Brauchtum:Die Pracht der Tracht

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Eher ausgefallen statt traditionell: Bettina Krebs hat sich auf Modelle spezialisiert, die es nicht überall gibt. (Foto: Nila Thiel)

Nach der Wiesn ist vor der Kirchweih - und zu diesen Anlässen ist für viele das Dirndl das Kleidungsstück der Wahl. Die Tracht hat sich über die Jahrzehnte stark verändert. Ein Überblick von Otterfellmützen bis hin zu Neonfarben und Leoparden-Mustern.

Von Yara van Kempen und Mascha Plücker, Starnberg/Herrsching

Am Wochenende ist mal wieder Kirchweih - sowohl in Starnberg als auch dem Rest Bayerns. Dies gibt allen, die nach der Wiesn noch nicht bereit dafür sind, ihre Dirndl bis zum nächsten Jahr im Kleiderschrank zu verstauen, die Chance, sich traditionell in Schale zu werfen. Egal zu welchem Anlass - die Tracht, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert als Arbeitskleidung österreichischer Dienstmägde hat, erfreut sich auch mehr als ein Jahrhundert nach ihrer Entstehung großer Beliebtheit. Es gibt ja auch alle möglichen Variationen: farbenfroh, schlicht, einheitlich, individuell, aufreizend, traditionell. Mit dem ursprünglichen Gewand hat das oft nicht mehr viel gemeinsam. Doch welche Ansprüche muss das Dirndl für seine Trägerin erfüllen? Das kommt ganz darauf an, wen man fragt. Im Landkreis Starnberg gibt es unter den Expertinnen und Experten in Sachen Tracht dazu durchaus unterschiedliche Auffassungen. Ein Überblick.

Der Trachtenverein

Der Heimat- und Trachtenverein Starnberg wurde 1907 als einer der ersten seiner Art gegründet. Das Trachtentragen bedeutet für Trachtenwartin Cornelia Schulz "Tradition und alte Werte leben, weitertragen und lebendig halten". Eine Differenzierung zwischen historischem Gewand, die im Verein zu festlichen Vereinsanlässen getragen wird, und den Outfits, die auf dem Oktoberfest zur Schau gestellt werden, ist Schulz deshalb sehr wichtig.

"Mit dem Dirndl ist man immer passend angezogen", findet Conny Schulz vom Heimat- und Trachtenverein Starnberg. (Foto: Nila Thiel)

Die traditionelle, örtlich ansässige Fischertracht entspringe laut Schulz aus einer Anlehnung an die damalige höfische Mode. Und überhaupt: Wer was trug, ließ früher Rückschlüsse auf die Herkunft der Trachtenträgerin zu. Daher sei das Tragen auch heute noch Ausdruck von Gruppenidentität und Zugehörigkeit, erklärt Schulz.

Das Dirndl sieht sie als etwas alltäglichere Tracht. Schulz trägt ihres gern und viel. "Mit dem Dirndl ist man immer passend angezogen", findet sie. Sie blickt positiv auf die Entwicklung des Dirndls und findet es schön, dass die Tracht durch die Volksfeste wieder eine Renaissance erfahren hat. Das Dirndl sei, wie jedes andere Kleidungsstück, im modischen Wandel. Daher sei es natürlich, dass sich das Gewand mit der Zeit weiterentwickelt.

Der Familienbetrieb

Der Familienbetrieb "Hembergers Tracht und Zeitlos" für hochwertige Edel-Dirndl wurde vor etwa 30 Jahren von Monika Sedlmayrs Mutter, Anneliese Hemberger, in Andechs eröffnet. Im Jahr 2019 übernahm Sedlmayr, geborene Hemberger, das Trachten-Imperium und verschob den Standort von Andechs nach Herrsching.

Puffärmel haben ausgedient: Monika Sedlmayr vom Hemberger-Trachtenladen. (Foto: Nila Thiel)

Ihre Dirndl seien komplett "Made in Europe", erklärt Sedlmayr - zumindest was die Produktion anbelangt. In der diesjährigen Kollektion gab es italienische Stoffe, deren Stickereien von venezianischen Fresken inspiriert sind, sagt Sedlmayr. Die Hemberger-Dirndl fokussieren mehr auf das Tragegefühl und den Schnitt als den ganzen "Schnickschnack", den viele moderne Dirndl haben. Der derzeitige Trend, den Sedlmayr beobachten konnte, ist Ton in Ton. Puffärmel hätten zudem ausgedient. Und: Seit zwei Jahren seien Samt-Dirndl besonders beliebt.

Die Boutique

Dass die 14 Jahre alte Boutique Modafein in Starnberg eine modernere Vorstellung von Trachten hat, lässt sich beim ersten Blick ins Schaufenster erkennen. Hier reihen sich neonfarbene Dirndl neben welche mit Leoparden-Muster. Inhaberin Bettina Krebs aus Berg hat dieses Jahr erstmals seit einigen Jahren wieder Dirndl ins Sortiment aufgenommen. Die Kollektion von Ursula von Minckwitz dürfte für Liebhaber traditioneller Tracht sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig sein. Krebs wählte die unkonventionellen Designs, da sie selbst aufgrund ihrer Herkunft aus der Pfalz nicht so traditionsgebunden sei. Daher setzt sie ihren Fokus mehr auf den Modeaspekt statt auf Tradition. "Ich bin extrovertiert und deshalb biete ich auch das Extrovertierte in meiner Mode", erklärt sie.

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Daher suche in ihrem Laden auch keiner das Traditionelle. Stattdessen kämen die Kundinnen und Kunden auf der Suche nach etwas "Besonderem" zu ihr. Aus den etwa 100 verschiedenen Modellen der Kollektion verkaufen sich starke Farbkombinationen wie Pink und Orange besonders gut. Krebs persönliches Lieblingsdirndl ist ein Bustier-Dirndltop mit einem fliederfarbenen Rock. Der Preis für die ausgefallenen, in Deutschland hergestellten Dirndl liegt zwischen 250 und 300 Euro.

Ein Dirndl kann viel verschiedene Bedeutungen und Gewichtungen annehmen. Mittlerweile ist es nicht mehr nur eine Tracht, die für Tradition und Gruppenidentität steht, sondern kann genauso gut als peppiges Minikleid getragen werden kann. Bayern ist vielseitig und die Trägerin macht das Dirndl - und umgekehrt. Durch etwas Kreativität kann Tradition also ganz neu eingekleidet werden.

Kirchweih - ein paar ausgewählte Veranstaltungen

  • Herrsching, 15. Oktober: Kirchweihmarkt, von 11 bis 16 Uhr
  • Neuried, 14. Oktober: Konzertabend um 19.30 Uhr im Neurieder Pfarrsaal, Maxhofweg 7
  • Raisting, 15. Oktober: Treffen im Beckadisi-Stadl an der Dießener Straße, Zeitpunkt: "Nach der Messe"
  • Raisting, 16. Oktober: Betteltanz, Treffpunkt für die Damen: 13 Uhr, Gasthof Drexl, Treffpunkt der Herren: 13.30 Uhr, Gasthof zur Post.
  • Schondorf, 15. Oktober: Ab 15 Uhr Feier im Trachtlerheim in Oberschondorf, Gartenäcker 21.
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