Soziales:Kinderschutzbund in Not

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Für vernachlässigte Kinder und Familien im Problemlagen ist der Kinderschutzpunkt eine erste Anlaufstelle. (Foto: SOS-Kinderdorf e.V.; Pfütze/obs)

Weil Zuschüsse schwinden und Spenden drastisch zurückgehen, startet der Starnberger Hilfsverein eine Kampagne. Ziel der Aktion: 45 Sponsoren, denen Kinder, Jugendliche und Familien am Herzen liegen.

Von Sabine Bader, Starnberg

Die gute Nachricht zuerst: Den Kinderschutzbund (DKSB) im Landkreis Starnberg gibt es jetzt schon seit 45 Jahren. Wer aber glaubt, es steht nun eine Geburtstagsparty an, der irrt. Denn den Verantwortlichen ist ganz und gar nicht nach Feiern zumute, sind doch die öffentlichen Zuschüsse und Spenden für die gemeinnützige Organisation drastisch eingebrochen - eine dramatische Entwicklung.

Aber Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so starten Vorstandsvorsitzende Gunhild Kilian-Kornell, die pädagogische Geschäftsführerin Martina Rusch und Verwaltungsmitarbeiterin Gosia Hannemann eine Kampagne. Ziel der Aktion: Sie wollen Wirtschaftsvertretern wie Privatleuten vor Augen führen, dass der Kinderschutzbund einen essenziellen Platz in der Gesellschaft einnimmt, indem er Familien den Rücken stärkt, diese begleitet, berät und unterstützt.

So gehen die Verantwortlichen jetzt explizit auf Unternehmen, Institutionen und Privatleute im Landkreis zu und werben dafür, dem Verein finanziell unter die Arme zu greifen. Warum aber werden gerade Firmen ins Boot geholt? Das hat einen Grund: In den Unternehmen arbeiten viele Menschen, die Familien haben. Und prinzipiell sind die Mitarbeiter ausgeglichener und zufriedener, "wenn's zu Hause rund läuft", erläutert Rusch. Schon deshalb sollten Firmenchefs ein Interesse daran haben, dass es den Beschäftigten und ihren Familien gut geht. Und noch ein weiterer Fakt ist unstrittig: Die Kinder von heute sind die Mitarbeiter von morgen. "Kinder haben ein Recht darauf, gesund aufzuwachsen", sagt Kilian-Kornell. Die Medizinerin, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin weiß aus jahrelanger Erfahrung, wovon sie spricht. Seit zwölf Jahren ist sie Vorstandsvorsitzende des Kinderschutzbundes.

Viele wissen gar nicht, wie weitreichend die Angebotspalette des Kinderschutzbundes ist. Zentraler Aufgabenbereich sind individuelle Beratungen durch Fachpersonal in unterschiedlichen und oft sehr komplexen Lebensfragen, mit denen sich Eltern und Erziehungsberechtigte an den Verein wenden. Schülercoaches helfen Kindern und Jugendlichen darüber hinaus in schulischen Belangen. Familienpaten unterstützen die Eltern dabei, ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen zu können.

Reich an Aufgaben, aber arm an Finanzmitteln: Die Verantwortlichen des Kinderschutzbundes im Landkreis - Martina Rusch, Gosia Hannemann und Gunhild Kilian-Kornell (v.li.) - starten mit einem selbst gebauten Spendenbarometer eine Kampagne. (Foto: Nila Thiel)

Und mithilfe des "begleiteten Umgangs" können Kinder trotz Trennung und Streit Kontakt zu beiden Elternteilen haben. Es gibt Väterabende, offene Treffs für Alleinerziehende, bei denen man sich zwanglos über Ängste, Sorgen und Nöte austauschen kann, Fortbildungen für Eltern in Sachen Medienberatung für Kinder sowie Eltern-Schulungen zu verschiedenen Themen. Angeboten werden zudem Krabbelgruppen und autogenes Training, es gibt auch eine Kleiderkammer. Im Laufe eines Jahres haben die hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins durchschnittlich zu 2000 Familien Kontakt.

Der Kinderschutzbund berät Eltern und Großeltern im gesamten Landkreis Starnberg. (Foto: Nila Thiel)
Die Eltern-Schulung "Starke Eltern - Starke Kinder" ist im Veranstaltungsprogramm des Kinderschutzbundes wieder aufgenommen. (Foto: Nila Thiel)

Die Angebote des Kinderschutzbundes sind vielseitig. Dürftiger ist jedoch die finanzielle Situation des Vereins. Laut Martina Rusch haben sich "die Zuschüsse des Landkreises und der Stadt Starnberg nahezu halbiert". So habe der Kreistag dem Kinderschutzbund in diesem Jahr lediglich 51 000 Euro bewilligt, im Vorjahr sei es nahezu doppelt so viel gewesen. Rund 19 000 Euro zusätzlich erhält das Schüler-Coaching-Projekt. Von den 14 Landkreisgemeinden im Fünfseenland beteiligen sich neben der Stadt Starnberg lediglich Pöcking und Weßling an den Mietkosten für das Starnberger Familienzentrum in der Söckinger Straße 25. Alle anderen Kommunen halten sich in dieser Hinsicht zurück.

Auch die privaten Spenden sind in den vergangenen drei Jahren um rund 80 Prozent eingebrochen. Rusch und Kilian-Kornell führen diese Tatsache nicht nur auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten, sondern auch auf die Nachwirkungen der Corona-Pandemie zurück. Während die Spenden einbrachen, sei der Beratungsbedarf jedoch enorm gestiegen. Kilian-Kornell nennt hierfür zur Verdeutlichung der Situation ein Beispiel: "Man stelle sich eine Dreizimmerwohnung ohne Balkon vor, zwei Kinder, beide in der Schule, zwei Eltern, beide berufstätig - und dann: Lockdown."

"Die Probleme erkundigen sich nicht nach dem Kontostand der Familie"

Um Fixkosten zu decken, Gehälter, Honorare und auch die Miete für das Familienzentrum sowie Arbeitsmaterialien bezahlen zu können, benötigt der Kinderschutzbund rund 200 000 Euro pro Jahr. Diese Summe will die Organisation jetzt über Spenden auftreiben. "Der Kinderschutz als solcher ist unverzichtbar", sagt Kilian-Kornell. "Wir müssen einfach kreativ sein, um dieses Defizit ausgleichen zu können." So will man zum 45. Geburtstag mindestens 45 starke Partner - Firmen, Institutionen und Privatpersonen - finden, denen Kinder, Jugendliche und Familien am Herzen liegen. Rusch erklärt: "Es muss klar sein, dass man zu uns kommen kann, ohne befürchten zu müssen, dass es Konsequenzen für die Familie gibt, wenn sie schwierige Fragestellungen hat. Und wir sind kostenfrei erreichbar für alle Menschen, die sich Beratungen sonst nicht leisten können." Denn: "Die Probleme erkundigen sich vorher nicht nach dem Kontostand der jeweiligen Familie."

Bezogen aufs Jubiläum sucht der Verein zudem 45 neue Mitglieder (Mitgliedsbeitrag: 50 Euro pro Jahr) und neuerdings auch 45 Kindermitglieder, für die eine Mitgliedschaft kostenlos ist, die bei Versammlungen aber Antrags- und Stimmrecht haben. Sie können auch eine Sprecherin oder einen Sprecher wählen, der als beratendes Mitglied an Vorstandssitzungen teilnimmt. Rusch sagt: "Schließlich sind das alles Themen, die Kinder und Jugendliche ganz direkt betreffen." Und nochmals bezogen auf die Zahl 45: Gunhild Kilian-Kornell hat 4500 Euro aus ihrer Privatschatulle an den Verein überwiesen, um zu zeigen, wie wichtig der Erhalt des Angebots für Kinder und Familien im Fünfseenland ist. Sie sagt: "Es gibt eine ganze Menge Menschen, die uns sehr brauchen."

Unter www.kinderschutzbund-starnberg.de gibt es Infos zum 45-jährigen Bestehen des Kinderschutzbundes und zu Spenden.

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