Prozess:"Wie eine gesengte Sau"

Lesezeit: 3 min

Das Gerichtsgebäude für das Landgericht in der Nymphenburger Straße. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ein 22-jähriger Bürokaufmann aus dem Landkreis Starnberg muss sich wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens auf der A 95 und einer brutalen Attacke auf seine Freundin vor dem Landgericht München II verantworten.

Von Andreas Salch, Starnberg/München

Die Mitteilung klang bedrohlich: Es ist der frühe Abend des 13. Juni 2021, als zwei Beamte der Verkehrspolizeiinspektion Weilheim von ihrer Einsatzzentrale informiert werden, dass der Fahrer eines grauen 430 Ps-starken BMW M 4 auf der A 95 von Süden kommend Richtung Starnberg rast. Der Bolide soll teilweise mit bis 234 Kilometern in der Stunde unterwegs sein. Es habe sich "fast wie eine Amokfahrt angehört", erinnerte sich jetzt einer der beiden Streifenbeamten, die an jenem Tag auf der A 95 im Einsatz waren, bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht München II.

Auf der Anklagebank sitzt der damals 19-jährige Vincent K. ( alle Namen geändert). Er fuhr damals den BMW. Neben ihm im Auto hatte sein Bruder Finn Platz genommen, dem der Wagen gehört. Finn K. hatte die Polizei über Notruf alarmiert, dass sein Bruder "die ganze Zeit am Ausrasten" sei und "wie eine gesengte Sau mit über 200 Kilometern in der Stunde" auf der Autobahn fahre. "Es wird langsam kritisch, was der hier macht", warnte Finn K. die Beamtin, die den Notruf entgegengenommen hatte und fügte hinzu: "Das Auto is scho a bissl a Waffe." Die Polizei war alarmiert.

Finn K. forderte seinen Bruder immer wieder auf, anzuhalten, wie auf dem aufgezeichneten Notruf, den das Gericht vorspielte, zu hören ist. Zunächst hatten die Bitten des Bruders keinen Erfolg. Erst bei der Anschlussstelle Wolfratshausen nahm Vincent K. den Fuß vom Gas, bog ab und fuhr den BMW auf einen Pendlerparkplatz nahe der Autobahnabfahrt. Kurz darauf kamen zwei Streifenfahrzeuge der Polizei, die Situation eskalierte.

Vincent K. widersetzte sich der Kontrolle, leistete Widerstand und verletzte zwei der Polizisten, als er zu Boden gebracht wurde. Das Geschehen hat eine Bodycam eines der Polizisten aufgezeichnet.

Das Amtsgericht Starnberg hatte Vincent K. Anfang Dezember vergangenen Jahres unter Einbeziehung einer Vorstrafe zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt - unter anderem wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und einer Attacke auf seine ehemalige Freundin. Laut Urteil hatte der Bürokaufmann sie im Mai 2022 in München auf offener Straße mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Als die junge Frau am Boden lag, soll er ihr noch "mindestens 15 Faustschläge in das Gesicht" versetzt haben. K.s Freundin erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma.

Der Bruder rudert zurück. So schlimm sei es gar nicht gewesen

Gegen seine Verurteilung durch das Amtsgericht Starnberg hat Vincent K. jetzt vor dem Landgericht München II Berufung eingelegt. Ebenso die Staatsanwaltschaft. Sie fordert eine noch höhere Strafe für den inzwischen 22-Jährigen. Am ersten Verhandlungstag an diesem Montag räumte der Bürokaufmann aus dem Landkreis Starnberg lediglich ein, dass er an jenem 13. Juni 2021 mit dem BMW seines Bruders von Lenggries aus kommend auf die A 95 bei Sindelsdorf gefahren sei. Er sei damals "relativ in Gedanken" gewesen, sagte K. Zuvor habe er mit seinem Bruder seinen Vater besucht. Das Verhältnis soll belastet sein. Er sei etwas "zügiger gefahren", so der 22-Jährige, aber nicht "übermäßig schnell". Jedenfalls nicht so schnell, wie sein Bruder der Polizei in dem Notruf mitgeteilt habe. Er, so Vincent K., sei enttäuscht gewesen, dass sein Bruder ihn aufgefordert habe, anzuhalten und auszusteigen. Er habe gedacht, sein Bruder würde ihn dann stehen lassen und allein weiterfahren. Bei der Kontrolle durch die Polizei sei er "sehr aufgelöst" gewesen und sei gefesselt worden. "Ich wusste nicht, was ich falsch gemacht habe", sagte Vincent K. bei seiner Vernehmung.

Finn K., der gegen seinen Bruder eigentlich gar nicht aussagen müsste, sagte bei seiner Vernehmung durch die Vorsitzende Richterin: "Es war nicht so schlimm, wie ich es am Telefon ( gemeint ist: der Polizei; Anm. der Redaktion) wiedergegeben habe." Inzwischen "schäme" er sich, dass er den Notruf abgesetzt habe. "Ich habe etwas überreagiert", findet der Kundendienstleiter aus dem Landkreis Starnberg. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat für diesen Sinneswandel offenbar wenig Verständnis und kündigte Finn K. an, dass er wohl Probleme mit ihm bekomme. Entweder wegen Vortäuschens einer Straftat oder Falschaussage. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivUmstrittene Grundstücksgeschäfte
:In Grund und Boden

Seit Jahrzehnten kauft Johann Strein im Münchner Umland Ackerflächen auf und preist sie für ein Vielfaches als Bauland von morgen an, so auch in Tutzing am Starnberger See. Über einen streitfreudigen Mann und das Geschäft mit der Hoffnung.

Von Viktoria Spinrad

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: