällig. Julian Riems Eltern hörten zwar Jazz, aber ansonsten gab es keinen Bezug zur Musik. "Bei uns stand ein Klavier herum, auf dem selten jemand gespielt hat", erinnert er sich. Ein Nachbar habe gelegentlich den Flohwalzer darauf geklimpert, was nicht gerade motivierte. Das änderte sich, als ihm sein Vater eine Musikkassette des Jazzpianisten Oscar Peterson schenkte. Der Wunsch, dies nachzuspielen, brachte Riem auf die Idee, die gehörte Musik zu notieren. Dabei entdeckte er nicht nur das absolute Gehör bei sich, sondern auch den Durchblick bei komplexen musikalischen Strukturen. "Da merkte ich erst, dass ich etwas Besonderes kann".

Dass er sich nach dem Abitur an der Musikhochschule bewarb und nicht seinem Interesse an den Naturwissenschaften folgte, lag an der Aussicht, vom Bundeswehrdienst zurückgestellt zu werden. Und erst im Studium merkte er, dass sein Platz am Flügel richtig ist. "Jazz interessiert mich immer noch, aber ich merkte, dass es nicht geht, beides zu spielen", sagt er heute. Sein Vergnügen am Jazz stillt er daher seither vom Publikum aus, vor allem in der Münchner Unterfahrt. Nach dem Studium in München bei Michael Schäfer ging es dann nach Paris zu Michel Béroff - Pianist und Dirigent - und schließlich nach Basel zu Rudolf Buchbinder, ein österreichischer Pianist. Erfolge bei Musikwettbewerben und Musikstipendien folgten, sodass Riem bald als gefragter Pianist sowohl im solistischen wie kammermusikalischen Fach weltweit tätig wurde. 2012 begleitete er als Protegé von Brigitte Fassbaender den Richard-Strauss-Wettbewerb, den eben Raphaela Gromes gewann.

Beide sind Kulturbotschafter der SOS-Kinderdörfer

Für Gromes sollte sich diese Begegnung als wahrer Türöffner erweisen, zumal Riem half, sich im Musikbetrieb zurechtzufinden. So kamen für Gromes das Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes dazu, ferner Förderung von Yehudi Menuhin Live Music Now und auch eine Agentur, die ihr eine Menge Organisationsarbeit und Verhandlungen abnimmt, Sony als CD-Label sowie Direktkontakte zu Dirigenten und Konzertveranstaltern. Gromes war so mit nur 21 Jahren definitiv in der Professionalität angekommen. "Eigentlich lebe ich meinen Traum", bestätigt sie, auch wenn der Traum durch Corona gerade gestört ist. Aber einmal mehr sah sie die Lage pragmatisch und machte ein Pflegepraktikum im Starnberger Klinikum: "Ich wollte etwas tun, um zu helfen und die katastrophale Situation etwas zu verbessern". Aber all das Leid ging ihr zu nah.

Als weltweite Kulturbotschafter der SOS-Kinderdörfer tun Gromes und Riem dennoch reichlich Gutes. "Menschen sind mir das Wichtigste", betont Gromes. Ihre Freundschaften sind denn auch echt, soll heißen: nicht virtuell. Sie treffe sich regelmäßig mit ihren engen Freundinnen. "Es gibt Zeiten, da sehe ich keinen", bedauert sie. Wenn sie viel zu tun hat, bleibt ohnehin kaum Zeit für andere Dinge. Die Liste der weltweiten Konzerttourneen, Engagements, Festivalteilnahmen, CD-Produktionen oder Preisverleihungen sind bei Gromes wie Riem lang und mit Starbesetzungen verziert. Aber manchmal ruft auch der Berg - ohnehin immer in Sicht hinterm See von der Anhöhe in Feldafing aus. Einen weiten Horizont brauchen beide.

Das Duo Raphaela Gromes und Julian Riem sind demnächst im Landkreis Starnberg live zu hören: Am Mittwoch, 6. April, um 19.30 Uhr in der Heilig-Geist-Kirche (Kulturkirche) Breitbrunn am Ammersee sowie am Freitag, 20. Mai, um 19 Uhr im Alten Sudhaus des Schlosses Seefeld.

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