Amtsgericht Starnberg:"Ich dachte, mein Leben ist vorbei"

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Ein Kfz-Meister wehrte sich vor dem Starnberger Amtsgericht gegen einen Strafbefehl. (Foto: Georgine Treybal)

Ein 56-jähriger Autofahrer rammt einen Rollstuhlfahrer und verletzt ihn. Weil er als Notarzt arbeitet, wird ein Fahrverbot ausnahmsweise aufgehoben.

Von Christian Deussing, Starnberg

Der Autofahrer war nur einen winzigen Augenblick unachtsam, als er beim Abbiegen von der Mozartstraße nach links auf die Bundesstraße 2 in Starnberg einen Rollstuhlfahrer übersah und mit ihm kollidierte. Bei dem Unfall, der im vergangenen August passiert war, stürzte der Rentner aus seinem Rollstuhl mit Elektromotor und erlitt dabei Schädel- und Rippenprellungen. Der Unfallverursacher erhielt wegen fahrlässiger Körperverletzung einen Strafbefehl in Höhe von 1500 Euro und einen Monat Fahrverbot. Doch dagegen legte der Mediziner Einspruch ein, das Starnberger Amtsgericht befasste sich am Dienstag mit dem Fall.

In der Verhandlung räumte der 56-jährige Angeklagte, der als Notarzt tätig ist, seine Schuld an dem Unfall ein. "Ich hatte ihn erst im letzten Moment gesehen", beteuerte er im Prozess. Nach der "Minimalkollision" habe er den Rollstuhlfahrer sofort versorgt und seine Kollegen verständigt. Später besuchte er den verletzten Senior im Krankenhaus, entschuldigte sich nochmals bei ihm und besorgte einen neuen Rollstuhl.

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Der Angeklagte verwies aber auch auf seine besonderen beruflichen Umstände und die Folgen, sollte er ein Fahrverbot erhalten. Ein solches Verbot wirke sich auf die notfallärztliche Versorgung aus und reiße Lücken in den Dienstplan, die Kollegen nicht kompensieren könnten. Das bestätige die Kassenärztliche Vereinigung. Der Mediziner wies zudem darauf hin, dass Palliativ-Patienten auf seine Hausbesuche angewiesen seien und er für seine Noteinsätze jährlich Fahrsicherheitsprüfungen und Reaktionstests absolvieren müsse.

Zum Unfallgeschehen wurde im Gericht auch der Rollstuhlfahrer befragt, der damals die Fahrbahn überqueren wollte. "Plötzlich hat es geknallt und ich dachte, mein Leben ist vorbei", berichtete der 85-Jährige. Der Rentner war wegen Gleichgewichtsstörungen auf den Rollstuhl angewiesen und gerade vom Einkaufen gekommen. Der Starnberger nahm den Angeklagten in Schutz, lobte ausdrücklich dessen Verhalten nach dem Unfall und bat das Gericht, kein Fahrverbot zu verhängen. "Es ist wichtig, dass der Doktor seinen Job weiter machen kann. Wir brauchen doch die Notärzte", sagte der Senior. Damit so ein Unfall nicht mehr passiere, trage er jetzt eine "alarmrote Mütze".

Es gehe hier um besondere Umstände, betont die Verteidigerin

Der Staatsanwalt hielt die Aussagen des Unfallopfers für glaubwürdig, das so viel Verständnis für den Angeklagten aufbrachte. Trotzdem forderte der Strafverfolger eine Geldstrafe von 1800 Euro und nach wie vor ein vierwöchiges Fahrverbot. Das wollte die Verteidigerin aber unbedingt verhindern. Denn ein solches Verbot würde bedeuten, dass womöglich nicht alle Notfalldienste besetzt werden könnten. Es gehe hier um besondere Umstände und nicht um "eigensüchtige Motive", betonte die Anwältin.

Das Gericht sah daher eine Geldstrafe in diesem speziellen Fall für ausreichend an und verzichtete auf ein Fahrverbot. Dennoch mahnte die Richterin den Angeklagten, das Urteil nicht als "Freifahrtschein" für verkehrswidriges Fahrverhalten aufzufassen. Man müsse zudem froh sein, dass bei dem Unfall nicht mehr passiert sei und der Rentner keine bleibenden Schäden erlitten habe, so das Gericht.

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