Kommunale IT-Systeme:"Die Digitalisierung der Verwaltung muss intensiviert werden"

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Für öffentliche Einrichtungen gilt es, die richtigen Knöpfe zu drücken, um sich vor Hackerangriffen zu schützen. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Immer häufiger werden Städte und Gemeinden das Ziel von Hackerangriffen. Doch wie stehen Kommunen beim Thema Cybersicherheit da? Was sind die größten Gefahren, was hilft dagegen? Ein Gespräch mit dem IT-Experten und Starnberger Stadtrat Thorsten Schüler (UWG).

Interview von Linus Freymark, Starnberg

Die Forderung eines angeblichen Inkasso-Unternehmens hier, die hochoffizielle Warnung des Bundeskriminalamts da: Viele Arbeitnehmer sind in ihrem Berufsalltag mit Phishing-Mails konfrontiert. Ein Klick auf den falschen Link kann dabei schwere Folgen haben, wenn es Hackern gelingt, in das IT-System des Unternehmens einzudringen und sensible Daten abzusaugen. Insbesondere kommunale Verwaltungen werden immer wieder das Ziel von Hackerangriffen.

Um sich besser für die digitalen Herausforderungen zu rüsten, haben die Kommunen Starnberg, Pöcking, Feldafing, Berg, Tutzing und Andechs sowie das kommunale Unternehmen für Trinkwasser der Gemeinden Pöcking und Feldafing nun die Zio GmbH gegründet. Dadurch sollen Fachwissen gebündelt und Arbeitsläufe vereinfacht werden. Als Gesellschafter entsendet die Stadt Starnberg den Stadtrat Dr. Thorsten Schüler (UWG) in den Aufsichtsrat des kommunalen Unternehmens. Im Gespräch erklärt der Diplom-Ingenieur, Softwareentwickler und IT-Administrator, worin für Kommunen die größten Gefahren im IT-Bereich liegen und wie die Zio GmbH helfen soll, mit diesen umzugehen.

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SZ: Herr Schüler, vor ein paar Monaten haben Hacker die gesamte Verwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises lahmgelegt und große Datenmengen abgegriffen. Sind Kommunen im Gegensatz zu Unternehmen nicht ausreichend geschützt?

Thorsten Schüler: Nein, das Sicherheitsniveau ist dasselbe wie bei Unternehmen in der freien Wirtschaft. Wie viele Ressourcen man in seine IT-Sicherheit steckt, ist immer ein Abwägen zwischen Schutz und Aufwand. Dabei ist es zielführender, sich breit aufzustellen und mehrere Risiken möglichst gut abzudecken als eines zu hundert Prozent. Eine weitere Einflussgröße sind die durch einen Angriff zu erwartenden Schäden. Und dann stellt sich immer noch die Frage: Wie wahrscheinlich ist eine Attacke? Aber das ist eine unbekannte Größe, die man nur schwer abschätzen kann.

Thorsten Schüler (UWG) sieht Kommunen trotz der enormen Herausforderungen im IT-Bereich gut gerüstet. (Foto: oh)

Sind die Auswirkungen von Hackerangriffen für Kommunen gravierender als für private Firmen?

Einen Vorteil gibt es für Städte und Gemeinden: Sie können - anders als Betriebe - nicht durch eine solche Attacke in Insolvenz geraten. Aber: Kommunale Verwaltungen verfügen über deutlich mehr personenbezogene Daten als Unternehmen. Wenn es Kriminellen gelingt, sich dazu Zugang zu verschaffen und sie genügend Informationen zusammenbekommen, um sich etwa als eine andere Person auszugeben, kann das gravierende Folgen haben.

Das erfordert einen besonders guten Schutz.

Genau, die Anforderungen sind extrem hoch. Aber das ist mit einem enormen Aufwand verbunden, auch finanziell. Die meisten Kommunen aber haben - wie auch die Stadt Starnberg - wenig Geld. Das ist ein bremsender Faktor.

Ein weiteres Problem, mit dem viele Städte und Gemeinden kämpfen, ist der Fachkräftemangel. Ist das auch im IT-Bereich so? Und haben Kommunen einen generellen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Privatwirtschaft?

Das würde ich so pauschal nicht sagen. In der freien Wirtschaft kann man vielleicht mehr Geld verdienen. In einer Verwaltung ist das Arbeiten aber vielleicht ein Stück weit stressfreier, auch durch geregelte Arbeitszeiten. Das setzt sich gerade im IT-Sektor zwar immer mehr auch in privaten Unternehmen durch. Die Sicherheit einer Anstellung bei einer Kommune kann jedoch nicht geboten werden. Da wäre man wieder beim Abwägen, diesmal zwischen der Sicherheit des Jobs und Geld. Die Entscheidung muss jeder für sich treffen. Ob es einen Mangel an IT-Fachkräften gibt, weiß ich nicht, das kommt ja immer darauf an, wie speziell man sucht. Vieles kann man den Leuten ja auch beibringen.

"Wenn sich mehrere Kommunen zusammentun, profitieren sie von mehr Fachwissen."

Sie erhoffen sich durch die Gründung der Zio GmbH, leichter Mitarbeiter zu gewinnen. Wie soll das gelingen?

Wenn jede Gemeinde eine IT-Fachkraft einstellt, die sich um alles kümmern muss, ist das Problem: Der- oder Diejenige weiß zwar von allem ein bisschen, kann aber keine Expertise für bestimmte Bereiche aufbauen. Wenn sich mehrere Kommunen zusammentun, lohnt es sich, für jede relevante Sparte Spezialisten einzustellen und weiterzubilden. Dadurch profitieren wir von mehr Fachwissen. Und es macht uns für Bewerber attraktiver, die in ihren Spezialgebieten tätig sein wollen.

Bei der Digitalisierung hat man oft das Gefühl, dass Deutschland so manche Entwicklung verschlafen hat und man nun versucht, die Verwaltungen irgendwie auf den aktuellen Stand zu hieven. Können Kommunen mit den rasanten technischen Neuerungen Schritt halten?

Ich würde nicht sagen, dass Deutschland die Digitalisierung verschlafen hat. Wir wissen schon, was zu tun ist - allerdings dauert es oft ziemlich lange, bis es dann auch umgesetzt wird. In unserer Gesellschaft gibt es eine viel verbreitete Skepsis gegenüber Neuem. Das verlangsamt auch die Digitalisierung. So gesehen haben wir vielleicht doch ein paar Dinge verschlafen - aber nicht, weil wir es nicht mitbekommen haben, sondern eher, weil wir manchmal einfach zu vorsichtig sind.

Wie können sich Kommunen für die digitale Zukunft rüsten?

Auf jeden Fall muss die Digitalisierung der Verwaltungsabläufe intensiviert werden. Dadurch spart man sich enorm viel Zeit. Das gilt sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Bürger, die nicht mehr für jeden Antrag aufs Amt rennen müssen, sondern möglichst viel online erledigen sollten. Wir müssen die digitale Kommunikation ausbauen, dürfen dabei aber natürlich die Sicherheit nicht aus den Augen lassen.

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