Adelheid Rupp geht gerne in die Berge, und wie allen anderen Gipfelstürmern, die die Augen nicht vor der Wahrheit verschließen, fallen der bayerischen "Die Linke"-Landesvorsitzenden bei ihren Ausflügen die Folgen des Klimawandels auf: Die Gletscher gehen zurück, der Permafrost wird weniger. "Man kann das ganz deutlich sehen", sagt Rupp. Eigentlich muss man dafür heutzutage ja auch gar nicht mehr in die Berge fahren. Die Folgen der Erderwärmung lassen sich ja auch anderswo feststellen, in brennenden Wäldern zum Beispiel oder überschwemmten Dörfern. Und die Politik hat es über Jahrzehnte hinweg versäumt, etwas dagegen zu tun. Auch die jetzt ergriffenen Maßnahmen und Vorhaben werden wohl nicht ausreichen, um die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen.
So weit, so klar also. Nur: Wie weit darf man gehen, um seiner Forderung, die Politik möge doch bitte mehr fürs Klima tun, Nachdruck zu verleihen? Darüber diskutiert das Land, und je länger diese Debatte andauert, desto unsachlicher und hitziger wird sie. So zumindest die Diagnose der Partei Die Linke, die am Mittwochabend zu einer Diskussionsrunde in den Kleinen Saal der Schlossberghalle eingeladen hat. Zuhörer kamen nur wenige.
Newsletter abonnieren:SZ Gerne draußen!
Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.
Denn für die extra angereiste Adelheid Rupp, die Aktivistin Lisa Poettinger und Jörg Jovy, den Starnberger Direktkandidaten für die Landtagswahl, steht fest: Die Sicherheitsbehörden kriminalisieren die Proteste für mehr Klimaschutz vorschnell und gehen deshalb auch unverhältnismäßig gegen die Aktivisten vor - unter anderem gegen jene der "Letzten Generation". "Es gibt kein Urteil, dass die Letzte Generation eine kriminelle Organisation ist", sagt Jovy. Dennoch werde sie von manchen Sicherheitsbehörden als solche angesehen.
Der Begriff der "drohenden Gefahr" eröffnet Beamten großen Spielraum bei Aktionen der Klimaaktivisten
Die Rechtsgrundlage dafür: das nicht nur von der Linken vielfach kritisierte Polizeiaufgabengesetz. Denn der darin verankerte Begriff der "drohenden Gefahr" eröffnet den Beamten großen Spielraum, die genaue Definition des Begriffs fehle, so Poettinger. Auch die in dem Gesetz festgehaltene Möglichkeit der Präventivhaft sieht Die Linke kritisch. Damit können Menschen nicht wegen einer begangenen Tat, sondern zur Verhinderung möglicher Straftaten in Haft genommen werden - der Zeitraum kann dabei immer wieder verlängert werden.
Dieses Mittel werde von den Sicherheitsbehörden zunehmend gegen die Klimaaktivisten angewandt, um den Protest mundtot zu machen, erklärte Poettinger: "Die Repressionen nehmen zu." Auch Rupp, die als Anwältin mehrere Mitglieder der "Letzten Generation" vertritt, kommt zu diesem Schluss. Man müsse die Aktionen der Organisation nicht gut heißen, sagt sie. Aber das Vorgehen der Behörden habe das Zeug dazu, den Rechtsstaat zu untergraben. Denn eigentlich sei es unvorstellbar, dass hierzulande jemand aus politischen Gründen und ohne Urteil oder Anklage in Haft muss.
Auch Poettinger hat wegen ihres Engagements in der Klimabewegung schon des Öfteren mit der Polizei zu tun gehabt. Man habe ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie unter Beobachtung stehe, sagte sie. Dabei sei sie ja eigentlich aus einem "tiefst sozialen Grund" politisch aktiv: Poettinger will verhindern, dass noch mehr Menschen wegen der Erderwärmung ihre Heimat verlassen müssen. Denn das würde ja noch mehr Leid und Ungerechtigkeit auf der Welt bedeuten. Dafür stehe sie nun im Fokus der Behörden. "Wenn du dich konsequent gegen die Klimazerstörung einsetzt", sagt sie, "wirst du zum Staatsfeind gemacht".